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15 Artikel , 10.02.2020 :

Pressespiegel überregional

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Übersicht:


Blick nach Rechts, 10.02.2020:
"Heiliger Krieg" im Baltikum

die tageszeitung Online, 10.02.2020:
Umgang mit Franco-Diktatur in Spanien / Verherrlichung soll strafbar werden

Neues Deutschland Online, 10.02.2020:
"Tag der Ehre" in Budapest / Wie Nazis Niederlagen feiern

Audiatur-Online, 10.02.2020:
Europäische Neonazis bei SS-Gedenkmarsch in Budapest

Focus Online, 10.02.2020:
Anklage wohl noch im Februar / Synagogen-Angriff: Höchste Sicherheitsstufe bei Prozess gegen Neonazi Stephan Balliet

die tageszeitung Online, 10.02.2020:
Antimuslimischer Rassismus / Mehr Gewalt gegen Muslime

Der Tagesspiegel Online, 10.02.2020:
Extremistische Szene in Brandenburg so stark wie nie / Neuer Verfassungsschutzchef will härter gegen Rechte vorgehen

Thüringische Landeszeitung Online, 10.02.2020:
Sechs Jahre nach dem Neonazi-Überfall in Ballstädt

Welt Online, 10.02.2020:
Sonneberg: Maskierter mit Waffen und Hakenkreuz-Kleidung

Mitteldeutscher Rundfunk, 10.02.2020:
Unbekannter zeigt Hitlergruß in Leipziger Straßenbahn

Frankfurter Allgemeine Zeitung Online, 10.02.2020:
Frankfurter Polizei / Durchsuchungen bei rechtsextremer Szene auch zu Chat-Gruppe

Hamburger Morgenpost Online, 10.02.2020:
Ehemaliges NPD-Mitglied / Braune Vergangenheit holt Harburger Tierschützer ein

Neues Deutschland Online, 10.02.2020:
"Sie haben die Verstellung aufgegeben" / In der thüringischen CDU und FDP gibt es schon seit Jahren Verbindungen und Wechsel zu Rechtsaußen

MiGAZIN, 10.02.2020:
AfD-Neujahrsempfang / Tausende demonstrieren in Münster gegen Nazis

MiGAZIN, 10.02.2020:
Rücktritte / Personelle Konsequenzen nach Thüringer Ministerpräsidentenwahl

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Blick nach Rechts, 10.02.2020:

"Heiliger Krieg" im Baltikum

Von Horst Freires

Am 22. Februar findet in Tallinn anlässlich des estnischen Unabhängigkeitstages am 24. ein Rechtsrock-Konzert mit Bands aus Estland, Litauen und Deutschland statt.

Der als Nationalfeiertag begangene Unabhängigkeitstag in Estland, der sich dieses Jahr am 24. Februar zum 102. Mal jährt, wird seit einigen Jahren auch von der rechten Szene zum Anlass genommen, zu einem Rechtsrock-Konzert einzuladen. So wird Werbetrommel für einen Auftritt am 22. Februar gerührt. Ganz offenkundig steckt dabei der estnische "Blood and Honour"-Ableger eine maßgebliche Rolle. Man muss nicht lange suchen, um Bildmaterial der auch diesmal beteiligten einheimischen Bands "P.W.A." und "Revalers" zu entdecken. Auf dem ist zu sehen, dass diese Combos vor "Blood and Honour"-Bannern aufspielen.

"P.W.A."-Tonträger in Deutschland indiziert

"Revalers" gelten dieses Jahr als offizieller Gastgeber für das braune musikalische Meeting in Tallinn. Das Quartett existiert seit 2006. Der Bandname "P.W.A." steht als Abkürzung für "Preserve White Aryans". Die Combo trat 2009 auch beim von der NPD angemeldeten "Fest der Völker" im thüringischen Pößneck (Saale-Orla-Kreis) auf. Bereits 2006 wurde ihr Tonträger "It’s Time To Awake" in Deutschland indiziert. Eine Wiederveröffentlichung landete dann auch 2017 noch einmal auf dem Index der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien.

Neben der weiteren baltischen Band "Diktatura" aus Litauen wird für den 22. Februar auch "Heiliger Krieg" aus Baden-Württemberg annonciert. Dabei handelt es sich um das nach wenigen Jahren Unterbrechung gestartete Nachfolgeprojekt der Band "Race War". 2016 veröffentlichte "Heiliger Krieg" bei "Oldschool Records" von Benjamin Einsiedler aus dem Allgäu ihr letztes Album. Darauf befindet sich auch eine Huldigung an die Wehrmacht. Im dem Titel "Den deutschen Soldaten" heißt es etwa: "Wir gedenken der Wehrmachtssoldaten, der Sache für die sie fielen, ihres Ruhmes und ihrer Taten." Die vier Bandmitglieder von "Race War" wurden 2006 wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung zu Bewährungsstrafen verurteilt. Im Jahr 2018 war die "Lunikoff Verschwörung" um Sänger Michael Regner beim Neonazi-Konzert anlässlich des estnischen Unabhängigkeitstages aufgetreten.

Bildunterschrift: Internationaler Rechtsrock zum estnischen Unabhängigkeitstag (Screenshot).

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die tageszeitung Online, 10.02.2020:

Umgang mit Franco-Diktatur in Spanien / Verherrlichung soll strafbar werden

Anders als in Deutschland wird die Huldigung des Faschismus in Spanien nicht verfolgt. Nach dem Willen der linken Regierung soll sich das ändern.

Reiner Wandler

Madrid (taz). Spaniens sozialistisch-linksalternative Regierungskoalition unter Pedro Sánchez will in Sachen Vergangenheitsbewältigung einen entscheidenden Schritt weitergehen: Die Verherrlichung des Diktators Francisco Franco (1936 - 1975) soll bald schon unter Strafe gestellt werden. Das kündigte Adriana Lastra, die Sprecherin der sozialistischen PSOE, am Montag an. "In einer Demokratie werden Diktatoren und Tyrannen nicht geehrt", erklärte sie.

Sowohl Sánchez’ PSOE als auch die linksalternative Unidas Podemos (UP) hatten ein Gesetz gegen die Verherrlichung des Franquismus im Wahlkampf versprochen. Anders als in Deutschland oder Italien wird die Verherrlichung der faschistischen Diktatur, die 1975 mit dem Tod von General Franco zu Ende ging, bisher nicht strafrechtlich verfolgt. Spaniens Faschisten und Teile der katholischen Kirche ehren den Diktator jedes Jahr an seinem Todestag mit Gottesdiensten und Aufmärschen.

