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Westfalen-Blatt / Bad Oeynhausener Zeitung , 30.03.2020 :

Heute im Lokalteil / Zeitzeugen erinnern sich

Vor 75 Jahren, am 30. März 1945, flogen die alliierten Luftstreitkräfte einen Angriff auf die Weserhütte. Die Zeitzeugen Gerhardt Horstmann und Wilhelm Riesmeier, damals beide 14 Jahre alt, erinnern sich.

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Neue Westfälische - Bad Oeynhausener Kurier, 23.03.2020:

Bomben treffen die Weserbrücke

Die Alliierten zerstörten vor 75 Jahren kurz vor Kriegsende noch die Weserbrücke in Rehme / Zeitzeugin Hannelore Glahn (85) war im Wald Holz sammeln, als die Bomber kamen

Nicole Sielermann

Bad Oeynhausen. Eigentlich hatte die Kurstadt Glück. Als Kurort und Heilbad musste sie in den Jahren des Zweiten Weltkrieges kaum mit Luftangriffen rechnen. Zumal auch zahlreiche Verwundete Bad Oeynhausen damals zu einer Lazarett-Stadt machten. Und doch fielen Bomben. Nur wenige Tage vor der Übernahme der Stadt durch die Alliierten und dem Ende des Krieges wurden die Weserbrücke in Rehme (23. März 1945) und die Weserhütte (30. März 1945) bombardiert und teilweise zerstört. Die Bad Oeynhausenerin Hannelore Glahn war damals mit dem Nachbarsjungen Holz sammeln im Wald - und sah, wie sich die Klappen an den Bombern öffneten. Sie ist eine von nur noch wenigen Bad Oeynhausenern, die über die letzten Kriegstage erzählen können. In den kommenden Wochen werden in der NW Zeitzeugen erzählen.

Gerhard Lietz hat die Daten für die Chronik der Stadt zusammengestellt. Vier Mal wurde Bad Oeynhausen zwischen November 1944 und März 1945 bombardiert. Dann kamen die wohl schwersten Angriffe. Am 23. März 1945 wurden die Rehmer Autobahnbrücke und die Eisenbahnbrücke Vlotho getroffen. Angreifer waren britische Lancaster-Flugzeuge, die Zehn-Tonnen-Bomben abwarfen. Arbeitsgruppen sollten eine Ersatzbrücke bauen, aber weil die Amerikaner näher kamen, musste das Vorhaben aufgegeben werden.

Als Zehnjährige zum Holzsammeln

Hannelore Glahn war damals zehn Jahre alt und mit dem Bollerwagen Holz sammeln, als Bomben die Weserbrücke in Rehme zerstörten. "Wir haben gesehen, wie die Bomben fielen", erinnert sich die 85-Jährige. Die vielen Bombenkrater seien noch Jahre später bis zum Automuseum zu sehen gewesen. "Mein Vater, der in Russland ein Bein verloren hatte und im Lazarett auf dem Wittekindshof war, kam sehr oft nach Hause zu uns in die Rehmer Siedlung", erzählt die 85-Jährige. Sie erinnert sich auch, dass ihr Vater mit ihren beiden Brüdern zusammen im Garten einen tiefen Bunker ausgehoben hatte: "Es gab ja laufend Fliegeralarm."

Alles sei damals rationiert gewesen: Lebensmittel, Kohlen, Holz. Es habe Bezugsscheine gegeben, mit denen man zum Beispiel im Wiehengebirge Holz sammeln durfte. So am 23. März 1945. "Meine Mutter und unsere Nachbarin hatten sich zum Holzsammeln verabredet. Morgens in aller Herrgottsfrühe ging es mit einem Bollerwagen von Rehme, durch Dehme und ins Wiehengebirge." Mit dabei auch Hannelore und der Nachbarsjunge. "Auf meine drei jüngeren Geschwister und die fünf anderen Kinder der Nachbarin passte in der Zeit meine Tante auf", erinnert sich Hannelore Glahn. Im Berg wurden die Bollerwagen mit Ästen beladen: "Das war nicht einfach. Erst mussten zu beiden Seiten dickere Äste gesteckt, dazwischen Äste längs gelegt und mit Stricken gesichert werden."

Eigentlich waren die Vier nahezu fertig - als es Bombenalarm gab. "Wir haben vom Berg aus gesehen, wie die feindlichen Flugzeuge ihre Klappen öffneten, die Bomben über Rehme abwarfen und die Weserbrücke bombardierten." Die beiden Mütter seien sofort losgelaufen, den Berg hinunter, heim nach Rehme. "Ich habe nie wieder jemanden so schnell laufen sehen." Der Nachbarsjunge und die zehnjährige Hannelore mussten beim Bollerwagen bleiben. "Wir mussten aufs Holz aufpassen - damit dass keiner klaut." Für Hannelore Glahn sind die Bilder im Kopf "als ob es gestern war". Erst am späten Nachmittag seien die beiden Mütter zurückgekehrt. Mit einer guten Nachricht. "Unsere Häuser wurden nicht getroffen." Lediglich die Tante sei einem Nervenzusammenbruch nahe gewesen. Sie hatte während des Angriffs mit der ganzen Kinderschar im Bunker gesessen. "Sie hat nie wieder auf die Kinder aufgepasst", sagt Glahn mit einem kleinen Schmunzeln. Unter Mühen haben die vier Holzsammler damals die Bollerwagen durch Hohl- und Waldwege geschoben und gerissen. "Wir konnten von Glück sagen, dass dabei nicht noch eine Achse oder Deichsel brach."

