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24 Artikel , 14.01.2021 :

Pressespiegel überregional

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Übersicht:


Jüdische Allgemeine Online, 14.01.2021:
Berlin / Washington / Haft für Randalierer mit "Camp Auschwitz"-Shirt begrüßt

Jüdische Allgemeine Online, 14.01.2021:
IHRA / Handbuch für Europa

Jüdische Allgemeine Online, 14.01.2021:
Skandinavien / "Fremde Rassen deportieren"

Jüdische Allgemeine Online, 14.01.2021:
Rodeln in KZ-Gedenkstätte Buchenwald: Sicherheit wird verstärkt

Mindener Tageblatt, 14.10.2021:
NS-Raubkunst übergeben

die tageszeitung Online, 14.01.2021:
Plädoyer im Lübcke-Prozess verschoben / Das Urteil verzögert sich

die tageszeitung Online, 14.01.2021:
Mutmaßlich rechter Terror im Jahr 2000 / Wehrhahn-Anschlag bleibt ungesühnt

Blick nach Rechts, 14.01.2021:
Militaria-Neonazi bleibt unbehelligt

Jüdische Allgemeine Online, 14.01.2021:
Tatverdächtiger des Wehrhahn-Anschlags freigesprochen

Zeit Online, 14.01.2021:
BGH bestätigt Freispruch nach Wehrhahn-Anschlag

Spiegel Online, 14.01.2021:
Bombenanschlag an Düsseldorfer S-Bahnhof / BGH bestätigt Freispruch in Wehrhahn-Prozess

Westdeutscher Rundfunk Köln, 14.01.2021:
Bundesgerichtshof bestätigt Freispruch im Wehrhahn-Prozess

Rheinische Post Online, 14.01.2021:
BGH zu Anschlag in Düsseldorf / Wehrhahn-Freispruch bleibt bestehen

Süddeutsche Zeitung Online, 14.01.2021:
BGH verkündet Urteil zu Düsseldorfer Wehrhahn-Anschlag

Westdeutsche Zeitung Online, 14.01.2021:
Gedenken in Düsseldorf / Gedenktafel am Wehrhahn beschmiert

Spiegel Online, 14.01.2021:
Chemnitz / Angriff auf Wirt von jüdischem Restaurant - Anklage gegen 29-Jährigen erhoben

Jüdische Allgemeine Online, 14.01.2021:
Zweieinhalb Jahre später: Anklage nach Angriff auf jüdischen Wirt in Chemnitz

Neues Deutschland Online, 14.01.2021:
Chemnitz / Anklage wegen Angriff auf Wirt von jüdischem Restaurant

MDR Sachsen, 14.01.2021:
Chemnitz / Anklage nach Angriff auf Wirt von jüdischem Restaurant erhoben

Jüdische Allgemeine Online, 14.01.2021:
Einspruch / Rechtsfrieden braucht Klartext

MiGAZIN, 14.01.2021:
HRW-Jahresbericht / Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit in Deutschland weiterhin besorgniserregend

Jüdische Allgemeine Online, 14.01.2021:
"Feinde der Demokratie sollten nicht aus Steuermitteln finanziert werden"

Neues Deutschland Online, 14.01.2021:
Störaktion im Parlament / Hausverbot im Bundestag: Gäste der AfD-Fraktion hatten Politiker bedrängt

t-online.de, 14.01.2021:
Hannover / Ex-AfD-Landeschefin Dana Guth wechselt zu LKR

tagesschau.de, 14.01.2021:
AfD wie Trump / Die Mär von der gestohlenen Wahl

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Jüdische Allgemeine Online, 14.01.2021:

Berlin / Washington / Haft für Randalierer mit "Camp Auschwitz"-Shirt begrüßt

14.01.2021 - 08.39 Uhr

Internationales Auschwitz Komitee empört sich über Hemd, das der Mann bei der Erstürmung des US-Kapitols trug

Das Internationale Auschwitz Komitee hat die Verhaftung eines Mannes, der bei der Erstürmung des US-Kapitols ein Shirt mit der Aufschrift "Camp Auschwitz" trug, begrüßt. Es sei empörend, dass es Hersteller und Labels gebe, die solche Shirts aus purem kommerziellem Interesse vertrieben, betonte der Exekutiv-Vizepräsident des Komitees, Christoph Heubner, am Donnerstag in Berlin. Ebenso verstörend sei es, "dass Nazis in aller Welt von der Leugnung von Auschwitz zur Verherrlichung dieser Mordfabrik übergegangen sind".

Haftbefehl

US-Medienberichten zufolge nahm die Polizei den Mann am Dienstag im Bundesstaat Virginia fest. Zuvor hatte ein Bundesgericht einen Haftbefehl gegen ihn erlassen. Ihm werden illegales Eindringen in ein besonders gesichertes Gebäude und ungebührliches Verhalten auf dem Gelände des Kapitols zur Last gelegt.

Der Mann war bei den Ausschreitungen auf zahlreichen Fotos zu sehen. Auf seinem schwarzen "Camp-Auschwitz"-Shirt waren ein Totenschädel und die Worte "Work Brings Freedom" zu sehen - eine Übersetzung von "Arbeit macht frei", der Aufschrift am Tor des Konzentrationslagers Auschwitz. Dies hatte international für Entrüstung gesorgt. (kna)

Bildunterschrift: Eingeschlagenes Fenster nach der Erstürmung des US-Kapitols.

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Jüdische Allgemeine Online, 14.01.2021:

IHRA / Handbuch für Europa

14.01.2021 - 09.16 Uhr

Mit einem Leitfaden wollen EU-Kommission und RIAS die Dimensionen der Antisemitismus-Definition veranschaulichen

Von Michael Thaidigsmann

Beim Antisemitismus beziehungsweise seiner Bekämpfung sind sich alle einig. Doch europaweit kommt es immer wieder zu erbitterten Debatten darüber, was genau als antisemitisch zu werten ist und was nicht. Um Klarheit zu schaffen, einigten sich Experten und Vertreter von mehr als 30 in der International Holocaust Remembrance Alliance (IHRA) zusammengeschlossenen Ländern 2016 auf eine unverbindliche, aber mit konkreten Beispielen versehene Arbeitsdefinition zum Antisemitismus.

Erklärtes Ziel war es zu helfen, judenfeindliche Erscheinungen in verschiedenen Alltagskontexten zu erkennen: im öffentlichen Leben, in den Sozialen Netzwerken, an Schulen, am Arbeitsplatz, in den Medien und im religiösen Leben. Seitdem ist das - nicht unumstrittene - IHRA-Regelwerk von zahlreichen Regierungen, Parlamenten, Parteien und internationalen Organisationen angenommen worden. 18 der 27 EU-Staaten haben sich formal dazu bekannt. Selbst Fußball-Klubs wie der britische Erstligist FC Chelsea verpflichten sich, die Arbeitsdefinition anzuwenden.

Doch weil nicht nur dort die Maxime des ehemaligen deutschen Fußballers Alfred Preißler gilt, "Grau ist alle Theorie - entscheidend ist auf dem Platz", hat die Europäische Kommission nun ein gemeinsam mit der IHRA und den Experten der deutschen Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus in Berlin (RIAS) erarbeitetes Handbuch veröffentlicht.

Verhaltenskodex

Es soll helfen, die verschiedenen Dimensionen der Definition anhand konkreter antisemitischer Vorfälle und Straftaten zu veranschaulichen. Der Leitfaden richtet sich an Zielgruppen wie Staatsanwälte und Richter, aber auch an Lehrer und Vertreter der Zivilgesellschaft. Es enthält Empfehlungen für die Ausbildung von Polizisten und die bessere Erfassung und Einordnung von Hass-Kriminalität.

Ebenso finden sich darin ein Verhaltenskodex für Universitäten, Materialien für die Schulung und Weiterbildung von Lehrkräften und Hinweise zur Erfassung antisemitischer Vorfälle im Internet. Die elf in der IHRA-Definition genannten Beispiele für Antisemitismus veranschaulicht das Handbuch mit Vorkommnissen der vergangenen Jahre aus ganz Europa.

Regelmäßige hitzige Diskussionen gibt es vor allem über das siebte Beispiel, in dem "Das Aberkennen des Rechts des jüdischen Volkes auf Selbstbestimmung, zum Beispiel durch die Behauptung, die Existenz des Staates Israel sei ein rassistisches Unterfangen" als antisemitisch eingestuft wird. Kritiker der IHRA-Definition und pro-palästinensische Aktivisten sehen darin eine unzulässige Beschränkung der Meinungsfreiheit. RIAS-Geschäftsführer Benjamin Steinitz erklärte dagegen, die konsequente Anwendung der Definition im öffentlichen Dienst würde "die Sensibilität für aktuelle Erscheinungsformen von Antisemitismus verbessern".

Prävention

Die Antisemitismus-Beauftragte der EU-Kommission, Katharina von Schnurbein, gab ihrer Hoffnung Ausdruck, dass das Handbuch "auf ganz praktische Weise helfen wird, was die Prävention und Reaktion auf antisemitische Vorfälle, aber auch Opferschutz, Datenerhebung oder die Wahrnehmung von antisemitischen Ressentiments betrifft". Ziel sei es, gute Herangehensweisen einzelner EU-Staaten hervorzuheben. Das könne den jüdischen Gemeinden dann auch im öffentlichen Diskurs helfen, glaubt von Schnurbein.

Die Empfehlungen richten sich an die Justiz, Lehrer und Vertreter der Zivilgesellschaft

Lob kam vom Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland. "Das neue Handbuch verdeutlicht mit praktischen Beispielen, wie dringlich die umfassende Bekämpfung des Antisemitismus in Europa ist. Zugleich wird die häufig etwas abstrakte Debatte über die IHRA-Arbeitsdefinition damit greifbar. Im Kampf gegen Antisemitismus ist damit ein wichtiger Schritt getan", sagte Josef Schuster.

Der Präsident des Europäischen Jüdischen Kongresses, Moshe Kantor, verwies auf Versäumnisse im Bereich von Polizei und Justiz. "Wir haben seit vielen Jahren auf das Problem aufmerksam gemacht, dass Staatsanwälte und Polizeibeamte nicht in der Lage sind, antisemitische Vorfälle richtig zu identifizieren."

Schleswig-Holsteins Antisemitismus-Beauftragter, der frühere Ministerpräsident Peter Harry Carstensen, sagte, das Handbuch weise gute Ansätze auf. So sei die Arbeitsdefinition der IHRA bereits bei der Ausbildung an der Bundespolizeiakademie ein Bestandteil, und auch die deutsche Hochschulrektorenkonferenz setze sich für eine Anwendung an allen Hochschulen ein.

