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13 Artikel , 15.12.2019 :

Pressespiegel überregional

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Übersicht:


Südtirol News, 15.12.2019:
"Volk der Sardinen" traf sich auf der zentralen Piazza San Giovanni / Antipopulistische Sardinen demonstrierten in Rom

Neue Westfälische am Sonntag, 15.12.2019:
Neue Vorwürfe gegen Strache / Fotos von Sporttaschen voller Geld belasten Österreichs Ex-Vizekanzler

Jüdische Allgemeine Online, 15.12.2019:
Esther Bejarano / Die etwas andere Rapperin

Zweite Deutsche Fernsehen, 15.12.2019:
Holocaust-Überlebende mahnt - "Junge Menschen dürfen nicht schweigen"

haGalil onLine, 15.12.2019:
Auf das Leben! Esther Bejarano feiert ihren 95sten Geburtstag

Mitteldeutsche Zeitung Online, 15.12.2019:
Anzeige wegen Volksverhetzung / Polizei löst rechtsextreme Musikveranstaltung auf

Braunschweiger Zeitung Online, 15.12.2019:
Polizei beendet Neonazi-Konzert in Bad Harzburg

Frankenpost Online, 15.12.2019:
Rehau / Leben unter ständiger Bedrohung

Zeit Online, 15.12.2019:
Sachsen-Anhalt: CDU-Politiker Robert Möritz verlässt Verein Uniter

die tageszeitung Online, 15.12.2019:
Koalitionskrise in Sachsen-Anhalt / Versagen mit Nazi-Tattoo

Aachener Zeitung Online, 15.12.2019:
Koalitionskrise in Magdeburg / Extremismus-Vorwürfe gegen CDU-Kreis-Politiker

Neue Westfälische am Sonntag, 15.12.2019:
CDU-Politiker bei Neonazi-Demo

Stuttgarter Zeitung Online, 15.12.2019:
AfD-Landtagsfraktion / Gögel geht auf AfD-Hardliner zu

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Südtirol News, 15.12.2019:

"Volk der Sardinen" traf sich auf der zentralen Piazza San Giovanni / Antipopulistische Sardinen demonstrierten in Rom

15.12.2019 - 04.50 Uhr

Zehntausende Menschen sind am Samstag in Rom gegen den Rechtspopulismus auf die Straße gegangen. Das "Volk der Sardinen", die vor wenigen Wochen in Bologna gegründete Anti-Populisten-Bewegung, versammelte sich auf der in Rom zu seiner ersten Kundgebung in der italienischen Hauptstadt.

Als "Antikörper gegen den Populismus" bezeichneten sich die Demonstranten, die mit Sardinen aus Karton in der Hand und Plakaten Slogans gegen Rassismus und Antisemitismus skandierten. Auf der vor der Lateranbasilika aufgestellten Bühne wechselten sich einige Gründer der im November in Bologna spontan entstandenen Bewegung als Redner ab und verlasen Auszüge aus der italienischen Verfassung.

"Wir wollen eng wie Sardinen zusammenrücken, um zu verhindern, dass Populismus in Italien noch mehr Fuß fasst. Auf Hass und Intoleranz reagieren wir mit Kampf gegen Diskriminierung, mit Beteiligung auf den Plätzen, mit Kreativität und Fantasie", betonte Mattia Santori, Gründer der Bewegung, in einer Ansprache auf der Bühne der Piazza San Giovanni, einem traditionellen Kundgebungsort der Gewerkschaften und italienischen Linken. Santori meinte, die Bewegung habe ihr Ziel erreicht. "Wir wollten die Piazza San Giovanni füllen und wir haben es geschafft", sagte er.

Keine Parteisymbole, keine Fahnen: Die "Sardinen" schwenkten ihre selbst gebastelte Fische aus Karton oder Blech, setzten auf Witze gegen die rechtspopulistische Lega und sangen die italienische Nationalhymne sowie das Partisanenlied "Bella ciao". Junge und ältere Demonstranten, Römer und aus verschiedenen italienischen Städten angereiste Teilnehmer beteiligten sich an der Kundgebung.

Santori stellte die politischen Ziele der Bewegung vor. Priorität sei die Abschaffung der von Ex-Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini im Parlament durchgesetzten "Sicherheitspakete", die schwere Strafen für Rettungsschiffe vorsehen, die ohne Genehmigung einen italienischen Hafen anlaufen. Die Bewegung forderte, dass Regierungsvertreter nur über offizielle Kommunikationskanäle ihre Mitteilungen veröffentlichen und keine Propaganda in Sozial-Netzwerken betreiben. Politik müsse im Umgang mit Sozial-Medien transparent sein. Politik dürfe nicht mit Marketingmethoden betrieben werden, forderte Santori.