Das Justizministerium arbeite bereits an einem Gesetzentwurf, erklärte Lastra. Sie kündigte zudem an, die Regierung werde Familien unterstützen, die noch immer nach den in Massengräbern überall in Spanien verscharrten Opfern der faschistischen Repression suchen. Auch sollen alle Symbole der Diktatur endgültig aus dem Straßenbild verschwinden.

Es ist nicht das erste Mal, dass sich Sánchez an die Vergangenheit traut. Vergangenen Herbst ließ er den Leichnam Francos umbetten. Bis dahin lag er in einem riesigen, in Fels gehauenem Mausoleum unweit der Hauptstadt Madrid. Jetzt ruhen die sterblichen Überreste auf einem kleinen Friedhof.

Vox ist gegen ein Verbot

Die Stiftung Francisco Franco, die sich die "Wahrung des Erbes" des "Generalisimo" zur Aufgabe gemacht hat, fürchtet nun ein Verbot. "Ist es ein Verbrechen, anders zu denken?", heißt es in einer Mitteilung. Die Stiftung beharrt auf dem Recht der "Verteidigung der Wahrheit gegen die zunehmende Manipulation dieser historischen Epoche".

Sie kann auf die Unterstützung der rechtsextremen Vox setzten, die seit der Wahl im November drittstärkste Kraft im spanischen Parlament ist. "Sie drohen uns mit dem Strafgesetzbuch, sie wollen uns verbieten und uns alle einsperren, aber wir werden nicht schweigen", erklärte Parteichef Santiago Abascal, als die Sozialisten im Wahlkampf ein Verbot der Verherrlichung Francos in Aussicht stellten.

Bildunterschrift: Eine Büste in Gold: Solche Ehrungen des Diktator Francisco Franco soll es künftig nicht mehr geben.

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Neues Deutschland Online, 10.02.2020:

"Tag der Ehre" in Budapest / Wie Nazis Niederlagen feiern

10.02.2020 - 08.12 Uhr

Rund 500 Rechte sind am Samstag in Budapest aufmarschiert, um die Schlacht um die ungarische Hauptstadt im Zweiten Weltkrieg für ihre Zwecke zu instrumentalisieren

Von Dario Veréb und Raimond Lüppken

Unter strahlend blauem Himmel sitzen und stehen am Samstag über 500 tiefschwarz gekleidete Neofaschisten beisammen und warten auf den Beginn einer Feier, in der sie den Untergang ihrer Helden zelebrieren. Im Februar 1945 waren etwa 30.000 Wehrmachtssoldaten und deren ungarische Verbündete in Budapest eingekesselt worden. Nur ein paar hundert gelang der "Ausbruch". Zwei Tage später wurde Budapest von der Roten Armee befreit.

Zum zwanzigsten Mal haben sich Neonazis und Geschichtsrevisionisten im Városmajor-Park eingefunden. Er dient ihnen als Kulisse für den "Tag der Ehre" und als Startpunkt für den 60-Kilometer-Marsch nach Szomor, einem kleinen Dorf im Nordwesten der ungarischen Metropole. Die andächtige Stille wird von Rufen des antifaschistischen Protests gebrochen, der durch Barrikaden und ein starkes Polizeiaufgebot vom Park ferngehalten wird. Wie das Internet-Portal "index.hu" berichtete, haben sich mehrere hundert Gegendemonstranten am Schauplatz eingefunden. Die Demonstrierenden werden erst während der Rede von Matthias Deyda von der deutschen Splitterpartei "Die Rechte" wieder hörbar.

"Nachdem ich im letzten Jahr bereits hier einige Worte verlesen hatte, gab es großen Druck durch die etablierten Parteien und die Lügenpresse in Deutschland. Ich soll es gewagt haben, den größten deutschen Staatsmann der Geschichte zitiert zu haben", sagt Deyda zu Beginn seiner Rede. Er steht auf dem Sockel des Denkmals, das sich den ungarischen Helden des Ersten Weltkriegs widmet, neben ihm ein ungarischer Übersetzer, flankiert wird er von den Flaggen der Hammerskins und der Legio Hungaria, vor ihm ein Holzkreuz mit Stahlhelm. Auch im weiteren Verlauf seiner Rede verherrlicht er den Nationalsozialismus, beispielsweise mit den Worten: "Uns mahnen die toten Helden zur Tat. Ihr Opfer ist unser Auftrag." Im Publikum nicken ihm die Sons of Asgard Germany, Lukov-Anhänger aus Bulgarien und russische Nationalisten zu.

Vor dem Denkmal sind die Teilnehmer geordnet aufgestellt. Wer seine Flaggen und Transparente vorzeitig angemeldet hat, darf diese präsentieren. Offenbar wurde den in Deutschland verbotenen Organisationen Blood and Honour und Combat 18 nicht erlaubt, sich mit Flaggen zu erkennen zu geben, denn diese fehlten im Unterschied zum vergangenen Jahr. Durch Kleidung und Tätowierungen waren einzelne Anwesende als Sympathisanten jedoch zu erkennen.

Zum Abschluss der Redebeiträge wird die ungarische Nationalhymne, gefolgt von der deutschen gespielt. Anschließend werden die Gruppierungen zur Kranzniederlegung angesagt und treten nacheinander vor das Ehrenmal.

Plötzlich marschieren als Wehrmachtssoldaten verkleidete Männer zügigen Schrittes am Ehrenmal vorbei. Darunter einige mit Mützen der neofaschistischen Kleinstpartei "III. Weg", die ihre Gesichter mit Masken verhüllen. Es scheint, als seien sie nicht zur Gedenkveranstaltung zugelassen worden. Die Legio Hungaria, die als Veranstalter des diesjährigen "Tag der Ehre" fungiert, schloss diverse Gruppierungen aus, scheint wählerischer und vorsichtiger bei der Organisation vorgegangen zu sein als in den Vorjahren.

Und so nahmen auch hunderte wanderbegeisterte Budapester am Marsch nach Szomor teil. Offenbar wurde dieser in der Bevölkerung beworben. Die neofaschistische Szene versucht dadurch, den Anschein zu erwecken, dass es sich um einen zivilgesellschaftlichen Event und nicht um einen Neonazi-Aufmarsch handelt.

Die Taktik der Organisatoren kommt nicht von ungefähr. Die Polizei hatte im Vorfeld ein Verbot der Veranstaltung erlassen, welches von einem Gericht in Budapest unter Berufung auf das Versammlungsrecht jedoch wieder aufgehoben wurde. Grund für das Verbot war neben der Präsenz von rechten Terrororganisationen auch die Verwendung des Hitler-Zitats von Matthias Deyda im vergangenen Jahr: "Wenn unser alter Feind und Widersacher noch einmal versuchen sollte, uns anzugreifen, dann werden die Sturmfahnen hochfliegen, und dann werden sie uns kennenlernen."