Manko

Selbst der Leiter der Kultur- und Kommunikationsabteilung im Auswärtigen Amt, Andreas Görgen, fand auf Twitter nur lobende Worte für die Publikation. Sie komme zur rechten Zeit, schrieb Görgen. Der Diplomat war in den vergangenen Monaten als Ratgeber der "Initiative 5.3 GG Weltoffenheit" deutscher Kulturinstitutionen aufgefallen, die sich gegen einen angeblichen Missbrauch des Antisemitismus-Begriffs in Bezug auf Israel verwahrt hatte.

Vorläufig ist das Praxishandbuch nur auf Englisch verfügbar - ein Manko, das auch Katharina von Schnurbein anerkennt. Die deutsche EU-Beamtin hofft aber, dass es bald in andere Sprachen übersetzt werden kann und schnell den Weg zu den gewünschten Zielgruppen finden wird.

Bildunterschrift: IHRA-Kritiker sehen in der Definition eine Beschränkung der Meinungsfreiheit.

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Jüdische Allgemeine Online, 14.01.2021:

Skandinavien / "Fremde Rassen deportieren"

14.01.2021 - 11.58 Uhr

Wie die Neonazibewegung "Nordisk Motståndsrörelse" die jüdischen Gemeinden in Nordeuropa terrorisiert

Von Elke Wittich

Jahrelang konnte die panskandinavische Neonazi-Bewegung "Nordisk Motståndsrörelse" (NMR) weitgehend ungestört Hass und Hetze verbreiten und sich international vernetzen. In den vergangenen Monaten ergingen jedoch mehrere Gerichtsurteile, die dafür sprechen, dass die ruhigen Zeiten für die selbst ernannten Widerstandskämpfer vorbei sein könnten.

In Finnland wurde die Gruppierung im September verboten, in Schweden verurteilte man im Dezember acht Mitglieder wegen unterschiedlicher Gewalttaten. Demnächst wird sich die schwedische Staatsanwaltschaft damit beschäftigen, ob die Publikationen der NMR Hass gegen Minderheiten schüren.

Juden-Hass

An der antisemitischen Grundhaltung der NMR kann es kaum Zweifel geben. Ende September, an Jom Kippur, hielten NMR-Mitglieder zeitgleich in Schweden, Dänemark, Island und Norwegen vor Synagogen antisemitische Kundgebungen ab und verteilten Hetzschriften. "Aufklärungsarbeiten über jüdische Gebräuche" nannten sie diese Hass-Veranstaltungen hämisch auf ihrer Website "Nordfront".

Eine Überraschung dürften die Demonstrationen für die Sicherheitsbehörden nicht gewesen sein: Bei der 1997 von Mitgliedern des Vitt Arisk Motstånd (Weißer Arischer Widerstand) in Schweden gegründeten Svenska Motståndsrörelse gehörte Antisemitismus von Anfang an zum Programm. 2016 wurde aus der schwedischen die nordische Widerstandsbewegung. Erklärtes Ziel ist die Schaffung "einer nationalsozialistischen nordischen Republik".

In Schweden ist die NMR offiziell als Partei anerkannt. In ihrem Programm beschwört sie die Vision eines vereinten Nordens: "Alle fremden Rassen, die sich innerhalb der Grenzen des Nordens befinde", sollten zwangsdeportiert werden, heißt es darin. Der Nationalsozialismus während der kurzen Periode, in der er in Deutschland an der Macht war, sei "die einzige Kraft, die ernsthaft die derzeit die Welt beherrschenden destruktiven Kräfte bedrohen kann".

Vernetzung

Auch international ist die Motståndsrörelse gut vernetzt, wie die schwedische Zeitschrift "Expo" wiederholt dokumentierte. Im Frühjahr 2017 hatte es mehrere Brandanschläge auf Flüchtlingsheime gegeben. Zwei der mittlerweile verurteilten NMR-Mitglieder hatten zuvor an einer Kampfausbildung bei der Russkoje Imperskoje Dwischenije, der Russischen Imperialen Bewegung RID, in St. Petersburg teilgenommen.

Die seit Sommer 2020 von den USA als ausländische Terrororganisation eingeordnete RID verfügt über einen "Legion" genannten paramilitärischen Arm, der unter anderem Freiwillige für den Kampf in der Ukraine ausbildete. Bei einer aus Vorträgen und Wehrsportübungen bestehenden Veranstaltung des schwedischen Flügels der NMR sagte ein RID-Vertreter 2015 in einer Rede, man kämpfe gegen "jüdische Oligarchen in der Ukraine".

Doch nicht nur Russen gehören zu den Verbündeten der NMR. Seit 2017 besuchen schwedische Vertreter regelmäßig Veranstaltungen der Neonazi-Partei "Der III. Weg". Zuletzt hielt Frederik Vedeland, Redakteur des Magazins "Nationellt Motstånd", am 3. Oktober bei einer Demonstration in Berlin eine Rede.

Gewalt

Die aktivsten Mitglieder der NMR sind außerordentlich gewaltbereit. Von den 2015 durch "Expo" identifizierten 159 NMRlern waren 56 Prozent vorbestraft. 2017 stellte der Fernsehsender SR fest, dass jeder Vierte wegen Gewaltdelikten verurteilt worden war.

Die NMR sei die größte Bedrohung für Juden im Norden, konstatierte Aron Verständig, Vorsitzender des schwedischen Judiska Centralrådet, nach den Kundgebungen an Jom Kippur. Die jüdische Community habe keine Hilfe von der Polizei erhalten, sagte er weiter. "Als die Demo vor der Synagoge in Norrköping der Polizei gemeldet wurde, wurde nichts unternommen, weil sie als Religionskritik und nicht als gesetzlich verbotene Hetze gegen eine ethnische Gruppe gelte."

Dabei hatte die schwedische Sicherheitspolizei Säpo die Bewegung bereits 2009 als "größte Gefahr für die Sicherheit des Landes" bezeichnet. Schwedens Vertreterin im Jüdischen Weltkongress, Petra Kahn Nord, forderte nach Jom Kippur, dass Schweden dem Beispiel Finnlands folgen und die Motståndsrörelse verbieten solle.

Bildunterschrift Kundgebung im schwedischen Kungälv (2019).

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Jüdische Allgemeine Online, 14.01.2021:

Rodeln in KZ-Gedenkstätte Buchenwald: Sicherheit wird verstärkt

14.01.2021 - 20.28 Uhr

"Störung der Totenruhe": Zuwiderhandlungen werden künftig angezeigt

Nachdem Ausflügler am Mahnmal des früheren nationalsozialistischen KZ Buchenwald und den Massengräbern mehrfach Schlitten gefahren sein sollen, sind die Sicherheitsvorkehrungen verstärkt worden. Zudem würden Zuwiderhandlungen angezeigt, teilte die Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora am Donnerstag in Weimar weiter mit.

Zugleich wurde darum gebeten, die Würde der Toten zu wahren und jeglichen Wintersport im gesamten Bereich des ehemaligen Lagers und der Friedhöfe zu unterlassen.

Das 1958 errichtete Mahnmal ist Teil der Gedenkstätte auf dem Gelände des einstigen NS-Konzentrationslagers Buchenwald in Weimar. In diesem Bereich wurden vor und nach der Befreiung des nationalsozialistischen Konzentrationslagers am 11. April 1945 mehrere Tausend Tote begraben. "Sportliche Aktivitäten sind hier ein Verstoß gegen die Besucherordnung und eine Störung der Totenruhe", unterstrich die Stiftung. (dpa)

Bildunterschrift: Gedenkstätte Buchenwald.

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Mindener Tageblatt, 14.10.2021:

NS-Raubkunst übergeben

München (dpa). Die bislang als NS-Raubkunst identifizierten Werke aus dem Schwabinger Kunstfund von Cornelius Gurlitt sind nun alle zurückgegeben worden.

Zum Abschluss sei die Zeichnung "Das Klavierspiel" auf Wunsch der Erben des ehemaligen Eigentümers Henri Hinrichsen an das Auktionshaus Christie’s übergeben worden. Insgesamt hatten die Experten 14 Werke aus der Sammlung Gurlitt als von den Nationalsozialisten geraubte Kunst eingestuft. Das Spitzweg-Bild war das letzte, das nun restituiert wurde.

Die Zeichnung stammt aus einem Konvolut von rund 1.500 Kunstwerken, die vor neun Jahren in Gurlitts Wohnung in München sowie später in Salzburg beschlagnahmt worden waren. Nur 14 Werke konnten als NS-Raubkunst identifiziert werden. Als Gurlitt 2014 starb, vermachte er seine Sammlung dem Kunstmuseum Bern.

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die tageszeitung Online, 14.01.2021:

Plädoyer im Lübcke-Prozess verschoben / Das Urteil verzögert sich

Wegen eines rechtlichen Hinweises des Gerichts bat die Verteidigung um Aufschub - und bekam ihn. Die Plädoyers werden erst in einer Woche gehalten.

Konrad Litschko

Frankfurt / Main (taz). Alle waren vorbereitet. Am Donnerstag sollte im Prozess zur Ermordung von Walter Lübcke das Plädoyer des Hauptangeklagten Stephan E. stattfinden, die vorletzte Etappe vor dem Urteil. Daraus aber wurde nichts: Wegen eines rechtlichen Hinweises des Gerichts bat die Verteidigung um Aufschub - und bekam ihn. Nun verschiebt sich auch das Urteil, vom 26. auf den 28. Januar.

Bereits am Morgen hatten sich der Strafsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt / Main für eine Stunde zu einer Beratung zurückgezogen. Dann erteilte Richter Thomas Sagebiel dem Angeklagten Stephan E. den rechtlichen Hinweis, dass bei einem Urteil gegen ihn auch eine Sicherungsverwahrung unter Vorbehalt ausgesprochen werden könnte. Das bedeutet, dass die Sicherungsverwahrung, die an eine lebenslange Haft anschließen würde, auch erst in der Haftzeit verhängt werden könnte.

Der Hinweis war eigentlich eine Formalie. Eine lebenslange Haft für den Mord an Walter Lübcke am 1. Juni 2019 stand für Stephan E. ohnehin im Raum: Am Tatort fand sich seine DNA. Auch gestand er die Tat und begründete sie mit Hass auf Lübcke, weil dieser auf einer Bürgerversammlung Gegner einer Geflüchteten-Unterkunft kritisiert hatte. Auch die Bundesanwaltschaft hatte zuletzt eine lebenslange Haft samt Sicherungsverwahrung für E. wegen des Mordes gefordert.

Verurteilung auch für Messer-Angriff?

Der Hinweis des Gerichts könnte aber auch bedeuten, dass Stephan E. neben dem Mord an Walter Lübcke noch für eine weitere Tat verurteilt wird: einen Messer-Angriff auf den irakischen Geflüchteten Ahmed I. im Januar 2016. Auch diese Tat ist im Prozess angeklagt. Anders als den Lübcke-Mord bestreitet Stephan E. aber diese Tat und die Beweislage ist nicht ganz eindeutig. Eine Verurteilung von E. dafür galt bisher als ungewiss.