Zu den Redner auf der Bühne zählte auch der Arzt von Lampedusa, Pietro Bartolo, der mit seinem Slogan "Bleiben wir menschlich" bekannt geworden ist. Er verkündete einen Appell gegen Ausländerfeindlichkeit und für die Flüchtlingsaufnahme in Italien.

Zu den Organisatoren gehörten auch Migranten, die die Parole der Lega, "Die Italiener zuerst", entschieden ablehnen. Einer von ihnen ist der 44-jährige, aus Kenia stammende Journalist Stephen Ogongo, der seit 25 Jahren ohne italienische Staatsbürgerschaft in Rom lebt. Er zählt zu den Anführern der Sardinen in der Hauptstadt.

Die Kundgebung in Rom gilt als "Reifeprüfung" für die Bewegung, die seit ihrer Gründung Mitte November bereits 113 Flash Mobs in verschiedenen italienischen Städten organisiert hat. Laut Santori wird nach der Demonstration in der Hauptstadt für die "Sardinen" die "Phase zwei" beginnen. "In der ersten Phase wollten wir sehen, wie viele Menschen sich uns anschließen. In Phase zwei wollen wir überlegen, wie wir diese Energien, die wir hervorgerufen haben, verwenden können, um eine Politik vorzuschlagen, die seriös, aber auch attraktiv sein kann", meinte Santori.

Am Sonntag ist ein Treffen der Aktivisten verschiedener Städte geplant, um eine Struktur und eine Strategie zu bestimmen. "Wir wollen dabei ein Dutzend Punkte festlegen, um unsere Identität zu strukturieren und uns vor Instrumentalisierung durch andere Gruppierungen zu schützen", meinte der 32-jährige Santori.

Überraschend ist für den in Wirtschaftswissenschaften promovierten Sporttrainer der Erfolg der "Sardinen" im Ausland. Viele Auslandsitaliener versammelten sich am Samstag in Brüssel, Paris und Wien, um ihre Ablehnung gegenüber Populismus und Rassismus auszudrücken.

Fotos und Videos auf Sozialen Medien von der Kundgebung bei der Wiener Staatsoper zeigten eine rege Beteiligung an der Demonstration am Samstagnachmittag. Zahlen der Polizei zur Teilnahme lagen zunächst nicht vor.

Nur eine Handvoll Studenten hat die Welle der Sardinen Mitte November in Gang gesetzt. Vier Freunde aus Bologna, darunter Santori, riefen Bekannte zur Mobilisierung gegen Lega-Chef Matteo Salvini auf, der in der norditalienischen Region Emilia Romagna den Wahlkampf für die Regionalwahlen am 26. Jänner 2020 startete. Die Bewegung schreibt sich nicht nur den Kampf gegen Populismus auf die Fahnen. Sie hat auch eine ökologische und sozialrechtliche Dimension.

Salvini reagierte gelassen auf die Großkundgebung in Rom. Es sei zwar unüblich, dass man gegen eine Oppositionspartei demonstriere, aber jegliche demokratische Demonstration sei willkommen, sagte der Ex-Innenminister. (apa)

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Neue Westfälische am Sonntag, 15.12.2019:

Neue Vorwürfe gegen Strache / Fotos von Sporttaschen voller Geld belasten Österreichs Ex-Vizekanzler

Wien. Der Krimi um den ehemaligen österreichischen Vize-Kanzler und Vorsitzenden der rechten FPÖ, Heinz-Christian Strache, hat ein neues Kapitel bekommen. Nun geht es um bündelweise Bargeld in einer Sporttasche, um angeblich sehr laxe Spesenabrechnungen und eine Klage, die auf Korruption hindeutet. Zudem gibt es Berichte über sehr eigenwillige Notfallvorsorge Straches.

Über die neuen Details berichten "Süddeutsche Zeitung" und "Spiegel": Demnach hat ein Leibwächter Straches in den Jahren 2013 und 2014 Fotos von dicken Bargeldbündeln in einer Designer-Sporttasche und in einem Rucksack gemacht, offenbar in einem Auto, das dem Dienstwagen Straches gleicht. Als Standorte der Aufnahmen seien der Wiener Rathausplatz neben der FPÖ-Geschäftsstelle identifiziert worden sowie eine Position am Wörthersee, wo Strache am Tag der Fotoaufnahme eine Rede gehalten habe. Es scheint sich offenbar um mehrere zehntausend Euro zu handeln. Auf einem Bild sind zudem Schuhe zu erkennen, die Straches Schuhen gleichen.

Der "Spiegel" zitiert einen Anwalt des Leibwächters, dass "sowohl der Rucksack als auch die Sporttasche jeweils von Herrn Strache in das Auto gelegt wurden".

