Westfalen-Blatt / Bielefelder Zeitung ,
29.06.2020 :
Gegen Rassismus und Polizeigewalt
350 Menschen demonstrieren bei zwei friedlichen Kundgebungen in der Innenstadt
Bielefeld (pan/mp). Bei zwei Protestaktionen am Samstag und Sonntag demonstrierten am Wochenende etwa 350 Menschen in Bielefeld gegen Rassismus und Polizeigewalt. Beide Kundgebungen verliefen friedlich.
Die größere von beiden mit etwa 250 Teilnehmer fand am Samstag statt. Dem Aufruf der Kurdischen Jugend Bielefeld waren mehrere Antifa-Gruppen auf den Kesselbrink gefolgt. Gemeinsam erinnerten sie unter anderem an den kurdischen Flüchtling und Aktivisten Halim Dener (16), der 1994 in Hannover bei einem Polizeieinsatz ums Leben kam.
"Wir als Kurdische Jugend solidarisieren uns mit den Menschen, die weltweit unter rassistischer Polizeigewalt leiden", sagte eine Sprecherin. Ein Vertreter der Gruppe Ali-Bi ("Wir müssen reden - über die Bullen") forderte gar die Abschaffung der Polizei. Er lobte die Plünderer der jüngsten Ausschreitungen in Stuttgart und verbreitete allerlei Beleidigungen über den deutschen Rechtsstaat.
Bei lauter orientalischer Musik zog der Demonstrationszug, von der Polizei eskortiert, über Landgericht und Jahnplatz bis zum Hauptbahnhof. Weil einige Teilnehmer verbotene Fahnen schwenkten, die den Kurden-Führer Abdullah Öcalan zeigen, erstattete die Polizei Strafanzeige.
Vor 51 Jahren wehrten sich queere Menschen gegen eine Razzia der Polizei im Stonewall Inn, Christopher Street / New York City. Anlässlich des Jahrestages demonstrierte die Antifa-Gruppe der Universität Bielefeld gemeinsam mit dem Café Exil am Sonntag in der Innenstadt. Unter dem Motto "Stonewall bis heute – riot ‘till we need no more" zogen mehr als 100 Teilnehmer vom Kesselbrink bis zum Siegfriedplatz.
Die antifaschistische Gruppe und die Hochschulgruppe Café Exil solidarisierten sich mit Protesten und Aufständen auf der ganzen Welt. "Heute ist zwar der Stonewall-Jahrestag, aber wir wollen nicht den Christopher Street Day und die Pride Parade ersetzen. Wir möchten die Themen des CSD und von Black Lives Matter verbinden", erklären die Organisatoren, die namentlich anonym bleiben möchten.
Mit der Demo wollen sie auf die gewaltsamen Verhältnisse aufmerksam machen, die durch den Tod von George Floyd wieder in den Fokus der Öffentlichkeit geraten sind. Queere Personen, Schwarze und People of Colour, kurzum alle, die einer weißen, patriarchalen Norm nicht entsprächen, seien stets einer umfassenden Gewalt ausgesetzt. Die Polizei, heißt es bei der Kundgebung auf dem Kesselbrink, sei mit ihrem Gewaltmonopol nur eine der zahlreichen gewaltsamen Strukturen. Diskriminierung in der Gesellschaft, sagen die Organisatoren der Antifa-Gruppe, diene nur dem Kapitalismus. "Ein System das auf Ausbeutung und Herrschaft beruht, kann auf Angriffe nur mit Gewalt reagieren. Unser Protest richtet sich gegen Strukturen wie Polizeigewalt als solche", erklären die Veranstalter.
Bildunterschrift: Die Kurdische Jugend Bielefeld lief mit rund 250 Sympathisanten vom Kesselbrink (Foto) bis zum Bahnhof.
Bildunterschrift: Etwa 100 Demonstranten erinnerten am Sonntag an die Razzia der Polizei im Stonewall Inn in der Christopher Street / New York City vor 51 Jahren.
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In der Nacht vom 30. Juni 1994 wurde der kurdische Jugendliche Halim Dener - beim Plakatieren mit dem Symbol der "Nationalen Befreiungsfront Kurdistans" - durch einen Zivilpolizisten - in Hannover erschossen.
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