Eine Sicherungsverwahrung wird aber in der Regel erst verhängt, wenn der Betroffene mehrere, schwere Straftaten begangen hat und die Verübung weiterer zu befürchten ist. Mit dem Messer-Angriff und dem Mord an Lübcke wäre dies gegeben. Auch die Bundesanwaltschaft will, dass Stephan E. für den Angriff auf Ahmed I. verurteilt wird.

Mustafa Kaplan, der Verteidiger von Stephan E., erbat sich nach dem rechtlichen Hinweis eine längere Beratungszeit, um sein Plädoyer eventuell umzuarbeiten. Er kritisierte, dass der Hinweis erst "wenige Minuten" vor seinem Schlussvortag erging. Und das Gericht gewährte Kaplan eine großzügige Bedenkzeit: Das Plädoyer wurde abgesagt und um eine ganze Woche auf den 21. Januar verschoben, der Prozesstag danach beendet.

Damit verschiebt sich auch das Restprogramm im Prozess. Der Mitangeklagte Markus H. soll nun am 26. Januar plädieren. Zwei Tage später soll das Urteil fallen. Einige Prozessteilnehmer kritisierten die Verschiebung: Es hätte gereicht, der Verteidigung von Stephan E. eine längere Beratungszeit am Donnerstag zu gewähren - und am Nachmittag das Plädoyer zu beginnen. Ein Sprecher der Familie Lübcke nannte die Verzögerung eine Belastung für die Angehörigen.

Mutmaßlicher Mittäter könnte glimpflich davonkommen

Auch für den Mitangeklagten Markus H., ebenfalls ein Neonazi, war der Tag ein Fingerzeig. Die Bundesanwaltschaft hatte für ihn eine Haftstrafe von neun Jahren und acht Monaten gefordert, weil er psychische Beihilfe zum Mord geleistet habe: Mit gemeinsamen Schießtrainings und Besuchen auf rechten Demos habe er Stephan E. in seinem Mordplan bestärkt. Der Anwalt der Familie Lübcke hatte in seinem Plädoyer gefordert, Markus H. gar als Mittäter für den Mord zu verurteilen: Eine Reihe an Indizien spreche dafür, dass er - wie von Stephan E. zuletzt behauptet hat - mit am Tatort war.

Eine Verurteilung als Mittäter müsste das Gericht aber ebenfalls mit einem rechtlichen Hinweis ankündigen, da dies von der Anklage abweicht. Diesen Hinweis forderte der Lübcke-Anwalt Holger Matt auch ein. Hier aber blieb der Senat am Donnerstag stumm. Damit scheinen die Richterinnen, Richter Markus H. derzeit nicht als Mittäter zu sehen.

Der 44-Jährige könnte am Ende glimpflich davonkommen: Das Gericht hatte Markus H. bereits im Oktober 2020 aus der U-Haft entlassen und verkündet, dass gegen ihn - wegen der widersprüchlichen Aussagen von Stephan E. - nicht mal mehr ein dringender Tatverdacht für eine Mord-Beihilfe bestehe.

Bildunterschrift: Der Angeklagte Stephan E. (rechts) mit seinem Anwalt Mustafa Kaplan.

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die tageszeitung Online, 14.01.2021:

Mutmaßlich rechter Terror im Jahr 2000 / Wehrhahn-Anschlag bleibt ungesühnt

20 Jahre nach dem Attentat in Düsseldorf hat der BGH den Freispruch für einen Nazi bestätigt. Zwölf Menschen wurden damals teils schwer verletzt.

Christian Rath

Karlsruhe (taz). Der Freispruch für den heute 54-jährigen Rechtsextremisten Ralf S. war "rechtsfehlerfrei". Mit diesem Urteil beendete der Bundesgerichtshof (BGH) am Donnerstag in letzter Instanz den mehrjährigen Prozess zum Bombenanschlag auf zwölf osteuropäische Sprachschülerinnen, Sprachschüler im Jahr 2000.

Die Sprachschülerinnen, Sprachschüler kamen aus Russland, der Ukraine und aus Aserbaidschan. Rund die Hälfte von ihnen waren Jüdinnen, Juden. Auf dem S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn wurden sie Opfer einer selbstgebauten TNT-Rohrbombe, die in einer Plastiktüte am Geländer einer Fußgängerbrücke hing und per Funk ausgelöst wurde. Sieben Frauen und drei Männer erlitten teils schwere Verletzungen. Eine Schwangere verlor ihr ungeborenes Baby.

Der Anschlag sorgte damals für große Bestürzung, die Polizei vermutete sofort rassistische Motive. Als es drei Monate später zu einem Anschlag auf die Synagoge von Düsseldorf kam, rief der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) einen "Aufstand der Anständigen" aus. Es kam zu Lichterketten-Demonstrationen, und die Bundesregierung beantragte beim Bundesverfassungsgericht ein Verbot der NPD.

Den Anschlag auf die Synagoge gestanden später ein Palästinenser und ein Marokkaner und begründeten ihn mit der israelischen Besatzungspolitik in Gaza. Das Bombenattentat von Wehrhahn blieb aber unaufgeklärt. 2009 löste sich die polizeiliche Sonderkommission zu dem Anschlag auf.

Ein absehbares Urteil

Erst 2017 gab es doch noch einen Ermittlungserfolg. Die Polizei nahm den ehemaligen Berufssoldaten Ralf S. fest, einen vor Ort bekannten Rechtsextremisten. S. hatte in der Nähe des S-Bahnhofs gewohnt, sein Militaria-Laden lag neben der Sprachenschule. Schon kurz nach der Tat war er in Verdacht geraten, konnte damals jedoch ein Alibi vorweisen. Nun aber hatten ihn zwei ehemalige Knastgenossen belastet, denen er in der Haft den Anschlag gestanden haben soll.

2018 kam es am Landgericht Düsseldorf zu einem halbjährigen Strafprozess, an dessen Ende Ralf S. jedoch freigesprochen wurde. Das Gericht war nicht ausreichend von S. Täterschaft überzeugt. S. hatte die vermeintlichen Geständnisse bestritten. Handfeste Spuren, die auf ihn hindeuteten, gab es nicht. S. bekam sogar Entschädigung für die mehrmonatige Zeit in der Untersuchungshaft.

Doch die Düsseldorfer Staatsanwaltschaft wollte das Urteil nicht akzeptieren und legte Revision ein. Die Beweiswürdigung des Landgerichts sei fehlerhaft gewesen. Dass die Revision schlechte Erfolgsaussichten hat, zeichnete sich aber schon bei der mündlichen BGH-Verhandlung im vorigen November ab. Die Bundesanwaltschaft unterstützte die Revision der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft nicht und beantragte, den Freispruch aufrechtzuerhalten.

Dem folgte nun auch der 3. BGH-Strafsenat, der für Terror und Staatsschutz zuständig ist. Der BGH müsse die Beweiswürdigung des Landgerichts grundsätzlich akzeptieren. "Nur das Landgericht hat alle Zeugen gehört, mit den Sachverständigen gesprochen und die Beweismittel gesehen", sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Schäfer. Der BGH könne die Beweisaufnahme des Landgerichts nur bei Rechtsfehlern beanstanden, etwa wenn die Überlegungen widersprüchlich oder lückenhaft waren.

Richter Schäfer ging näher auf die Zeugenaussagen ein, die Ralf S. belasteten. Die beiden Strafgefangenen hätte Unstimmigkeiten in ihren Aussagen nicht überzeugend erklären können. Auch die Aussagen von zwei Frauen aus dem Umfeld von S., die ausgesagt hatten, S. habe die Tat ihnen gegenüber angekündigt, seien nicht nachvollziehbar genug gewesen. Beide Frauen waren in den Jahren 2000 und 2001 mehrfach von der Polizei befragt worden und hatten S. damals nicht belastet. Erst nach über 16 Jahren hatten sie ihre vermeintlichen Erinnerungen der Polizei mitgeteilt.

Zwar habe S. im Verfahren mehrfach gelogen, so Richter Schäfer, und auch versucht, Zeuginnen, Zeugen zu beeinflussen. Doch auch das hätte das Landgericht nicht als zwingenden Beweis für eine Täterschaft werten müssen, argumentierte Schäfer. "So kann sich auch jemand verhalten, der sich zu Unrecht beschuldigt sieht."

Gegen den Freispruch von S. sind keine weiteren Rechtsmittel möglich.

Bildunterschrift: Rettungskräfte versorgen Verletzte vor dem S-Bahnhof Wehrhahn am 27. Juli 2000.

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Blick nach Rechts, 14.01.2021:

Militaria-Neonazi bleibt unbehelligt

Von Horst Freires

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat das 2018 vom Düsseldorfer Landgericht gefällte Urteil zum Rohrbombenanschlag am Zugang zur S-Bahn-Station Düsseldorf-Wehrhahn 2000 bestätigt. Damit bleibt ein Verbrechen, das zehn Sprachschüler, darunter vier jüdischen Glaubens, teils schwer verletzte und einer im fünften Monat schwangeren Frau ihr Kind nahm, weiter ungeklärt.

Unter dem Eindruck des mittels Fernzündung ausgelösten Anschlags am 27. Juli 2000 rief seinerzeit der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) einen gesellschaftlichen "Aufstand der Anständigen" aus. Jahrelang traten die Ermittlungen einer Sonderkommission auf der Stelle. Erst 2014 brachten Zeugenaussagen über ein Tatgeständnis eines Mithäftlings in der JVA, er habe "die Kanaken weggesprengt", die Ermittlungen wieder ins Rollen und den Militaria-Händler Ralf S. in unmittelbarer Nähe zum Tatort in den Fokus der Strafverfolger.

2017 wurde der verdächtige Neonazi dann festgenommen und auf Grund umfangreicher Indizien Anklage erhoben. Die erste Große Strafkammer am Landgericht hob noch während des im Folgejahr gestarteten Prozesses die U-Haft gegen den heute 54-Jährigen auf. Das dortige Schwurgericht sprach ihn dann wegen fehlender eindeutiger Beweise und widersprüchlichen Aussagen im Zeugenstand frei.

Gegen das Urteil hatte die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt, wie der Bundesgerichtshof heute mitteilte, hätte die Überprüfung des Urteils allerdings keinen Rechtsfehler ergeben. Das Urteil ist somit rechtskräftig.

Sven Skoda hatte Kontakt zum damaligen Angeklagten

Ralf S. geriet auch deshalb ins Visier der Strafverfolgung, weil er sich vor dem Anschlag mehrmals despektierlich und rassistisch über die vielen Sprachschüler geäußert hatte, die die Einrichtung auf der anderen Straßenseite seines Ladens besuchten, und weil er bei der Bundeswehr eine Ausbildung im Umgang mit Sprengstoff erhalten hatte.