Durch die Angst vor einem zukünftigen Verbot der Veranstaltung war es möglich, dass sich Journalisten im Park verhältnismäßig frei bewegen konnten, sofern sie am Eingang des Parks nicht abgefangen wurden. Die Polizei überließ die Selektion den Veranstaltern. Zu Beginn des "Gedenkens" kam es zu einem Tumult, weil die Faschisten einen slowakischen Journalisten mit Hilfe der Polizei des Parks verweisen ließen. Offenbar nahmen sie Anstoß daran, dass sich dieser mit einem Aufnäher als Sympathisant der linksautonomen Szene zu erkennen gab.

Rechtsextreme Veranstaltungen und Konzerte haben in den letzten Jahren in ganz Europa Konjunktur. Eine Veranstaltung wie der "Tag der Ehre", indem geschichtliche Ereignisse umgedeutet werden und eine Niederlage glorifiziert wird, weckt Erinnerungen an das dunkelste Kapitel der europäischen Geschichte. Schon am kommenden Wochenende wird die Neonazi-Szene in Dresden erneut auf geschichtsrevisionistische Weise die Schrecken des Zweiten Weltkrieges für ihre Propaganda instrumentalisieren.

Bildunterschrift: Am "Tag der Ehre" in Budapest glorifizieren Neonazis den Tod der eigenen Helden.

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Audiatur-Online, 10.02.2020:

Europäische Neonazis bei SS-Gedenkmarsch in Budapest

Von Redaktion Audiatur

Einige tausend Personen beteiligten sich in der Nacht vom 8. auf den 9. Februar 2020 an einem "Gedenkmarsch" in Ungarn - darunter organisierte Neonazis aus Deutschland und Europa.

Bereits am Vortag demonstrierten hunderte Neonazis in Budapest. Ebenso waren Rechtsextreme aus Deutschland vertreten. Laut democ, dem Zentrum Demokratischer Widerspruch e.V. glorifizierte der Dortmunder Neonazi Matthias Deyda (Die Rechte) in einem antisemitischen Redebeitrag Adolf Hitler. "Der Feind heißt nicht Meier oder Müller. Unser Feind heißt Rothschild oder Goldman und Sachs", so Deyda in seiner Rede. Auch zitierte er Hitler mit dem Satz: "Es genügt nicht die bloße Ablegung des Bekenntnisses: Ich glaube; sondern der Schwur: Ich kämpfe!"

Der so genannte "Ausbruch"-Marsch bezieht sich auf die Schlacht um Budapest im Winter 1944 / 1945. Hunderte Teilnehmer trugen nationalsozialistische Uniformen, Abzeichen und Waffen. Zwischenstationen, an denen Stempel verteilt wurden, waren mit Hakenkreuzen, SS-Runen und Hitler-Portraits staffiert.

"Die Veranstaltung ist für die rechtsradikale Szene in Europa ein wichtiges Event. Denn hier können sie sich ungestört präsentieren", so Linus Pook vom Zentrum Demokratischer Widerspruch gegenüber RTL.

Ähnlich wie in Deutschland ist auch in Ungarn das Zeigen dieser Symbole in der Regel strafbar. Laut Veranstaltern dienen diese lediglich der "Illustrierung der damaligen Zeit" und seien hier als historische Darstellung nicht strafbar.

Unter den Teilnehmern waren gemäß Recherchen von democ mehrere Gruppen organisierter deutscher Neonazis aus dem Umfeld der rechtsextremen Partei "Der III. Weg", der Jugendorganisation der NPD (JN) sowie der "Europäischen Aktion". Bereits in den Jahren zuvor beteiligten sich organisierte Neonazi-Gruppen aus Europa.

Bildunterschrift: Budapest, so genannter "Tag der Ehre".

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Focus Online, 10.02.2020:

Anklage wohl noch im Februar / Synagogen-Angriff: Höchste Sicherheitsstufe bei Prozess gegen Neonazi Stephan Balliet

10.02.2020 - 14.08 Uhr

Nach dem bewaffneten Angriff auf die Synagoge in Halle mit zwei Todesopfern muss sich der mutmaßliche Neonazi-Killer Stephan Balliet demnächst vor Gericht verantworten. Die Anklage steht kurz bevor, die Justiz in Sachsen-Anhalt rüstet sich bereits für einen Hochsicherheits-Prozess. Mit welchem Medien-Ansturm gerechnet wird, zeigt ein Blick auf die Platzverteilung im Landgericht Magdeburg: 60 von 120 Sitzen sind für Journalisten reserviert.

Vier Monate nach dem Synagogen-Anschlag mit zwei Toten in Halle (Saale) steht die Anklage gegen den mutmaßlichen Rechtsterroristen Stephan Balliet unmittelbar bevor. Wie Focus Online aus Justizkreisen erfuhr, will die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe möglicherweise noch Ende Februar 2020 Anklage erheben, spätestens jedoch im März. Der Generalbundesanwalt ermittelt seit Oktober 2019 gegen Balliet wegen zweifachen Mordes und weiterer Mordversuche.

Bluttat von Halle: Verhandlung am Landgericht Magdeburg

Die Justiz in Sachsen-Anhalt rüstet sich unterdessen für einen Mammut-Prozess, der unter massiven Sicherheitsvorkehrungen stattfinden wird. Henning Haberland, Sprecher am Oberlandesgericht Naumburg, bestätigte an diesem Montag gegenüber Focus Online, dass die öffentliche Hauptverhandlung höchstwahrscheinlich am Landgericht Magdeburg geführt wird. Man habe dort bereits von April bis Juni 2020 den größten Saal mit 120 Plätzen (davon 60 für Medienvertreter) reserviert.

Haberland zufolge werde der Verhandlungssaal derzeit umgebaut, um "räumliche Strukturen zu schaffen, die für ein solch großes Verfahren notwendig sind". Die Justiz rechne nicht nur mit einer großen Zahl an Nebenklägern, sondern auch "mit einem riesigen Interesse von Journalisten und normalen Prozessbeobachtern".

Sicherheit hat oberste Priorität: LKA und BKA analysieren Lage

Der Prozess um die Tat, die international Empörung und Fassungslosigkeit ausgelöst hatte, findet unter massiven Sicherheitsvorkehrungen statt. Nach Focus Online-Informationen arbeiten Polizeibehörden von Bund und Land derzeit an einem entsprechenden Konzept, darunter das Landeskriminalamt (LKA) Sachsen-Anhalt und das Bundeskriminalamt (BKA). OLG-Sprecher Haberland: "Die Justiz stützt sich bei den Vorbereitungen für den Prozess auf die Analysen verschiedener Sicherheitsbehörden." Einzelheiten wollte er nicht nennen.