Einen Tag später hatte sich der Vater vom Wittekindshof aus von einem Bauern nach Rehme mitnehmen lassen. Mit seinen Krücken sei er zur Weserbrücke gehüpft, um sich die Zerstörung anzusehen. "Wir bekamen Verbot, dorthin zu gehen. Zum einen wegen der vielen toten jungen Flakhelfer, zum anderen wegen der nicht explodierten Bomben, den Blindgängern."

Nur eine Woche später erfolgte der Luftangriff auf das Eisenhüttenwerk Weserhütte. Dort wurde am 30. März 1945 - trotz des Karfreitags - gearbeitet. In der Mittagszeit kam der Fliegeralarm. Doch der Angriff kam so plötzlich, dass viele Arbeiter noch am Arbeitsplatz tödlich getroffen wurden. Verwaltungsgebäude und angrenzende Hallen brannten ab, andere wurden durch Sprengbomben weitgehend zerstört. Nur die am Nordrand des Geländes gelegenen Hallen kamen glimpflich davon. In Tagebuchblättern schilderte der Lehrer Heinrich Deppe damals, dass ein Flieger von der Flak auf der Lohe getroffen worden sei. Der Rest habe Bomben entlang der Weserstraße abgeworfen. Denn auch dort hatten die Bomber ein Ziel: die Panzer-Abstellplätze in der Oeynhauser Schweiz. Häuser seien getroffen worden, Panzer hätten Verwundete aus der Weserhütte zum Krankenhaus am Südbahnhof gebracht. Deppe weiter: "In der Schweiz starben die Hirsche durch den Luftdruck. Viele Tote wurden geborgen. Leute, die im Wald Schutz gesucht hatten. ( ... ) Hätte eine Bombe den auf dem Bahnhofsgelände stehenden Munitionszug getroffen, es wäre nicht auszudenken, was dann aus Oeynhausen geworden wäre. Also Glück im Unglück."

981 Voll-Alarme in der Kurstadt

In Bad Oeynhausen gab es zwischen 1939 und 1945 insgesamt 870 Vor-Alarme und 981 Voll-Alarme. Nur wenige Tage später, am 3. April 1945 ("Osterdienstag"), übergab der Allgemeinmediziner Werner Aly die Stadt kampflos an die Amerikaner. Der Oberstabsarzt Aly war Chefarzt des Teillazaretts der Johanniter-Ordenshäuser. Er selber schrieb damals auf: "Der Chef des Gesamtlazaretts rief mich an und sagte, Aly fahren Sie sofort los und übergeben Sie die Stadt." Mit einem Betttuch und Hauptmann Krüger als Sozius düste Aly mit seinem kleinen NSU-Motorrad nach Gohfeld zum Witteler Krug. Weil ihm der amerikanische Offizier nicht recht Glauben schenkte, schlug Werner Aly ihm vor, die beiden Deutschen auf einen Panzer zu setzen. Und so fuhr Aly auf dem Kühler eines Panzerspähwagens nach Oeynhausen herein. "Später bedankten sich die Offiziere in sehr höflicher Form bei mir für die Hilfe." Beide sprachen Deutsch - beide waren als Studenten in Heidelberg gewesen.

Um 15.15 Uhr kapitulierte Bad Oeynhausen. Als die Truppen in die Kurstadt einmarschierten, waren die Straßen menschenleer. Für die Unterbringung der Soldaten mussten ganze Häuserreihen, wie an der Herforder Straße geräumt werden. Obwohl im Nachhinein viele Bad Oeynhausener nichts Schlechtes über die Amerikaner sagen können, ist laut der Stadtchronik mehrfach bezeugt worden, dass betrunkene Soldaten Frauen vergewaltigt haben. Die Zahl der Fälle ist aber nie ermittelt worden. Man sprach, so Lietz, von mehr als 40.

Bildunterschrift: Bericht über die Rehmer Weserbrücke nach der Bombardierung im Zweiten Weltkrieg.

Bildunterschrift: Hannelore Glahn erlebte als Zehnjährige, wie die Rehmer Weserbrücke bombardiert wurde.

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Am 30. März 1945 flogen Bomber-Verbände der US-Luftwaffe über Bad Oeynhausen (sechs) Luftangriffe - um das (für die Rüstungsindustrie der Wehrmacht umfunktionierte) "Eisenwerk Weserhütte" zu zerstören.

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