In einem anonymen Schreiben an die Wiener Staatsanwaltschaft heiße es: "Strache hat bereits vor 2015 regelmäßig Sporttaschen mit hohen Summen Bargeld erhalten." Die Zuwendungen stammten von "Kräften aus dem osteuropäischen Ausland".

Zudem hat ein Kaufmann namens Ernst Neumayer auf die Zahlung von zwei Millionen Euro geklagt, weil er dem mittlerweile wieder ehemaligen Parlamentarier Thomas Schellenbacher ins Parlament verholfen haben will. Schellenbacher soll laut "Spiegel" ukrainische Hintermänner haben.

In der Partei sei Strache für großzügigen Umgang mit Spesen bekannt gewesen, schreibt der "Spiegel" weiter.

Strache selbst meldete sich auf Facebook: "Niemals habe ich Sporttaschen mit Geld in meinem Auto gehabt, sondern wenn mit durchgeschwitzter Sportwäsche." Den Verdacht des Spesenbetrugs weist er von sich.

SZ und Spiegel schreiben weiter: Strache habe aus Angst vor Bargeld-Abschaffung Goldmünzen gehortet, sowie Benzin für Notfälle. Er habe auch Pläne geschmiedet für den Fall einer NATO-Invasion Österreichs.

Der einstige Vizekanzler Strache hatte seine Ämter verloren, nachdem ein Video bekannt geworden war, auf dem er in einer Villa auf der Ferieninsel Ibiza einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte Staatsaufträge in Aussicht stellt. Zuletzt wurde Strache aus der FPÖ ausgeschlossen. Gegen ihn wird wegen des Verdachts der Untreue ermittelt.

Bildunterschrift: Nach der Ibiza-Affäre gibt es erneut schwere Vorwürfe gegen den ehemaligen Chef der rechtspopulistischen FPÖ Heinz-Christian Strache.

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Jüdische Allgemeine Online, 15.12.2019:

Esther Bejarano / Die etwas andere Rapperin

15.12.2019 - 13.39 Uhr

Die Zeitzeugin feiert ihren 95. Geburtstag

Die Holocaust-Überlebende Esther Bejarano ist am Sonntag 95 Jahre alt geworden.

Das sei ein Grund, für eine solidarische, friedliche Welt ohne Rassismus und Antisemitismus zu feiern, teilte das Auschwitz-Komitee, dessen Vorsitzende die Jubilarin ist, am Sonntag mit.

Band

Bejarano tritt als Friedenkämpferin und Antifaschistin regelmäßig mit ihrer Band "Microphone Mafia" auf, vor allem vor Schülern.

Bejarano wurde 1924 in Saarlouis geboren. 1943 wurde sie in das Konzentrationslager Auschwitz-Birkenau deportiert und spielte dort im Mädchenorchester.

Später zwangen die Nazis sie, auf einen der so genannten Todesmärsche zu gehen, bei dem sie fliehen konnte. Bejarano lebt in Hamburg.

Die Künstlerin besucht seit über 30 Jahren unter anderem Schulen und führt Zeitzeugengespräche mit Jugendlichen. 2012 erhielt sie das Große Bundesverdienstkreuz. (epd, kna)

Bildunterschrift: Esther Bejarano.

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Zweite Deutsche Fernsehen, 15.12.2019:

Holocaust-Überlebende mahnt - "Junge Menschen dürfen nicht schweigen"

15.12.2019 - 13.38 Uhr

Von Ralf Zimmermann von Siefart, Hamburg

Sie wollte noch den Prozess gegen den ehemaligen KZ-Wachmann Bruno D. erleben. Esther Bejarano hat Auschwitz überlebt und engagiert sich seit Jahren gegen Rechts. Auch mit 95 noch.

Es war ein schwerer Gang für die fast 95-jährige alte Dame. Als sie vor einigen Tagen im Hamburger Landgericht den Saal 300 betrat, wusste sie natürlich schon, wie schwer die kommenden Stunden für sie werden sollten. Angeklagt ist hier der ehemalige SS-Angehörige 93-jährige Bruno D., der sich als einer der vermutlich letzten NS-Täter vor Gericht verantworten muss. Als 17-Jähriger wurde er als Wachmann in das Konzentrationslager Stutthof bei Danzig kommandiert und bewachte dort mit der Waffe in der Hand die Lagerinsassen.

"Der kann doch nicht behaupten, dass er nichts gewusst und nichts gesehen hat, das ist doch unmöglich. Wer dort war, der hat das alles gesehen. Furchtbar!"

So sagt es Esther Bejarano, die das Grauen in Auschwitz und später auch im KZ Ravensbrück selbst erleben musste.