Am 9. Oktober 2019 wollte der mutmaßliche Rechtsterrorist Stephan Balliet in der Synagoge von Halle ein Blutbad anrichten. Er versuchte, an Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag, gewaltsam in das Gotteshaus einzudringen, in dem mehr als 50 Menschen versammelt waren. Mit einer selbstgebauten Schrotflinte feuerte er auf die verschlossene Eingangstür, die den Schüssen jedoch standhielt.

Synagogen-Tür hält - dann tötet Angreifer zwei Menschen

In der Folge erschoss der Attentäter zwei wehrlose Menschen. Vor der Synagoge tötete er eine zufällig vorbeilaufende, 40 Jahre alte Frau, wenig später einen 20-jährigen Mann in einem Döner-Imbiss. Balliet flüchtete in seinem Mietauto vom Tatort, später kaperte er ein Taxi. Auf einer Bundesstraße bei Zeitz kollidierte er mit einem Lastwagen und wurde von der Polizei festgenommen.

Seine Tat hatte Balliet selbst gefilmt und live ins Internet übertragen. Das Material gilt als zentrales Beweismittel für die Aufklärung des Verbrechens.

Geständnis in Karlsruhe: Angeblich keine Mitwisser oder Helfer

Kurz nach seiner Festnahme hatte Balliet beim Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe umfassend ausgesagt. In einer mehrstündigen Vernehmung gestand er die Tat und bestätigte seine rechtsextremistischen, antisemitischen Motive. Balliet behauptete, er habe die Tat alleine geplant und begangen, es gebe weder Mittäter noch Mitwisser oder Helfer.

Balliets Pflichtverteidiger Hans-Dieter Weber erklärte gegenüber Focus Online, der 27-Jährige habe sich "schon seit längerer Zeit" mit einem Anschlag auf Juden befasst und sich entsprechend vorbereitet. Einen bestimmten Anlass, gerade am 9. Oktober loszuschlagen, gab es offenbar nicht. Vor dem BGH soll sein Mandant erklärt haben: "Der Entschluss ist erst gefasst, wenn Du losfährst und nicht mehr umkehrst."

Balliet werde sich seiner Verantwortung stellen, sagte Anwalt Weber weiter. "Er weiß, dass er für seine Tat zur Rechenschaft gezogen wird."

Bildunterschrift: Stephan Balliet wird zur Vernehmung beim BGH in Karlsruhe gebracht.

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die tageszeitung Online, 10.02.2020:

Antimuslimischer Rassismus / Mehr Gewalt gegen Muslime

2019 wurden 184-mal muslimische Einrichtungen und Repräsentanten angegriffen. Die Linke fordert ein stärkeres Vorgehen gegen Islam-Feindlichkeit.

Dinah Riese

Berlin (taz). Jeden zweiten Tag wurde in Deutschland 2019 eine Moschee, eine muslimische Einrichtung oder ein religiöser Repräsentant islamfeindlich angegriffen. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Große Anfrage der Linksfraktion zum Thema antimuslimischer Rassismus hervor, die der taz vorliegt.

"Das ist rechter Terror, dem entschieden entgegengetreten werden muss", erklärt die Linken-Bundestagsabgeordnete Christine Buchholz. "Die Gefährdung von Personen, Moscheen und anderen muslimischen Einrichtungen ist nicht hinzunehmen."

Die Zahl ergibt sich aus einem vom Bundesinnenministerium entwickelten neuen "Angriffszielkatalog". Dieser weist seit Januar 2019 eine bestimmte Teilgruppe islamfeindlicher Angriffe aus, nämlich jene auf Begegnungsstätten, Kulturvereine, Friedhöfe, Moscheen, Religionsgemeinschaften, religiöse Einrichtungen, Repräsentanten, Symbole oder sonstige Religionsstätten. Der Katalog umfasst somit nur eine Teilmenge der islamfeindlichen Straftaten insgesamt, aber mehr als bloß die Zahl der Angriffe auf Moscheen.

Demnach gab es 2019 insgesamt 184 islamfeindliche Angriffe dieser Art. Darunter sind 64 Fälle von Volksverhetzung, aber auch zahlreiche Fälle von Verwendung von Kennzeichen verfassungsfeindlicher Organisationen, Beleidigung und Sachbeschädigung. Auch Bedrohungen sowie Körperverletzungen sind aufgelistet. Durch Nachmeldungen könnte die Zahl noch steigen.

"Konstantes Aktionsfeld der rechten Szene"

Islamfeindliche Straftaten werden erst seit 2017 gesondert erfasst. Wie viele es im Jahr 2019 insgesamt waren, dazu liegen noch keine Zahlen vor. Im Jahr 2018 waren es 910, darunter allein 48 Angriffe auf Moscheen, 2017 waren es sogar 1.095 Straftaten. Mehr als 90 Prozent dieser Taten werden der politisch motivierten Kriminalität von rechts zugeordnet.

"Musliminnen, Muslime sowie religiöse Einrichtungen in Deutschland sind von politisch motivierten Straftaten betroffen", konstatiert die Bundesregierung in der Antwort auf die Große Anfrage. Das Thema Islam-Feindlichkeit bilde neben dem Thema Zuwanderung "ein konstantes Aktionsfeld der rechten Szene".

Was auffällt: Obwohl die Zahl der antimuslimischen Straftaten insgesamt abnimmt, steigt die Zahl der Gewaltverbrechen. Für 2017 melden die Behörden 56 islamfeindliche Gewaltdelikte mit insgesamt 38 Verletzten. 2018 waren es dann schon 74 Delikte mit insgesamt 52 Verletzten. Darunter sind sogar zwei versuchte Tötungsdelikte.

Neben Straftaten geht es in der Großen Anfrage auch um Diskriminierung von Musliminnen, Muslime etwa auf dem Arbeitsmarkt oder bei der Wohnungssuche. 719 Menschen haben sich seit 2006 an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes gewandt, weil sie sich auf Grund ihrer muslimischen Religion benachteiligt fühlten. Frauen machten fast 80 Prozent der Ratsuchenden aus.

Frauen besonders bedroht

Gerade muslimische Frauen, die Kopftuch tragen, sind besonders bedroht. So berichtet die Antidiskriminierungsstelle, dass 76 Prozent der Beschwerden wegen verbaler und körperlicher Gewaltdiskriminierung im Bereich "Öffentlichkeit und Freizeit" von Frauen kamen.

"Islamfeindliche Gewalt und Diskriminierung sind ein alltägliches Problem in Deutschland", sagt Christine Buchholz. "Endlich beginnt auch die Bundesregierung das zu erkennen." Aber was sie tue, komme "zu spät" und sei "zu wenig", kritisiert die Linke. Notwendig sei eine "Ächtung von Islam-Feindlichkeit und antimuslimischem Rassismus", auch durch die Bundesregierung und den Bundestag. Es brauche "Signale der Solidarität und Unterstützung", so Buchholz.