S., der eine seiner drei Hochzeiten auf den 20. April, Hitlers Geburtstag, legte, verdingte sich als Detektiv, bot via Internet Kurse im Überlebens- oder Selbstschutztraining an und gewährleistete der rechten Szene in seinem Geschäft eine Anlaufstelle in der Innenstadt, die Kampfanzüge und Rechtsrock im Sortiment hatte. Auch zur damals in Düsseldorf führenden Neonazi-Figur Sven Skoda, heute Bundesvorsitzender der Splitterpartei Die Rechte, besaß S. Kontakt. Seinen Rottweiler hatte S. auf das Kommando "Asylant" abgerichtet. In seinem Stadtteil war der Patrouille laufende Militaria-Händler auch als "Sheriff von Flingern" bekannt.

Berichte über V-Mann

Nach Recherchen des "Spiegel" arbeitete zum Zeitpunkt des Anschlags ein in Geldnöten steckender Kleinkrimineller als Wachmann für S., der dem nordrhein-westfälischen Verfassungsschutz kurz zuvor noch als Nachrichtenquelle aus Neonazi-Kreisen diente. Vernehmungen des Mannes brachten aber keine Erkenntnisse zur Aufklärung des Anschlags.

Juri Rogner, einer der Opfer-Anwälte, betonte, er sei noch immer davon überzeugt, dass 2018 der Richtige auf der Anklagebank gesessen habe. Seit dem 11. Mai des vergangenen Jahres erinnert am Tatort eine kleine, beinahe unscheinbare Gedenktafel an den "Wehrhahn-Anschlag".

Bildunterschrift: Am Bahnhof Düsseldorf Wehrhahn ereignete sich damals der Anschlag.

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Jüdische Allgemeine Online, 14.01.2021:

Tatverdächtiger des Wehrhahn-Anschlags freigesprochen

14.01.2021 - 13.54 Uhr

Im Jahr 2000 wurde ein Anschlag auf jüdische Sprachschüler verübt. Wer die Verantwortung trägt, ist bis heute unklar.

Von Anja Semmelroch

Mehr als 20 Jahre nach einem Rohrbomben-Anschlag auf eine Gruppe Sprachschüler in Düsseldorf ist fraglich, ob der Verantwortliche jemals gefunden und zur Rechenschaft gezogen wird. Ein lange als Attentäter verdächtigter Mann aus der rechten Szene ist seit Donnerstag rechtskräftig freigesprochen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe bestätigte ein Urteil des Düsseldorfer Landgerichts, das 2018 in einem späten Prozess auf Freispruch entschieden hatte, weil gegen den heute 54-Jährigen am Ende eindeutige Beweise fehlten. (Az. 3 StR 124/20)

Der Anschlag hatte sich am 27. Juli 2000 am S-Bahnhof Wehrhahn ereignet. Zehn der Sprachschüler aus Russland, der Ukraine und Aserbaidschan wurden teils lebensgefährlich verletzt, eine schwangere Frau verlor ihr Kind. Einige der Opfer sind jüdisch.

Der Rechtsextremist, der nur 500 Meter vom Tatort entfernt wohnte, war damals schnell in Verdacht geraten - auch weil er direkt gegenüber der Sprachschule einen Militaria-Laden hatte. Aber 2002 musste die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen. Erst Jahre später, als ein früherer Mithäftling behauptete, der Mann habe ihm die Tat gestanden, nahmen die Ermittlungen wieder Fahrt auf.

In dem Prozess am Düsseldorfer Landgericht gab es allerdings keine eindeutigen Spuren oder Beweise, und Zeugen konnten sich nach der langen Zeit kaum erinnern oder verwickelten sich in Widersprüche. Das war den Richtern zu wenig, sie entschieden auf Freispruch.

Dieser Freispruch sei auf rund 100 Seiten rechtsfehlerfrei begründet, sagte der Vorsitzende BGH-Richter Jürgen Schäfer bei der Urteilsverkündung. Die Beweiswürdigung sei grundsätzlich Sache des Tatrichters und vom Revisionsgericht im Ergebnis hinzunehmen - selbst in Fällen, in denen ein anderer Schluss nähergelegen hätte. Damit steht dem Angeklagten nun auch eine Entschädigung zu.

Revision eingelegt hatte die Staatsanwaltschaft. Dass dies nicht allzu aussichtsreich sein dürfte, hatte sich bereits in der Karlsruher Verhandlung Ende November abgezeichnet. Damals hatte nicht nur die Verteidigung dafür plädiert, den Freispruch zu bestätigen, sondern auch die Bundesanwaltschaft. Sie tritt am BGH anstelle der Staatsanwaltschaft auf und muss sich der Revision nicht anschließen.

Schäfer sagte, unabhängig vom Ausgang sei in der Verhandlung noch einmal deutlich geworden, wie groß das Leid der Opfer sei. Ihr Leben sei von einer Sekunde auf die andere nicht mehr dasselbe gewesen.

Bildunterschrift: Juli 2000, Düsseldorf-Wehrhahn: Zehn jüdische Sprachschüler wurden durch eine Rohrbombe schwer verletzt.

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Zeit Online, 14.01.2021:

BGH bestätigt Freispruch nach Wehrhahn-Anschlag

14.01.2021 - 13.10 Uhr

20 Jahre nach einem Bombenanschlag auf Sprachschüler in Düsseldorf wurde der Angeklagte freigesprochen. Gegen den als Nazi bekannten Mann fehlten eindeutige Beweise.

Der lange als Attentäter für den Rohrbombenanschlag auf eine Gruppe Sprachschüler in Düsseldorf Beschuldigte wurde rechtskräftig freigesprochen. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe bestätigte das Urteil des Düsseldorfer Landgerichts von 2018. Es weise keine Rechtsfehler auf. Die Richter hatten in dem späten Prozess auf Freispruch entschieden, weil gegen den heute 54 Jahre alten Angeklagten aus der rechten Szene eindeutige Beweise fehlten.

Bei dem Anschlag am 27. Juli 2000 am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn waren zehn der Sprachschüler aus Russland, der Ukraine und Aserbaidschan teils lebensgefährlich verletzt worden. Eine schwangere Frau verlor ihr Kind. Einige der Betroffenen sind jüdischer Abstammung. Die Ermittler vermuteten einen rechtsradikalen Hintergrund der Tat. Der Angeklagte geriet schon im Jahr 2000 ins Blickfeld, der Verdacht bestätigte sich aber nicht.

Nachdem die Ermittlungen lange Zeit ergebnislos geblieben waren, wurde schließlich am 31. Januar 2017 der nun Angeklagte Ralf S. festgenommen. Ein Mithäftling beschuldigte ihn, mit der Tat geprahlt zu haben. Beide saßen wegen einer anderen Sache im Gefängnis. Beim folgenden Prozess vor dem Landgericht reichten die Indizienbeweise aber nicht aus, um den Mann wegen des Anschlags zu verurteilen. Er wurde freigesprochen.

Tat bleibt unaufgeklärt

Die Staatsanwaltschaft legte Revision beim BGH ein. Die Bundesanwaltschaft, die vor dem BGH anstelle der Staatsanwaltschaft auftritt, schloss sich diesem Antrag bei der Verhandlung im November allerdings nicht an. Der BGH wies die Revision nun zurück.

Der Bombenanschlag bleibt damit unaufgeklärt. Er löste im Jahr 2000 bundesweit Entsetzen und Debatten über rechtsextreme Gewalt aus. Auch dadurch motiviert, reichten Bundesregierung, Bundesrat und Bundestag ein halbes Jahr später beim Bundesverfassungsgericht den Antrag ein, die Partei NPD verbieten zu lassen.

Bildunterschrift: Ein Tunnel am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn.

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Spiegel Online, 14.01.2021:

Bombenanschlag an Düsseldorfer S-Bahnhof / BGH bestätigt Freispruch in Wehrhahn-Prozess

14.01.2021 - 12.31 Uhr

Der Bombenanschlag am S-Bahnhof Wehrhahn in Düsseldorf bleibt unaufgeklärt: Zwei Jahrzehnte nach dem Attentat auf eine Gruppe osteuropäischer Sprachschüler ist Ralf S. rechtskräftig freigesprochen worden.

Es ist 15.04 Uhr am 27. Juli 2000, als eine mit TNT gefüllte Rohrbombe am S-Bahnhof Wehrhahn im Osten von Düsseldorf explodiert - neben einer Gruppe osteuropäischer Sprachschüler. Gut zwei Jahrzehnte später warten die überwiegend jüdischen Opfer immer noch auf Gerechtigkeit. Ralf S., als Attentäter verdächtigt, wurde im Juli 2018 vom Düsseldorfer Landgericht freigesprochen. Die Begründung: Es mangele an eindeutigen Beweisen.

Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) das Urteil bestätigt. S. ist damit rechtskräftig freigesprochen. Das Urteil weise keine Rechtsfehler auf, erklärte der BGH in seiner Entscheidung (Az. 3 StR 124/20).

Der Splitterhagel der Explosion hatte etwa hundert Meter weit gereicht, herbeigeeilte Rettungskräfte berichteten von "vielen Bewusstlosen mit großen blutenden Wunden". Sieben Frauen und drei Männer - so genannte Kontingentflüchtlinge aus Russland, der Ukraine und Aserbaidschan - erlitten teilweise lebensgefährliche Verletzungen. Ein Bombensplitter tötete das ungeborene Kind im Bauch einer Schwangeren.

Der Anschlag löste bundesweit Entsetzen aus und fachte die Debatte über rechtsextreme Gewalt an. Doch trotz gewaltigen Aufwands der Ermittler blieb der Fall jahrelang offen. Etwa 1.500 Menschen wurden befragt, mehr als 300 Spuren verfolgt, gut 450 Beweisstücke gesammelt.

Ralf S., heute 54 Jahre alt, geriet zwar schnell in Verdacht, die Bombe per Fernsteuerung gezündet zu haben - auch weil er direkt gegenüber der Sprachschule einen Militaria-Laden hatte und über Kontakte in die rechtsextreme Szene verfügte. Aber 2002 musste die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen. Erst Jahre später, als ein früherer Mithäftling behauptete, S. habe ihm die Tat gestanden, nahmen die Ermittlungen wieder Fahrt auf. Es kam schließlich zur Anklage.

"Wir haben es uns nicht leicht gemacht mit dem Urteil"
Düsseldorfer Richter Rainer Drees

Doch der Prozess am Landgericht Düsseldorf bot mehrere überraschende Wendungen, es gab fragwürdige Zeugenaussagen und denkwürdige Auftritte (lesen Sie hier eine Chronik der Ereignisse: www.spiegel.de/panorama/justiz/duesseldorf-wehrhahn-freispruch-fuer-ralf-s-chronik-des-falls-a-1220943.html). Das Verfahren endete mit einem Freispruch.

Grundsätzlich, räumte der Vorsitzende Richter Rainer Drees damals ein, komme S. durchaus als Täter in Betracht. Aber die Beweislage sei zu dürftig gewesen. Zudem habe es in den Zeugenaussagen Ungereimtheiten gegeben. Die Angaben der beiden Mithäftlinge, denen S. die Tat gestanden haben soll, seien nicht tragfähig oder glaubhaft gewesen. Drees sagte aber auch: "Wir haben es uns nicht leicht gemacht mit dem Urteil."

Bildunterschrift: S-Bahnhof Wehrhahn in Düsseldorf (Archivbild).

Bildunterschrift: Einsatzkräfte am 27. Juli 2000 in Düsseldorf-Wehrhahn.

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Westdeutscher Rundfunk Köln, 14.01.2021:

Bundesgerichtshof bestätigt Freispruch im Wehrhahn-Prozess

14.01.2021 - 12.13 Uhr

Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass der Freispruch im Prozess um den Wehrhahn-Anschlag Bestand hat. Vor fast 20 Jahren war an dem Düsseldorfer S-Bahnhof eine Rohrbombe explodiert.

Damit bestätigten die Richter am Donnerstag das Urteil des Düsseldorfer Landgerichts von 2018. Der Prozess weise keine Rechtsfehler auf.

Die Richter des Landgerichts hatten in dem Prozess auf Freispruch entschieden, weil gegen den heute 54-jährigen Angeklagten aus der rechten Szene eindeutige Beweise fehlten.

Staatsanwälte gingen in Revision

Die Düsseldorfer Staatsanwälte waren gegen den Freispruch durch das Landgericht in der Landeshauptstadt vorgegangen. Sie halten das Urteil aus dem Jahr 2018 für falsch und waren deswegen in Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe gegangen.

Zehn Verletzte, ein ungeborenes Baby starb

Am 27. Juli 2000 war an einer Fußgängerbrücke am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn eine Rohrbombe explodiert, als sich dort eine Gruppe teils jüdischer Sprachschüler aus Russland, der Ukraine und Aserbaidschan aufhielt. Zehn von ihnen wurden teils lebensgefährlich verletzt, eine schwangere Frau verlor ihr Kind.

Rechtsextremist unter Verdacht

Ein 54-jähriger Rechtsextremist geriet damals schnell in Verdacht - auch weil er direkt gegenüber der Sprachschule einen Militaria-Laden hatte. Aber 2002 musste die Staatsanwaltschaft das Verfahren einstellen. Erst Jahre später, als ein früherer Mithäftling behauptete, der Mann habe ihm die Tat gestanden, nahmen die Ermittlungen wieder Fahrt auf.

Es gab allerdings keine eindeutigen Spuren oder Beweise. Zeugen konnten sich nach der langen Zeit außerdem kaum erinnern oder verwickelten sich in Widersprüche. Das war den Richtern am Düsseldorfer Landgericht zu wenig, sie entschieden auf Freispruch.

Opfer-Anwälte fordern weiter nach Täter zu suchen

Am BGH in Karlsruhe hatte bereits bei einer Verhandlung im November keine Seite dafür plädiert, das Urteil des Landgerichts Düsseldorf aufzuheben.

Einer der Opfer-Anwälte, Juri Rogner, hatte am Rande der Verhandlung gefordert, weiter nach dem Täter zu suchen. Die Nebenkläger seien aber überzeugt davon gewesen, dass der Richtige auf der Anklagebank gesessen habe.

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Rheinische Post Online, 14.01.2021:

BGH zu Anschlag in Düsseldorf / Wehrhahn-Freispruch bleibt bestehen

14.01.2021 - 12.06 Uhr

Düsseldorf. Der Sprengstoffanschlag am Düsseldorfer S-Bahnhof Wehrhahn, bei dem ein ungeborenes Kind getötet und zehn Menschen teils schwer verletzt wurden, bleibt ungesühnt. Der Bundesgerichtshof fand im Freispruch für den einzigen Tatverdächtigen keine Fehler.

Von Stefani Geilhausen

Der 54-jährige Ex-Soldat und selbsternannte Sicherheitsberater, den die Staatsanwaltschaft Düsseldorf 17 Jahre nach der Tat als den Sprengstoffattentäter vom Wehrhahn verhaftet hat, ist frei. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe hat am Donnerstagvormittag die Revision der Staatsanwaltschaft verworfen und den Freispruch des Düsseldorfer Landgerichts bestätigt.

Im Sommer 2000 war der Mann. der in unmittelbar Nähe des S-Bahnhofs wohnte und dort auch einen Militaria-Laden betrieb, wegen seiner ausländerfeindlichen Gesinnung und seiner Nähe zur damaligen Neonazi-Szene in der Landeshauptstadt bekannt. Er gerierte sich gern als "Sheriff von Flingern", hatte seinen Hund auf das Kommando "Asylant" abgerichtet, und die Sprachschule gegenüber von seinem Laden, in der Zuwanderer Deutsch lernten, war ihm ein Dorn im Auge.

Das Düsseldorfer Landgericht hatte daran auch keinen Zweifel, konstatierte in der Begründung seines Freispruchs sogar, dass der Angeklagte "unentwegt gelogen" habe. Aber das Schwurgericht hatte letztlich zu viele Zweifel an der Indizienkette, die Kripo und Staatsanwaltschaft zusammengetragen hatten.

14 Jahre nach der Tat hatte der nun rechtskräftig Freigesprochene eine Haftstrafe verbüßt, soll sich in der JVA gegenüber einem Mitgefangenen mit dem Sprengstoffanschlag in Düsseldorf gebrüstet haben. Der hatte sich bei der Polizei gemeldet und so die Ermittlungen neu in Gang gebracht. Diesem Zeugen aber glaubte das Gericht nicht, auch nicht, als er auf die Belohnung, die für die Klärung des Verbrechens ausgelobt ist, ausdrücklich verzichtete.

Einer der Nebenklage-Vertreter hatte den Freispruch als schwersten Fehler der Düsseldorfer Justiz in der Nachkriegsgeschichte bezeichnet. Die Karlsruher Entscheidung ist für die Opfer, die bis heute unter den Folgen des Verbrechens leiden, schwer zu ertragen. Sie waren, wie die Staatsanwaltschaft auch, davon überzeugt, dass der richtige Mann auf der Anklagebank gesessen hatte und fordern nun die Behörden auf, die Ermittlungen nicht ruhen zu lassen und weiter nach dem Verantwortlichen für den Anschlag vom 27. Juli 2000 zu suchen.

Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, die den Prozess in Düsseldorf begleitet hatte, fordert einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Wehrhahn-Fall. Ihr Sprecher Dominik Schumacher hat für den Freispruch kein Verständnis: "Fernab einer juristischen Kommentierung, sprechen die in den drei Dutzend Verhandlungstagen massenhaft präsentierten Indizien, Zeuginnenaussagen, Zeugenaussagen und Beweisen für uns eine andere Sprache", erklärte er am Donnerstag. Weil nach dem Urteil, den vorangegangenen "teils groben Ermittlungspannen, die polizeiliche und politische Bagatellisierung der Neonazi-Szene in den Jahren rund um den Anschlag sowie eine fragwürdige Rolle des Verfassungsschutzes" viele Fragen offen ließen, könne Klärung nur ein Parlamentarischer Untersuchungsausschuss herbeiführen.

Bildunterschrift: Bei dem Anschlag am Nachmittag des 27. Juli 2000 wurden zehn überwiegend jüdische Sprachschüler aus den ehemaligen GUS-Staaten teils lebensgefährlich verletzt.

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Süddeutsche Zeitung Online, 14.01.2021:

BGH verkündet Urteil zu Düsseldorfer Wehrhahn-Anschlag

14.01.2021 - 07.44 Uhr

Freispruch für den Angeklagten Bestand? Bei der Explosion einer Rohrbombe am 27. Juli 2000 am S-Bahnhof Wehrhahn wurden zehn osteuropäische Sprachschüler teils lebensgefährlich verletzt, eine Schwangere verlor ihr Kind. Ein Tatverdächtiger war 2018 in einem späten Prozess mangels Beweisen freigesprochen worden.

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Westdeutsche Zeitung Online, 14.01.2021:

Gedenken in Düsseldorf / Gedenktafel am Wehrhahn beschmiert

14.01.2021 - 06.00 Uhr

Stadtmitte. SPD-Ratsfrau Marina Spillner fordert, dass die Tafel mit dem Motiv einer stilisierten Explosion am S-Bahn-Durchgang versetzt oder höher gehängt wird.

Von Marc Ingel

Die Gedenktafel, die an den Sprengstoffanschlag im Sommer 2000 auf eine Gruppe überwiegend jüdischer Sprachschüler am S-Bahnhof Wehrhahn hinweisen soll, wurde beschmiert - mehrfach. Das ist ärgerlich und verabscheuungswürdig, aber auch ganz schön kompliziert. Denn es handelt sich genau genommen um ein zweigeteiltes Werk: Eine Tafel an der Brücke am Vinzenplatz liefert einen erklärenden Text (sie hat nur ein kleines Graffiti abbekommen), eine weitere Tafel am eigentlichen Ort des Geschehens würde normalerweise eine stilisierte Explosion auf schwarzem Hintergrund zeigen. Dass diese nun türkis bemalt und mit mehreren Graffiti versehen ist, hat eine Vorgeschichte.

Marina Spillner, SPD-Ratsfrau und als frühere Bezirksbürgermeisterin treibende Kraft des Gedenkortes, weiß, dass, als das Geländer gestrichen wurde, die Arbeiter offenbar die Tafel ebenfalls weiß übermalt hätten - weil sie die Abbildung offenbar nicht als ein Zeichen des Gedenkens erkannt haben. Ein Zusatzschild, das erklärt, was dort zu sehen ist, fehlt bis heute. Dann sei jemand anderes gekommen und habe alles in Türkis gestrichen, ehe weitere Schmierfinken ihre Schriftzüge hinzugefügt hätten. "Hier muss auf jeden Fall bald etwas passieren. Es macht keinen Sinn, alle paar Wochen die Farbschmierereien zu entfernen", sagt Spillner. Entweder die Tafel müsse höher gehängt oder versetzt werden - dorthin, wo sich auch die Texttafel befindet. Das wäre dann zwar nicht mehr am eigentlichen Ort des Anschlags, dafür an einer etwas belebteren Stelle, "denn an dem Durchgang sind die mutmaßlichen Sprayer doch sehr unbeobachtet".

Am heutigen Donnerstag ist der Wehrhahn-Anschlag am Bundesgerichtshof in Karlsruhe noch einmal Thema. Es wird jedoch nicht davon ausgegangen, dass die Bundesrichter das Urteil des Düsseldorfer Landgerichts – ein 54-Jähriger wurde 17 Jahre nach dem Anschlag freigesprochen - kassieren und den Prozess wegen zwölffachen Mordversuchs und Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion neu aufrollen.