Bildunterschrift: Gerade muslimische Frauen, die Kopftuch tragen, sind besonders bedroht.

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Der Tagesspiegel Online, 10.02.2020:

Extremistische Szene in Brandenburg so stark wie nie / Neuer Verfassungsschutzchef will härter gegen Rechte vorgehen

10.02.2020 - 20.32 Uhr

Jörg Müller ist neuer Chef beim märkischen Verfassungsschutz. Er will einen stärkeren Fokus auf bessere Früherkennung rechtsextremer Bestrebungen legen.

Von Marion Kaufmann

Eines kann Brandenburgs neuer Verfassungsschutzchef Jörg Müller schon gut: Geheimnisse für sich behalten, Ansagen machen, ohne sich zu sehr in die Karten schauen zu lassen.

Der 46-jährige, parteilose Verwaltungswirt, der am Montag von Innenminister Michael Stübgen (CDU) offiziell in sein neues Amt eingeführt wurde, will den Verfassungsschutz "neu ausrichten". Den Nachrichtendienst besser aufstellen in einer Zeit, in der sich Extremisten nicht mehr in Dorfkneipen absprechen würden, sondern in Chatrooms, Sozialen Netzwerken, Messenger-Diensten. "Die Digitalisierung des Extremismus ist schon vorangeschritten", sagt Müller.

Stelle wurde wegen Terrorgefahr aufgestockt

Dass die Behörde hinterherhinkt, ist ein offenes Geheimnis. Wie viele Cyberspezialisten sich mit der Aufklärung extremistischer Bestrebungen im Netz beschäftigen, wie viele der 37 zusätzlichen Stellen, die der Landtag im Juni bewilligt hat, besetzt sind, sagt Müller nicht.

Nur so viel: noch nicht alle. "Der Markt an Spezialisten ist schwierig", sagt Müller. Wegen der Terrorgefahr wurde die Abteilung vor der Landtagswahl 2019 auf 130 Stellen aufgestockt.

Rechtsextremistische Szene so stark wie nie

Der Verfassungsschutzbericht, das betont Müller bei seinem ersten Auftritt, ist deutlich: Mit 1.675 Personen ist die rechtsextremistische Szene so stark wie nie in der Landesgeschichte, besonders im Süden verfestigt sie sich. Auch das Personenpotenzial der Islamisten erreicht mit 180 einen neuen Höchststand. Die Zahl der Linksextremisten, besonders aktiv in Potsdam, ist fünfmal in Folge angestiegen und liegt bei 620.

Stübgen hatte bereits kurz nach Amtsantritt im vergangenen November eine härtere Gangart gegen Rechtsextremisten angekündigt - auch in den Reihen des öffentlichen Dienstes.

Er werde 2020 ein Programm zur stärkeren Abwehr rechtsextremistischer Bedrohungen vorlegen, erklärte er. Dazu zählte die bessere Früherkennung rechtsextremer Bestrebungen. Dass dabei präzise Recherche im Netz unabdingbar ist, zeigt eine aktuelle, von der Robert-Bosch-Stiftung geförderte Studie, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wird.

Dafür hat das Institute für Strategic Dialogue (ISD) Plattformen untersucht, wie sie etwa der rechtsextreme Attentäter von Halle genutzt hat. Ergebnis: Auf zehn analysierten Plattformen, darunter der Messenger-Dienst Telegram und die Gaming-App Discord, fanden sich 375 rechtsextreme und rechtspopulistische Kanäle und Communities.

Als "unverzichtbares Mittel" bezeichnet Müller den Einsatz von Vertrauensleuten, die im neuen Verfassungsschutzgesetz nun bewusst "verdeckt Informationsgebende" heißen. Einen maßlosen, zu vertrauensseligen Einsatz dieser Szene-Informanten dürfe es nicht geben, sagt Müller mit Blick auf den NSU-Komplex.

Stübgen hatte den bisherigen Chef des Verfassungsschutzes, Frank Nürnberger, kurz vor Weihnachten wegen fehlendem Vertrauen in den Ruhestand versetzt. Müller, bislang öffentlich völlig unbekannt, ist seit 2001 im Innenministerium und war auch im Verfassungsschutz. Zuletzt war er Chef des Leitungsbereichs im Ministerium. Er kenne sich aus und habe "stets hervorragende Leistungen vollbracht", sagte Stübgen.

Bildunterschrift: Jörg Müller, neuer Leiter des Verfassungsschutzes in Brandenburg.

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Thüringische Landeszeitung Online, 10.02.2020:

Sechs Jahre nach dem Neonazi-Überfall in Ballstädt

10.02.2020 - 12.20 Uhr

Ballstädt. Landtagsabgeordneter Bilay meint, das Verfahren gegen Neonazis verschleppt sich. Der Rechtsstaat macht sich unglaubwürdig.

Sechs Jahre sind seit dem brutalen Überfall von Neonazis auf eine Kirmesgesellschaft in Ballstädt vergangen, immer noch ist keiner der militanten Nazis in Haft. Das beklagt Sascha Bilay, Landtagsabgeordneter der Linken für die Region. "Das lange Verschleppen ist nicht nur frustrierend, es stellt eine zusätzliche Belastung für die Betroffenen dar, das Vertrauen in den Rechtsstaat nimmt erheblichen Schaden und Täter machen unbeeindruckt weiter", so Bilay

Etwa 15 Neonazis hatten in der Nacht vom 8. zum 9. Februar 2014 die Feier einer Kirmesgesellschaft im Gemeindesaal in Ballstädt brutal überfallen und dabei einige Personen mit Schlagwerkzeugen schwer verletzt. Im Mai 2017 hatte nach einem langwierigen Prozess die dritte Strafkammer des Landgerichts Erfurt zehn der 15 Angeklagten verurteilt, einen zu einer Bewährungsstrafe. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt, es ist derzeit vor dem Bundesgerichtshof anhängig.

"Das gesamte Verfahren war von Verzögerungen geprägt, während des Prozesses durch mangelnde Kooperation einzelner Behörden und auch danach, als Schriftstücke sehr spät ausgefertigt und übersandt wurden, was mitursächlich für die lange Revision ist", erinnert Bilay. Es könne kein "Weiter so" geben, diese Verfahrensabläufe müssen beschleunigt werden, um den Tätern klar zu machen, dass ihr Handeln Konsequenzen habe.

Bildunterschrift: Die Kirmesgesellschaft Ballstädt war im Februar 2014 im Kulturhaus versammelt, als eine Gruppe von Neonazis das Gemeindezentrum stürmte und zehn Menschen schwer verletzte.

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Welt Online, 10.02.2020:

Sonneberg: Maskierter mit Waffen und Hakenkreuz-Kleidung

10.02.2020 - 18.41 Uhr

Sonneberg (dpa/th). Bewaffnet, mit einer Sturmhaube maskiert und in Kleidung mit Hakenkreuzen und anderen verfassungswidrigen Aufdrucken ist ein Mann durch Sonneberg gelaufen. Beamte hätten den 39-Jährigen in der Nacht von Samstag auf Sonntag kontrolliert, teilte die Polizei am Montag mit. Dabei stießen sie unter anderem auf einen Baseballschläger, einen Schlagring, eine Softair-Waffe und Handschellen aus Stahl.

Die Sicherheitskräfte stellten die Waffen und die Kleidung mit den verfassungswidrigen Symbolen sicher. Ob der Mann der rechten Szene zuzuordnen ist, konnte eine Polizeimitarbeiterin auf Anfrage am Montagabend nicht sagen. Gegen den 39-Jährigen laufen laut Mitteilung nun mehrere Ermittlungsverfahren wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz und des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

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Mitteldeutscher Rundfunk, 10.02.2020:

Unbekannter zeigt Hitlergruß in Leipziger Straßenbahn

10.02.2020 - 14.05 Uhr

Ein etwa 30 Jahre alter Mann hat am Samstagabend in einer Leipziger Straßenbahn mehrfach den Hitlergruß gezeigt. Der Unbekannte stieg nach Polizeiangaben an der Haltestelle Connewitzer Kreuz in die Bahn der Linie 10 in Richtung Innenstadt. Das Staatsschutzdezernat ermittelt nun wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.

Die Polizei bittet um Hinweise

Zeugen, die den Vorfall beobachtet haben werden gebeten, sich bei der Kriminalpolizei Leipzig unter der (0341) 96646666 zu melden.

Strafbarkeit des Hitlergrußes

Der Hitlergruß ist laut § 86a und § 130 Strafgesetzbuch in allen seinen Variationen strafbar. Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Oldenburg ist das Zeigen des Hitlergrußes auch strafbar, wenn nur Aufmerksamkeit erregt und provozieren werden soll und dabei keine politischen Absichten verfolgt werden.

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Frankfurter Allgemeine Zeitung Online, 10.02.2020:

Frankfurter Polizei / Durchsuchungen bei rechtsextremer Szene auch zu Chat-Gruppe

10.02.2020 - 11.28 Uhr

Die Durchsuchungen bei der rechtsextremen Szene in Hessen standen auch im Zusammenhang mit den Ermittlungen zu einer Chat-Gruppe bei der Frankfurter Polizei.

Bei Durchsuchungen der rechtsextremen Szene in Hessen ist es unter anderem auch um die laufenden Ermittlungen zu einer Chat-Gruppe bei der Frankfurter Polizei gegangen. Es habe Durchsuchungen im Zusammenhang mit der Verwendung von Symbolen verfassungswidriger Organisationen gegeben, sagte eine Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft am Montag.

Ermittler waren vor mehr als einem Jahr auf eine Chat-Gruppe mit rechtsextremen Inhalten in einem Frankfurter Polizeirevier gestoßen, als sie Drohschreiben untersuchten, die an eine Frankfurter Rechtsanwältin gerichtet waren. Sie waren mit "NSU 2.0" unterzeichnet. Daten der Juristin, die im Verfahren gegen die rechtsextreme Terrorgruppe NSU eine Opferfamilie als Nebenkläger vertreten hatte, waren von einem Polizeicomputer abgerufen worden.

Am Freitag war bei Durchsuchungen bei der rechtsextremen Szene nach Angaben des hessischen Innenministeriums umfangreiches Beweismaterial sichergestellt worden. Bei dem von langer Hand geplanten Polizeieinsatz wurden auch zwei Haftbefehle vollstreckt. Unter anderem seien Waffen, Betäubungsmittel, Datenträger, rechtsextreme Devotionalien und andere Gegenstände sichergestellt worden.

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Hamburger Morgenpost Online, 10.02.2020:

Ehemaliges NPD-Mitglied / Braune Vergangenheit holt Harburger Tierschützer ein

10.02.2020 - 06.55 Uhr

Neu Wulmstorf. Er ist gegen Tierversuche, setzt sich für den Schutz von Wölfen und Haien ein und protestiert gegen den Handel mit Pelzen. Doch nun hat den EU-Politiker der Tierschutzpartei Martin Buschmann seine dunkle Vergangenheit eingeholt: Der 49-Jährige aus Neu Wulmstorf (Landkreis Harburg) hat verschwiegen, in den 90er Jahren Mitglied der rechtsextremen NPD gewesen zu sein.

Ende Januar war die braune Vergangenheit Buschmanns aufgeflogen. Der 49-Jährige räumte auf Facebook ein, zwischen 1992 und 1996 Mitglied der NPD gewesen zu sein. Begründung: "Ich hatte mich damals in eine Frau verliebt, die dort Mitglied war. Diese Partei agierte wie eine Sekte. Wenn man als junger Mensch erst einmal dabei ist, ist es schwer, den Gruppendynamiken standzuhalten."

Kurz darauf zog Buschmann die Konsequenz und zog sich mit sofortiger Wirkung aus der Linksfraktion des Europaparlaments zurück. Doch damit ist der Ärger noch nicht zu Ende.

Vorsitzende prüfen Ausschluss aus der Tierschutzpartei

Laut NDR 1 Niedersachsen prüfen die Vorsitzenden der Partei Mensch Umwelt Tierschutz, der Buschmann seit 2009 angehört, nun einen Parteiausschluss ihres Kollegen.

Buschmann selbst hat dem Sender schriftlich mitgeteilt, dass er nicht austreten wolle. Er wolle beweisen, dass er voll und ganz hinter den Zielen der Partei stehe.

Die Landesvorsitzende der Tierschutzpartei in Niedersachsen, Susanne Berghoff, hatte Buschmann aufgefordert, sein Mandat niederzulegen. Er habe Dinge verheimlicht, die er eigentlich hätte offenlegen müssen, um die Wähler nicht zu täuschen.

Auch außerhalb der Partei wird Buschmann scharf kritisiert. Die Konföderale Fraktion der Vereinten Europäischen Linken / Nordischen Grünen Linken (GUE / NGL) im Europaparlament sprach von einem "Vertrauensbruch". (ng)

Bildunterschrift: EU-Abgeordneter der Tierschutzpartei Martin Buschmann hat verheimlicht, Mitglied der rechtsextremen NPD gewesen zu sein (Symbolfoto).