Bildunterschrift: Die Gedenktafel zwischen Ackerstraße und den Bahnsteigen.

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Spiegel Online, 14.01.2021:

Chemnitz / Angriff auf Wirt von jüdischem Restaurant - Anklage gegen 29-Jährigen erhoben

14.01.2021 - 18.39 Uhr

Ein mutmaßlicher Rechtsextremist soll an der Attacke auf das Chemnitzer Restaurant "Schalom" beteiligt gewesen sein. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden hat Anklage erhoben - dem Mann drohen mehrere Jahre Haft.

Rund zweieinhalb Jahre nach dem Angriff auf den Wirt des jüdischen Restaurants "Schalom" in Chemnitz hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden Anklage gegen einen 29 Jahre alten Mann erhoben. Die Behörde geht von einem rechtsextremen Hintergrund der Tat aus.

Der Verdächtige stammt demnach aus Stade in Niedersachsen. Der Mann soll am späten Abend des 27. August 2018 gemeinsam mit mindestens neun weiteren Personen Schottersteine und eine Bierflasche in Richtung des Wirtes geworfen haben, der vor seinem Restaurant stand.

Aus der Gruppe der Angreifer heraus soll der Restaurantbesitzer zudem antisemitisch beschimpft worden sein. "Einer der Schottersteine traf den Wirt an der Schulter, wodurch er mehrere Tage Schmerzen erlitt. Weitere Steinwürfe führten zu Sachbeschädigungen an dem Restaurant", hieß es von der Generalstaatsanwaltschaft.

Gewaltexzesse erregten international Aufsehen

Dem 29-Jährigen werden gefährliche Körperverletzung, schwerer Landfriedensbruch und Sachbeschädigung vorgeworfen. Dass der Mann auch für die antisemitischen Beschimpfungen verantwortlich war, habe sich nicht beweisen lassen. Daher entging er in diesem Punkt einer Anklage. Im Falle einer Verurteilung droht dem Mann eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Der Verdächtige sei - zum Teil einschlägig - vorbestraft.

Der Angriff in Chemnitz ereignete sich am 27. August 2018, einen Tag nach dem gewaltsamen Tod des 35-jährigen Daniel Hillig. Dieser löste Demonstrationen und Ausschreitungen von zum Teil rechtsextremen Gruppen in Chemnitz aus, weil es sich bei den Tatverdächtigen um Asylsuchende handelte. Ein Syrer wurde im August 2019 wegen Totschlags und schwerer Körperverletzung zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt.

Wegen der Gewaltexzesse, an denen Rechtsextreme aus ganz Deutschland teilnahmen, war Chemnitz international in die Schlagzeilen geraten.

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Jüdische Allgemeine Online, 14.01.2021:

Zweieinhalb Jahre später: Anklage nach Angriff auf jüdischen Wirt in Chemnitz

14.01.2021 - 18.11 Uhr

Dem Rechtsextremisten werden gefährliche Körperverletzung und schwerer Landfriedensbruch vorgeworfen

Rund zweieinhalb Jahre nach dem Angriff auf den Wirt eines jüdischen Restaurants in Chemnitz (Sachsen) hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden Anklage gegen einen 29 Jahre alten mutmaßlichen Rechtsextremisten erhoben.

Wie die Behörde am Donnerstag mitteilte, stammt er aus Stade in Niedersachsen. Der Mann soll am späten Abend des 27. August 2018 gemeinsam mit mindestens neun weiteren Personen Schottersteine und eine Bierflasche in Richtung des Wirtes geworfen haben, der vor seinem Restaurant stand.

Der Restaurantbesitzer soll aus der Gruppe der Angreifer heraus zudem antisemitisch beschimpft worden sein. "Einer der Schottersteine traf den Wirt an der Schulter, wodurch er mehrere Tage Schmerzen erlitt. Weitere Steinwürfe führten zu Sachbeschädigungen an dem Restaurant", hieß es.

Dem 29-Jährigen werden gefährliche Körperverletzung, schwerer Landfriedensbruch und Sachbeschädigung vorgeworfen. Das Gesetz sieht im Falle einer Verurteilung dafür eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren vor. Der Mann sei - zum Teil einschlägig – vorbestraft, hieß es.

Wegen der Gewaltexzesse in Chemnitz Ende August und im September 2018, an denen Rechtsextreme aus ganz Deutschland teilnahmen, war Chemnitz international in die Schlagzeilen geraten. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft wurden in diesem Zusammenhang bisher 18 Straftäter unter anderem wegen Landfriedensbruchs, Bedrohung und Körperverletzung verurteilt. (dpa)

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Neues Deutschland Online, 14.01.2021:

Chemnitz / Anklage wegen Angriff auf Wirt von jüdischem Restaurant

14.01.2021 - 16.18 Uhr

Zweieinhalb Jahre ist die Anfeindung her - nun hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden Anklage gegen einen mutmaßlichen Rechtsextremisten erhoben.

Chemnitz. Rund zweieinhalb Jahre nach dem Angriff auf den Wirt eines jüdischen Restaurants in Chemnitz (Sachsen) hat die Generalstaatsanwaltschaft Dresden Anklage gegen einen 29 Jahre alten mutmaßlichen Rechtsextremisten erhoben. Wie die Behörde am Donnerstag mitteilte, stammt er aus Stade in Niedersachsen. Der Mann soll am späten Abend des 27. August 2018 gemeinsam mit mindestens neun weiteren Personen Schottersteine und eine Bierflasche in Richtung des Wirtes geworfen haben, der vor seinem Restaurant stand.

Der Restaurantbesitzer soll aus der Gruppe der Angreifer heraus zudem antisemitisch beschimpft worden sein. "Einer der Schottersteine traf den Wirt an der Schulter, wodurch er mehrere Tage Schmerzen erlitt. Weitere Steinwürfe führten zu Sachbeschädigungen an dem Restaurant", hieß es. Dem 29-Jährigen werden gefährliche Körperverletzung, schwerer Landfriedensbruch und Sachbeschädigung vorgeworfen. Das Gesetz sieht im Falle einer Verurteilung dafür eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren vor. Der Mann sei - zum Teil einschlägig - vorbestraft, hieß es.

Ende August und im September 2018 war es in Chemnitz zu schweren Ausschreitungen gekommen. Hintergrund war der gewaltsame Tod eines 35 Jahre alten Deutschen am Rande des Stadtfestes. Für die Tat wurden Asylbewerber verantwortlich gemacht. Ein Syrer wurde im August 2019 wegen Totschlags und schweren Körperverletzung zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt.

Wegen der Gewaltexzesse, an denen Rechtsextreme aus ganz Deutschland teilnahmen, war Chemnitz international in die Schlagzeilen geraten. Nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft wurden in diesem Zusammenhang bisher 18 Straftäter unter anderem wegen Landfriedensbruchs, Bedrohung und Körperverletzung verurteilt. (dpa/nd)

Bildunterschrift: Demonstranten der rechten Szene schwenken Deutschlandfahnen 2018 in Chemnitz.

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MDR Sachsen, 14.01.2021:

Chemnitz / Anklage nach Angriff auf Wirt von jüdischem Restaurant erhoben

14.01.2021 - 15.49 Uhr

Im Nachgang der rechten Ausschreitungen in Chemnitz im August 2018 ist Anklage gegen einen 29-Jährigen aus Niedersachsen erhoben worden. Wie die Generalstaatsanwaltschaft Dresden mitteilte, werden ihm gefährliche Körperverletzung, schwerer Landfriedensbruch und Sachbeschädigung vorgeworfen.

Bei der Anklage geht es um einen Angriff auf den Besitzer des jüdischen Restaurants Schalom. Er war vor dem Lokal von mehreren Personen beleidigt und mit Schottersteinen und einer Bierflasche beworfen worden. Dabei wurde der Wirt an der Schulter verletzt.

Staatsanwaltschaft: Rechtsextremes Tatmotiv

Als mutmaßlicher Täter wurde der 29 Jahre alte Deutsche aus Niedersachsen ermittelt. Die Generalstaatsanwaltschaft Dresden geht von einer rechtsextremen Tatmotivation aus. Dem vorbestraften Mann droht laut Gesetz eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Er habe sich bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Ende August und im September 2018 war es in Chemnitz zu Ausschreitungen gekommen. Hintergrund war der gewaltsame Tod eines 35 Jahre alten Deutschen am Rande des Stadtfestes. Für die Tat wurden Asylbewerber verantwortlich gemacht. Ein Syrer wurde im August 2019 wegen Totschlags und schweren Körperverletzung zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt.

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Jüdische Allgemeine Online, 14.01.2021:

Einspruch / Rechtsfrieden braucht Klartext

14.01.2021 - 09.25 Uhr

Philipp Stricharz findet es befremdlich, dass die Staatsanwaltschaft Hamburg antisemitische Motive verschweigt

Von Philipp Stricharz

Am 4. Oktober 2020, während des Laubhüttenfestes Sukkot, setzte sich in Hamburg ein Angreifer ins Taxi und ließ sich zur einzigen Hamburger Synagoge fahren. Dort erkundigte er sich, ob das Gebäude vor ihm auch wirklich die Synagoge sei. Anschließend schlug er mit einem Spaten auf den Kopf des ersten Juden ein, den er an Hand der Kippa als solchen erkennen konnte.

Die Staatsanwaltschaft Hamburg hat nun offenbar die Ermittlungen abgeschlossen. Sie bewertet den Angriff als versuchten Mord, da die Tat heimtückisch sei. Befremdlich ist die Äußerung, es gebe keine Hinweise auf ein politisches oder antisemitisches Motiv und auch keine niederen Beweggründe.

Arglosigkeit

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Täter durchaus vor, ganz bewusst die Arglosigkeit des Angegriffenen ausgenutzt zu haben. Denn so ist Heimtücke definiert. Wenn die geistigen Fähigkeiten des Täters für diese bewusste Entscheidung ausreichten, wie kann es dann außerhalb seiner Kontrolle gewesen sein, dass er gezielt Juden angriff?

Strafprozesse haben die Aufgabe, den Rechtsfrieden zu fördern. Zu verschweigen, dass ein Mordversuch an dem ersten identifizierbaren Juden nach dem gezielten Aufsuchen einer Synagoge ein judenfeindlicher Angriff ist, fördert den Rechtsfrieden nicht. Im Gegenteil.

Vertrauen

Wir Juden sind es, die sich wegen solcher Taten hinter massiven Sicherheitsmaßnahmen und Zäunen verschanzen müssen. Die sich gut überlegen müssen, ob ihre Kinder auf der Straße als Juden erkennbar sein sollen. Wir sind es, die selbst inmitten bewaffneter Polizisten solchen Angriffen ausgesetzt sind - und trotzdem weitermachen, unsere Gemeinden aufbauen, auf unsere Stadt, unser Land und auch unsere Justiz vertrauen.

Dieses Vertrauen ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Es wird durch jeden Angriff beschädigt und muss mühsam wiederaufgebaut werden. Angriffe auf Juden nicht klar beim Namen zu nennen, ist nicht hilfreich und trägt auch nichts zur Diskussion darüber bei, wie solche Angriffe künftig verhindert werden können.

Der Autor ist 1. Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde Hamburg.

Bildunterschrift: Philipp Stricharz.

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MiGAZIN, 14.01.2021:

HRW-Jahresbericht / Rassismus, Antisemitismus und Islamfeindlichkeit in Deutschland weiterhin besorgniserregend

14.01.2021 - 05.25 Uhr

Inmitten politischer Unterdrückung und der anhaltenden Corona-Pandemie hat sich laut Human Rights Watch vielerorts die Situation der Menschenrechte verschlechtert - auch Deutschland stellt die internationale Organisation ein schlechtes Zeugnis aus. Doch sie sieht auch positive Trends.

Die weltweite Lage der Menschenrechte hat sich laut Human Rights Watch (HRW) inmitten bewaffneter Konflikte, politischer Unterdrückung sowie zunehmender rassistischer Hetze teils drastisch verschlechtert. Davon nimmt die Organisation mit Sitz in New York auch die USA nicht aus: "Donald Trump war ein Desaster für die Menschenrechte", kritisierte HRW-Chef Kenneth Roth bei der Vorstellung des Jahresberichts am Mittwoch. Aber auch Deutschland stellt HRW ein schlechtes Zeugnis aus.

In dem Bericht werden unter anderem der rassistische Angriff in Hanau aufgeführt, bei der neun Menschen ermordet wurden. Auch etwaige rechtsextreme Strukturen innerhalb der Polizei nehmen in dem Bericht großen Platz ein. "Rassismus, Antisemitismus und Islam-Feindlichkeit, einschließlich gewalttätiger Hass-Verbrechen, waren weiterhin besorgniserregend", heißt es darin. Auch neonazistische und antisemitische Ansichten bei Corona-Protesten seien besorgniserregend.

NSU 2.0

Thema im Bericht sind auch mit "NSU 2.0" unterzeichnete Drohbriefe an Anwälte, Aktivisten und Politiker, darunter auch Seda-Başay Yıldız, die NSU-Opfer im Prozess vertreten hat. Die Untersuchungen zu den Drohbriefen ergaben, dass personenbezogene Daten der Bedrohten von Polizei-Computern abgerufen wurden, was die öffentliche Debatte über Rechtsextremismus innerhalb der Polizeikräfte intensivierte und Forderungen nach einer unabhängigen Polizei-Untersuchung nach sich zog. Eine entsprechende Studie scheiterte an der Blockade von Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).

Positiv hervorgehoben wird in dem Bericht das Berliner Antidiskriminierungsgesetz, das Opfer berechtigt, eine Entschädigung für Diskriminierung durch Behörden, einschließlich der Polizei, zu verlangen. Lobend betont wird auch eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, wonach einer Muslimin Schadensersatz zugesprochen wurde, weil sie bei einem Einstellungsverfahren auf Grund ihres Kopftuches diskriminiert wurde.

Vier Jahre Trump

Auf internationaler Bühne seien die vergangenen vier Jahre aber geprägt gewesen von Trumps Gleichgültigkeit und oft Feindseligkeit gegenüber Menschenrechten, erklärte Roth. Innenpolitisch habe er Kinder von Migranten ihren Eltern entrissen, Hass gegen Minderheiten geschürt und seine Augen vor systematischem Rassismus verschlossen.

Auch im Ausland habe Trumps Politik die Glaubwürdigkeit der USA ausgehöhlt: Äußerungen, die Länder wie Venezuela, Kuba oder Iran verdammten, klängen hohl, wenn zugleich Russland, Ägypten, Saudi-Arabien oder Israel gelobt würden, sagte Roth. Die Amtszeit des neu gewählten Präsidenten Joe Biden biete Gelegenheit für einen grundlegenden Wechsel. Biden müsse das Leitprinzip der Menschenrechte auch dann anwenden, wenn es politisch schwierig sei, forderte Roth.

China im Fokus

Im aktuellen Bericht zur globalen Lage der Menschenrechte listet Human Rights Watch auf 761 Seiten Gewalt gegen Zivilisten insbesondere auch infolge von Bürgerkrieg oder anderen gewaltsamen Konflikten in Ländern wie Syrien, Libyen, Mali oder Myanmar auf. Zudem würden vielerorts die Rechte von ethnischen und sexuellen Minderheiten mit Füßen getreten und die politische Opposition werde brutal unterdrückt, heißt es.

Als eines der repressivsten Regime benennt die Organisation China. Dabei beleuchtet sie vor allem das drakonische Vorgehen gegen die pro-demokratische Bewegung in Hongkong unter dem aktuellen "Sicherheitsgesetz", die Verfolgung und Internierung der muslimischen Uiguren sowie repressive Maßnahmen gegen Kritiker während der Covid-19-Pandemie. Auch in etlichen anderen Staaten wie auf den Philippinen, in der Türkei oder Ungarn diene der Kampf gegen das Corona-Virus dazu, Bürgerrechte und Pressefreiheit weiter auszuhöhlen, kritisieren die Menschenrechtler.

Positive Trends

Als positiven Trend wertet Human Rights Watch, dass es Kooperationen von Staaten gebe, die sich für juristische Aufarbeitung starkmachten. Dazu zähle die "Lima-Gruppe" in Lateinamerika, die sich vor dem Weltstrafgericht in Den Haag um ein Verfahren gegen Venezuelas Präsidenten Nicólas Maduro wegen mutmaßlicher Verbrechen gegen die Menschlichkeit bemühe.

Weiteres Beispiel sei die "Organisation für Islamische Zusammenarbeit" (OIC): Auf Initiative des OIC-Mitglieds Gambia hatte der ebenfalls in Den Haag ansässige Internationale Gerichtshof Anfang 2020 verfügt, dass Myanmar die muslimische Rohingya-Minderheit vor Völkermord schützen müsse. Zudem gingen viele Menschen gegen ihre gewalttätigen und korrupten Regierungen auf die Straßen, darunter in Belarus, Polen, Russland und Thailand, betonte Human Rights Watch. (epd/mig)

Bildunterschrift: Black Lives Matter-Demonstration in Frankfurt im Juni 2020 (Archiv).

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Jüdische Allgemeine Online, 14.01.2021:

"Feinde der Demokratie sollten nicht aus Steuermitteln finanziert werden"

14.01.2021 - 20.43 Uhr

Bildungsstätte Anne Frank hält AfD-nahe Stiftung für gefährlich

Die Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt am Main kritisiert die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung. "Die Erasmus-Stiftung verschafft menschenfeindlichen Positionen einen intellektuellen Anstrich - das macht sie besonders gefährlich", erklärte Saba-Nur Cheema, Pädagogische Leiterin des Bildungszentrums, am Donnerstag.

In Vorstand und Kuratorium der Stiftung gebe es "Rassentheoretiker und Verschwörungsideologen, völkische Pseudowissenschaftler und knallharte Rechtsextreme aus dem Umfeld der Identitären Bewegung". Die Stiftung vertrete geschichtsrevisionistische Positionen.

Die Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) mit Sitz in Berlin wurde 2017 gegründet und 2018 von der AfD als parteinahe Stiftung anerkannt. Vorsitzende ist seit März 2018 die ehemalige CDU-Politikerin Erika Steinbach.

Benannt ist die Stiftung nach dem Renaissance-Theologen und Humanisten Desiderius Erasmus von Rotterdam (1466 - 1536). Die Stiftung selbst erklärt auf ihrer Website, sie stehe "ideell der AfD nahe". Sie setze sich für die "Förderung des demokratischen Staatswesens" und die Vermittlung staatsbürgerlicher Bildung ein.

In einem Video der Anne-Frank-Bildungsstätte äußern sich Persönlichkeiten aus Politik, Zivilgesellschaft und Kultur kritisch zu der Stiftung. Der ehemalige CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz betonte: "Die Erasmus-Stiftung versucht planmäßig, die Grenzen zwischen Rechtsextremismus und Konservativismus zu verwischen. Dem sollten wir einen klaren Riegel vorschieben."

Die evangelische Theologin Margot Käßmann sagte, als Christin sei ihr der Dialog zwischen Juden, Christen und Muslimen sehr wichtig. "Die Erasmus-Stiftung der AfD hetzt gegen den Islam und stachelt das Land gegen Muslime auf", so Käßmann.

Die Bildungsstätte Anne Frank erklärte weiter, die Stiftung werde Millionen Euro aus Steuermitteln erhalten, sollte die AfD im Herbst zum zweiten Mal in den Bundestag einziehen. "Eine Demokratie sollte die Feinde der Demokratie nicht aus Steuermitteln finanzieren", forderte Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte. Bundestag und Gerichte müssten die Gefahr, die von der Stiftung ausgehe, "genauer in den Blick nehmen" und "bannen". (kna)

Bildunterschrift: Erika Steinbach, Vorsitzende der Desiderius-Erasmus-Stiftung.

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Neues Deutschland Online, 14.01.2021:

Störaktion im Parlament / Hausverbot im Bundestag: Gäste der AfD-Fraktion hatten Politiker bedrängt

14.01.2021 - 16.38 Uhr

Weil sie eine Plenarsitzung im Bundestag störten, haben zwei Menschen nun Hausverbot im Bundestag erhalten

Berlin. Nach der Störaktion im Bundestag von Gästen der AfD-Fraktion während einer Plenarsitzung Mitte November haben zwei Teilnehmer Hausverbot für das Parlament erhalten. "Gegen mehrere Personen sind außerdem Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz eingeleitet worden, die Bußgelder zur Folge haben", erklärte ein Sprecher des Bundestags am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP. Zuvor hatten die Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) darüber berichtet.

Am 18. November waren während der Debatte und Abstimmung über das geänderte Infektionsschutzgesetz mehrere Abgeordnete auf den Gängen des Bundestags von Gegnern der Corona-Maßnahmen bedrängt und gefilmt worden. Es handelte sich um Besucher, die als Gäste von AfD-Abgeordneten Zugang zum Reichstagsgebäude erhalten hatten. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) kündigte damals an, "alle rechtlichen Möglichkeiten" gegen die Störer und ihre Einlader zu prüfen.

Laut dem RND-Bericht hatte sich an den Störaktionen auch die ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete Angelika Barbe beteiligt. Frühere Bundestagsmitglieder können einen Hausausweis für das Parlament bekommen.