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Neues Deutschland Online, 10.02.2020:

"Sie haben die Verstellung aufgegeben" / In der thüringischen CDU und FDP gibt es schon seit Jahren Verbindungen und Wechsel zu Rechtsaußen

10.02.2020 - 20.11 Uhr

Von Sebastian Bähr

Viele Beobachter zeigen sich derzeit erstaunt, dass weite Teile der thüringischen CDU und FDP bereit sind, mit Faschisten zu kooperieren. Dabei haben kritische Stimmen in den vergangenen Monaten nicht nur auf öffentliche strategische Überlegungen vom rechten bürgerlichen Rand und eine bereits stattfindende Zusammenarbeit auf kommunaler Ebene hingewiesen. Sie zeigten ebenso auf, dass CDU und FDP seit längerem auch über Netzwerke mit der "neuen Rechten" verbunden sind.

Auf eine hierbei in Thüringen wesentliche Personalie lenkte jüngst der Historiker Volker Weiss erneut die Aufmerksamkeit. Es geht um den führenden CDU-Landespolitiker Karl-Eckhard Hahn, der seit Anfang des Jahres Leiter des wissenschaftlichen Dienstes der CDU-Landtagsfraktion ist und zuvor Presse- und Regierungssprecher der Konservativen war. Bekannt wurde er vor allem als enger Vertrauter der ehemaligen Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht. Der gebürtige Hesse beteiligte sich aber auch an der Ausarbeitung des aktuellen CDU-Wahlprogramms und gilt ebenso als Berater des Landesvorsitzenden Mike Mohring. Hahn hat trotz seiner steilen Karriere eine problematische Vita - sein Lebenslauf ist geprägt von Brücken nach rechts außen.

Schon als Student gehörte der als fleißig geltende Politiker der Deutschen Gildenschaft an, einer elitär-völkischen Studentenverbindung. Vordenker der neuen Rechten wie Karlheinz Weißmann und Götz Kubitschek waren hier ebenfalls organisiert. Hahn beteiligte sich in dieser Zeit an rechten Zeitschriftenprojekten wie "Phönix", "Fragmente 75" oder "Etappe". Gemeinsam mit Weißmann verfasste er einen Text, in dem sich beide positiv auf einen "unbedingten Antiliberalismus" und ein "unmissverständliches Bekenntnis zur Nation als der zentralen Bezugsgröße unserer heutigen Identität" bezogen. Nach Recherchen des antifaschistischen Fachmagazins "Der Rechte Rand" kritisierte der Autor in seinen Beiträgen unter anderem die "Reeducation", eine "totale Nationenvergessenheit" und eine "bußfertige Geschichtsschreibung". Laut "Spiegel" lag der "Phönix" klar "auf Neonazi-Kurs".

Hahn distanzierte sich von seiner Vergangenheit, schrieb jedoch auch weiterhin umstrittene Texte. Anfang Februar, noch vor der Wahl des FDP-Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich mit den Stimmen der AfD, verteidigte Hahn genau diese strategische Option in einem Beitrag für das Debattenmagazin "The European". Das Kabinett eines hypothetisch so gewählten FDP-Ministerpräsidenten "stünde im Parlament vor keiner größeren oder kleineren Herausforderung als jedes andere Minderheitskabinett auch", hieß es. Ein solcher Regierungschef hätte demnach "keine geringere demokratische Legitimation als ein Ministerpräsident Bodo Ramelow". Die Linkspartei würde im Vorfeld eine Gefahr beschwören, "die es gar nicht gibt".

2013 gab es schon mal eine Kontroverse um Hahns Biografie. Ramelow hatte den CDU-Politiker damals noch verteidigt. Nach der Wahl von Kemmerich übte der geschasste Ministerpräsident nun jedoch öffentliche Kritik: "Sie sind wieder in Ihrer eigenen Vergangenheit angekommen oder haben einfach nur die Verstellung aufgegeben", schrieb Ramelow auf Twitter.

Neben Hahn stehen zwei weitere Politiker in Thüringen für einen fließenden Übergang von der bürgerlichen in die völkische Welt: der AfD-Abgeordnete und -Pressesprecher Torben Braga und der AfD-Geschäftsführer Falk Illing. Braga war von 2012 bis 2015 Mitglied der FDP, danach trat er in die AfD ein und wurde Sprecher des thüringischen Landesverbandes. Braga fungierte früher als Presseverantwortlicher der teilweise extrem rechten "Deutschen Burschenschaft". Er vertrat in dieser Funktion einen klar völkischen Standpunkt: "Wenn jemand sich zu Deutschland bekennt und deutscher Abstammung ist, kann er bei uns aufgenommen werden." Braga organisierte sich zudem in der Burschenschaft Germania Marburg, die Anfang 2015 die "Reichsgründung" feierte.

Der Politikwissenschaftler Falk Illing war wiederum bis 2014 FDP-Mitglied und für die sächsische FDP Berater für die Themen Umwelt und Landwirtschaft, Soziales, Gesundheit und Verbraucherschutz. Er promovierte bei dem Politikwissenschaftler Eckhard Jesse, der als prägende Kraft hinter der so genannten Extremismus-Theorie gilt. 2015 wechselte Illing zur AfD. Der Sprung von der FDP zu einer im Kern völkischen Partei war für beide Politiker offenbar nicht allzu groß.

Bildunterschrift: Protest gegen CDU und FDP in Erfurt.

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MiGAZIN, 10.02.2020:

AfD-Neujahrsempfang / Tausende demonstrieren in Münster gegen Nazis

Blockaden vor dem Münsteraner Rathaus: Das Bündnis "Keinen Meter den Nazis" hatte zu Protesten gegen Rechtsextremismus und den Neujahrsempfang der AfD-Ratsfraktion aufgerufen. Tausende kamen zusammen.

Mehrere tausend Menschen haben am Freitagabend in Münster gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit demonstriert. Die Demonstration vor dem Münsteraner Rathaus am Prinzipalmarkt verlief nach Einschätzung der Polizei grundsätzlich friedlich, mit vereinzelten Zwischenfällen. An den Protesten nahmen laut Polizei 4.000 Menschen teil, die Veranstalter vom Bündnis "Keinen Meter den Nazis" zählten rund 10.000 Teilnehmer. Anlass für die Demonstration war der Neujahresempfang der AfD-Ratsfraktion.

"Teilnehmer des Neujahrsempfangs wurden von einigen Versammlungsteilnehmern auf dem Weg zur Veranstaltung bedrängt, bespuckt und beleidigt", erklärte der Einsatzleiter Martin Mönnighoff. "Die Beamten leiteten diesbezüglich Ermittlungsverfahren ein, zudem fertigten sie eine Anzeige wegen Beleidigung zum Nachteil eines Polizisten und sprachen drei Platzverweise aus."