"Auch gegen ehemalige Abgeordnete des Deutschen Bundestages können Verstöße gegen die Hausordnung des Bundestages als Ordnungswidrigkeit geahndet werden", erklärte der Bundestagssprecher allgemein. "Sie haben in Bezug auf ihr Verhalten in den Gebäuden des Bundestages im Rahmen von Besuchen keine besonderen Rechte. Diese Verfahren sind jedoch noch nicht abgeschlossen." (AFP/nd)

Bildunterschrift: Der Plenarsaal des Deutschen Bundestages ohne Störer.

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t-online.de, 14.01.2021:

Hannover / Ex-AfD-Landeschefin Dana Guth wechselt zu LKR

14.01.2021 - 13.41 Uhr

Die ehemalige niedersächsische AfD-Landes- und Fraktionschefin Dana Guth hat sich nach ihrem Parteiaustritt der Kleinpartei der Liberal-Konservativen Reformer (LKR) angeschlossen. Das teilte der LKR-Bundesvorsitzende Jürgen Joost am Donnerstag mit. Vor Guth hatte sich bereits der frühere niedersächsische AfD-Landtagsabgeordnete Jens Ahrends der LKR angeschlossen. Neben Guth wechselte auch der Landtagsabgeordnete Frank Brodehl aus Schleswig-Holstein zur LKR, die damit auch im dortigen Landtag vertreten ist.

"Wir kritisieren nicht das System, wir kritisieren Fehler im System", betonte Joost. Mit Blick auf die anstehende Entscheidung über den CDU-Vorsitz, um den sich unter anderem Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet bewirbt, sagte er: "Dabei dürfen Sie uns in der Mitte gerne rechts von Armin Laschet einordnen." Brodehl sagte, in der AfD gebe es einige Mitglieder, die kein Problem damit hätten, dass sich "Rechtsradikale dort tummeln".

Der LKR gehören auch zwei Bundestagsabgeordnete an, die einst in der AfD waren, Uwe Kamann und Mario Mieruch aus Nordrhein-Westfalen. Mieruch hat in der LKR den Posten des Generalsekretärs übernommen.

Die Gründung der LKR geht auf die Spaltung der AfD im Sommer 2015 zurück. Damals hatten AfD-Gründer Bernd Lucke und etliche Vertreter des wirtschaftsliberalen Flügels aus Protest gegen einen von ihnen konstatierten Rechtsruck der AfD eine eigene Partei gegründet. Diese eurokritische Partei hieß zuerst ALFA. Sie musste sich nach einem Namensstreit umbenennen. Zur Bundestagswahl 2021 will sie bundesweit antreten. Luck e ist heute LKR-Mitglied ohne Führungsposition.

Die als moderat geltende Guth war Anfang Dezember aus der AfD ausgetreten. Auslöser war ein im Spätsommer ausgebrochener Richtungsstreit, nachdem der AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Kestner Guth an der Landesparteispitze abgelöst hatte. Kestner wurde bisher dem nun offiziell aufgelösten, völkisch-nationalistischen "Flügel" zugerechnet. Als Guth auch als Fraktionsvorsitzende abgelöst werden sollte, trat sie mit den Abgeordneten Stefan Wirtz und Jens Ahrends aus der Fraktion aus. Damit hörte die Landtagsfraktion auf zu bestehen, weil sie nicht mehr die erforderliche Mindestzahl von Mitgliedern hat.

Bildunterschrift: Dana Guth spricht bei einem Parteitag.

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tagesschau.de, 14.01.2021:

AfD wie Trump / Die Mär von der gestohlenen Wahl

14.01.2021 - 06.00 Uhr

Die AfD wittert ein Komplott: Die etablierten Parteien planten angeblich einen groß angelegten Wahlbetrug. Ähnlich wie US-Präsident Trump versucht sie, das Vertrauen in demokratische Prozesse zu zerstören.

Von Markus Pohl und Chris Humbs, RBB

Wie Wahlen in einem Superwahljahr durchführen, wenn Menschenansammlungen wegen der Pandemie tunlichst vermieden werden sollen? Eine Möglichkeit ist, vermehrt auf Briefwahlen zu setzen. Der Landtag von Sachsen-Anhalt beschloss kürzlich, dass auch eine reine Briefwahl möglich ist, falls Urnengänge aus medizinischen Gründen untersagt werden müssen.

Der AfD-Abgeordnete Robert Farle wetterte daraufhin vom Rednerpult des Plenums: "Diese ganze Pandemie ist ein Schwindel." Die Neuregelungen zur Briefwahl gebe es nur, "um den größten Wahlbetrug dieses Landes im nächsten Jahr durchzuführen", Gegenüber dem ARD-Magazin Kontraste erklärt Farle: "An welchen Stellen dieser Betrug dann auftreten wird, werden wir am Wahltag ja dann erleben."

Zweifel an der Briefwahl

Das ist kein Einzelfall. Auch im Thüringischen Landtag sät die AfD Zweifel an der Briefwahl: "Die Präsidentschaftswahl in Amerika ist ein Nachweis dafür, wie problematisch eine Briefwahl sein kann. Immer wieder tauchen Unregelmäßigkeit auf", sagte der AfD-Abgeordnete Torgen Braga und kommt zum Schluss: "Das ist alles kein Zufall, dass genau jetzt eine Briefwahl eingeführt werden soll."

AfD-Landtagsfraktionen schalteten auf Facebook sogar Anzeigen, die die Briefwahl dämonisieren sollen, von "manipulationsanfällig" und "Wahlunregelmäßigkeiten" ist die Rede. Der AfD-Bundestagsabgeordnete und Ex-Vorsitzende des Rechtsausschusses, Stephan Brandner, legte nach: "Briefwahlen ermöglichen ein hohes Maß an Manipulation. Bereits bei vergangenen Wahlen wichen die Ergebnisse der Briefwahl signifikant von denen der Präsenz ab."

"AfD schwächelt in Städten"

Tatsächlich hat die AfD in den vergangenen Wahlen bei Briefwählern schlechter abgeschnitten als bei Urnenstimmen. Bei der Bundestagswahl lag die AfD bei den im Wahllokal abgegebenen Stimmen bei etwa 14 Prozent, bei den Briefwahlstimmen lediglich bei zehn Prozent. Eine Erklärung liefert Michael Kunert, Wahlforscher und Leiter des Umfrageinstituts Infratest dimap: "Generell ist es so, dass in Städten sehr viel mehr Briefwahl genutzt wird als auf dem flachen Land. Im Westen wird mehr Briefwahl gemacht als im Osten. In Städten ist die AfD schwächer. Im Westen ist die AfD schwächer."

Die Briefwahl gilt in Deutschland als sicher. Dennoch ist sie nur die zweite Wahl. Denn ein gewisses Restrisiko bleibt. So kommt es gelegentlich vor, dass beim Ausfüllen der Briefwahlunterlagen von Familienangehörigen oder Betreuern zu sehr geholfen wird. Das seien parteiübergreifende Einzelfälle, die keine Auswirkungen auf das Wahlergebnis hätten, sind sich Wahlforscher sicher.

Deshalb Ältere von der Wahl auszuschließen sei keine gute Idee. Wesentlich sei, dass systematischer Wahlbetrug ausgeschlossen werden kann, und hierbei ist sich Bundeswahlleiter Georg Thiel sicher: "Das System der Briefwahl gibt es in Deutschland, da gab es noch gar keine AfD. Dieses Argument, was immer gesagt wird, Briefwahlen sind unsicher, es kommt da zu Verletzungen, das können wir hier nicht bestätigen."

"Vertrauen soll unterlaufen werden"

Immer wieder wird das Briefwahlsystem optimiert. Unregelmäßigkeiten, wie 2014 bei einer Kommunalwahl in Stendal, bei der ein CDU-Lokalpolitiker über zum Teil gefälschte Vollmachten Briefwahlunterlagen abholen ließ und so etwa um 300 Stimmen betrog, wurden schnell aufgedeckt und korrigiert. Täter und Mittäter wurden verurteilt. Die Regeln für Vollmachten wurden danach bundesweit verschärft.

Trotz allem setzt die AfD weiter auf die Erzählung, dass die etablierten Parteien Böses im Schilde führen, wenn sie in den Parlamenten einer Ausweitung der Briefwahl zustimmen. Auffällig dabei sind die Ähnlichkeiten zu den USA, meint Michael Link, Bundestagsabgeordneter der FDP. Er war Chef der OSZE-Wahlbeobachterkommission, die die Präsidentschaftswahl in den USA unter die Lupe nahm und - wie die Gerichte - keinen Ansatz für Wahlbetrug entdecken konnte.

"Wir sehen bei der AfD, dass sie ganz gezielt versucht, das Vertrauen in den ordnungsgemäßen Wahlprozess zu unterlaufen und zu unterminieren", sagt Link. Er sieht darin eine Parallele zu US-Präsident Trump. Der FDP-Politiker glaubt, dass das Sägen an den demokratischen Säulen, wie das Vertrauen in die Korrektheit der Wahlen, ein Ziel verfolgt: "Die AfD ist sich einig darin, dass man dieses System, so wie es heute ist, verändern will. Sie will einen Staat, in dem möglichst stark autoritär regiert wird."

Führungsanspruch im Osten

Für Matthias Quent, Extremismus-Forscher und Direktor des Jenaer Instituts für Demokratie und Zivilgesellschaft, geht es der AfD aber nicht nur um das große Fernziel Systemwechsel. Die Legende vom Wahlbetrug helfe auch, Ungereimtheiten bei der Selbstdefinition zu überdecken. "Die Rechtspopulisten sind ja der Meinung, sie vertreten das Volk. Aber komischerweise werden sie nur von einem kleinen Teil der Bevölkerung tatsächlich gewählt." Die Partei setze Verschwörungsideologien ein, um diesen kognitiven Widerspruch zu kaschieren. "Man operiert mit Manipulationsvorwürfen."

Ob die Theorie vom systematischen Wahlbetrug auf fruchtbaren Boden fällt, bleibt ungewiss. Im Osten der Republik hat die AfD einen Führungsanspruch in den Landesparlamenten. In Sachsen-Anhalt ist sie beispielsweise in einer aktuellen Umfrage mit 23 Prozent zweitstärkste Partei hinter der CDU. Hier zählt jede Stimme und hier hat die Briefwahl bei weitem weniger Anhänger als im Westen.

Sebastian Striegel, der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen im Landtag von Sachsen-Anhalt, warnt deshalb: "Die AfD versucht eine Verschwörungserzählung bereits heute auf den Weg zu bringen, auf die sie am Wahltag dann zurückgreifen kann, um das Wahlergebnis in Frage zu stellen." Jedenfalls versicherte die Landtagsverwaltung in Magdeburg, dass die Sicherheitsvorkehrung nach der Erstürmung des Kapitols angepasst werden.

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