Die Veranstalter hatten vor der Demonstration zum zivilen Ungehorsam aufgerufen und die Devise "Wir blockieren" ausgegeben. An den Eingängen zum Neujahrsempfang drängten sich Demonstranten deshalb dicht an dicht. Polizisten mussten mit körperlichem Einsatz ein Spalier frei sperren. Polizeisprecher Andreas Bode widersprach Vorwürfen der AfD, wonach die Beamten nicht ausreichend für einen ungehinderten Zugang zum Empfang gesorgt hätten. "Jedem, der zur Veranstaltung will, haben wir das auch ermöglicht", sagte er.

Leere Plätze beim Empfang

Im Rathausfestsaal blieben erkennbar viele Plätze leer. Mit 250 geladenen Gästen hatte die AfD gerechnet, gekommen waren rund 150. Die Veranstalter der Proteste werteten dies als Erfolg ihrer Strategie: "Unsere Blockaden waren ein Erfolg", sagte Bündnissprecherin Liza Schulze-Boysen. "Die angestrebte Normalisierung des Neujahrsempfangs ist der AfD auch dieses Mal nicht gelungen."

Die Rednerinnen und Redner auf der Demonstration bezeichneten die AfD als rückwärtsgewandte Partei, die keine Antworten auf die drängenden Fragen der Zukunft habe. Es sei lächerlich, wenn sie versuche, sich als Partei der kleinen Leute aufzuspielen, erklärte Volker Nicolai vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) im Münsterland. In den Betrieben hetze sie gegen die DGB-Gewerkschaften und habe ein rückwärtsgewandtes Frauenbild, was die Frau am liebsten wieder am heimischen Herd sehe.

Protest hat Tradition

Die Redebeiträge distanzierten sich durchweg von der Wahl Thomas Kemmerichs (FDP) zum Ministerpräsidenten Thüringens mit Hilfe der AfD. Das sei nicht nur ein Tabubruch gewesen, sondern mit Absicht passiert und möglicherweise geplant, hieß es.

Der AfD-Neujahrsempfang und die Proteste dagegen haben in Münster inzwischen Tradition. Mit CDU, SPD, Grüne, FDP und der Linken hatten fast alle übrigen Parteien, die im Rat der Stadt Münster vertreten sind, in diesem Jahr erstmals gemeinsam zur Demonstration aufgerufen. Beim ersten Protest gegen den AfD-Neujahrsempfang im Februar 2017 war Frauke Petry noch Vorsitzende der Partei. 2017 und 2019 waren je rund 8.000 Demonstranten gegen die AfD auf die Straße gegangen. (epd/mig)

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MiGAZIN, 10.02.2020:

Rücktritte / Personelle Konsequenzen nach Thüringer Ministerpräsidentenwahl

Die Nachbeben der Ministerpräsidentenwahl in Thüringen haben am Wochenende zu personellen Konsequenzen geführt. Der mit den Stimmen der AfD ins Amt gewählte FDP-Politiker Kemmerich trat zurück. Auch der Ost-Beauftragte muss seinen Hut nehmen.

Die Ministerpräsidentenwahl in Thüringen mit Stimmen der AfD hat personelle Konsequenzen gefordert. Nach drei Tagen im Amt trat Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP) am Samstag mit sofortiger Wirkung zurück. Er bleibt aber bis zur Wahl eines neuen Ministerpräsidenten geschäftsführend im Amt. Auch der Ost-Beauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), muss auf Druck von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sein Amt aufgeben. Die Spitzen der großen Koalition in Berlin mahnten bei einem Krisentreffen die umgehende Wahl eines neuen Ministerpräsidenten an. Auch sollten baldige Neuwahlen angestrebt werden.

Regierungsbildungen und politische Mehrheiten mit Stimmen der AfD würden ausgeschlossen, hieß es in einer nach der Sitzung verbreiteten Erklärung. Die Thüringer Landtagspräsidentin Birgit Keller (Linke) bestätigte am Samstagabend den Eingang der Rücktrittserklärung Kemmerichs. Aufgabe der demokratischen Abgeordneten sei es nun, den Menschen verloren gegangenes Vertrauen in die Demokratie zurück zu geben, mahnte sie. Über das weitere Verfahren werde in den kommenden Tagen entschieden.

Kemmerich erklärte, sämtliche aus dem Amt entstehenden Bezüge an die Staatskasse zurückzugeben. Nach Medienberichten hätten ihm nach seiner Wahl mit Übergangsgeldern bis zu 93.000 Euro zugestanden.

Mit Stimmen der AfD gewählt

Kemmerich war zur Wochenmitte zum Nachfolger des Linken-Politikers Bodo Ramelow im Amt des thüringischen Ministerpräsidenten gewählt worden. Im dritten Wahlgang hatte er mit Unterstützung von CDU und AfD 45 Stimmen erhalten, eine Stimme mehr als Ramelow. Ramelow hatte sich zur Wiederwahl mit einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung gestellt.

Wegen der heftigen politischen Reaktionen hatte Kemmerich schon am Folgetag erklärt, eine Auflösung des Landtags anzustreben. Dazu bräuchte es die Unterstützung von einem Drittel der 90 Abgeordneten und anschließend eine Mehrheit von zwei Dritteln. Der Landesvorstand der Thüringer SPD forderte am Samstag erneut sofortige Neuwahlen.

Ost-Beauftragte verliert Amt nach Tweet

Schon vor dem Treffen der Koalitionsspitzen in Berlin hatte auch der Ost-Beauftragte der Bundesregierung seinen Amtsverzicht erklärt. Er war in die Kritik geraten, weil er dem Wahlsieger Kemmerich im Kurznachrichtendienst Twitter als "Kandidaten der Mitte" gratuliert hatte.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bat den Bundespräsidenten um die Entlassung des 43-jährigen CDU-Politikers. Dieser twitterte: "Frau Bundeskanzlerin Merkel hat mir in einem Gespräch mitgeteilt, dass ich nicht mehr Beauftragter der Bundesregierung für die Neuen Länder sein kann. Ihrer Anregung folgend, habe ich daher um meine Entlassung gebeten." Der 1976 in Thüringen geborene Hirte war seit März 2018 als Parlamentarischer Staatssekretär Beauftragter der Bundesregierung für die neuen Bundesländer.

Spitzenpolitiker von SPD und Linken reagierten mit Genugtuung auf die Entlassung des Ost-Beauftragten. SPD-Chefin Saskia Esken twitterte, für ihre Partei wäre der Verbleib Hirtes im Amt "nicht tragbar gewesen". Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte: "Wer Kemmerich zur Wahl gratuliert, der hat im Geschichtsunterricht nicht aufgepasst. Und er hat deshalb in der Bundesregierung nichts zu suchen." (epd/mig)

Bildunterschrift: Landtag Thüringen (Archiv).

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