Esther Bejarano war 18, als sie nach Auschwitz kam. Für sie war es das Schwerste überhaupt, für die Lagerinsassen Musik zu machen und "als die SS sich dann noch einfallen ließ, dass wir spielen müssen, wenn neue Transporte kommen, die für die Gaskammern bestimmt waren. Und wie die Leute uns zugewunken haben aus den Zügen und gedacht haben, wo Musik spielt, da kann es ja nicht so schlimm sein. Das war das Schlimmste, was mir passiert ist."

Esther Bejarano, Jahrgang 1924, wuchs zunächst im Saarland auf, bevor sie 1943 in das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz deportiert wurde. Sie spielte das Akkordeon im so genannten Mädchenorchester und entging wohl nur deshalb den Gaskammern der Nazis. Anders als ihre Eltern und ihre gerade erst verheiratete Schwester Ruth, die grausam getötet wurden. Nur, weil sie Juden waren, oder "Halbjuden", wie es im Nazi-Jargon hieß.

"Nie Wieder"

Esther Bejarano kann es nicht fassen, dass ein Dreivierteljahrhundert nach der Nazi-Diktatur wieder Anschläge gegen Juden und jüdische Einrichtungen - wie jüngst in Halle - Realität sind. Fast 75 Jahre ist es jetzt her, dass auch Esther Bejarano durch die Alliierten befreit wurde. Sie wanderte nach Israel aus, kam mit ihrem israelischen Mann nach Deutschland zurück und lebt nun schon lange als Witwe in Hamburg, ihren Sohn und ihre Tochter in der Nähe. Aber sie, die alte, kleine Dame ist zeitlebens die Kämpferin geblieben, zu der sie bereits als junge Frau unter der Nazi-Herrschaft wurde.

Das eigene Schweigen brechen

Seitdem hat sie viel getan, hat ihr eigenes Schweigen, auch gegenüber ihren Kindern, gebrochen. Und alles erzählt, was sie erlebt hat. Ist in Schulen gewesen, hat junge Menschen auch als Sängerin mit der "Microphone Mafia" erreicht, einer Rapper-Band, mit der sie nun schon seit Jahren Front macht gegen Neonazis und Rechtsextremismus. Auch mit dem Auschwitz-Komitee und mit der Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes (VVN-BdA) macht sie immer wieder auf die Gefahren von Rechts aufmerksam.

Über Rechtspopulismus und über offenen oder versteckten Rassismus und Rechtsextremismus heutzutage, so Esther Bejarano, dürfe nicht wieder geschwiegen werden.

Ralf Zimmermann von Siefart leitet das ZDF-Studio in Hamburg.

Bildunterschrift: Esther Bejarano ist dem Grauen des KZ Ausschwitz entkommen und lebt heute in Hamburg. Im ZDF-Interview warnt sie eindringlich vor dem Erstarken rechter Parteien in Deutschland.

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haGalil onLine, 15.12.2019:

Auf das Leben! Esther Bejarano feiert ihren 95sten Geburtstag

Im Jahr 2009 klingelt bei der Auschwitz-Überlebenden Esther Bejarano das Telefon. Ein junger Mann erzählt ihr etwas von einem Musik-Projekt. Und von der Mafia. Die couragierte Esther ist verunsichert: mit der Mafia möchte sie nichts zu tun haben. Das Missverständnis klärt sich schnell: Kutlu Yurtsever, ein engagierter linker Rapper der Kölner Gruppe Microphone Mafia bittet um eine Zusammenarbeit. Seitdem steht die betagte Antifaschistin und ausgebildete Musikerin regelmäßig auf der Bühne. Am 15. Dezember 2019 feiert die nunmehr auch durch zahlreiche Talkshows sehr bekannte Zeitzeugin ihren 95sten Geburtstag …

Von Stefan E. Hößl und Roland Kaufhold

Anfänge: Esther Loewy wird am 15. Dezember 1924 in Saarlouis als Tochter von Margarethe und Rudolf Loewy in eine sehr musikalische, jüdische Familie geboren. Bei ihren Auftritten als Zeitzeugin, aber auch in ihren autobiographischen Schriften erinnert sie sich an eine behütete, unbeschwerte und glückliche Kindheit. Dieses Glück hielt jedoch nicht lange an: Antisemitische Beleidigungen und Bedrohungen prägten zunehmend den Alltag von Esther und den ihrer Familie. 1935 übernahmen die Nationalsozialisten die Regierungsgewalt im Saarland und gliederten es ins Deutsche Reich ein. An den 9. November 1938 erinnert sich Esther als großen Schock: Ihr Vater, Veteran des Ersten Weltkriegs, Träger des Eisernen Kreuzes und deutscher Patriot, wird verhaftet und verbringt mehrere Tage im Gefängnis; andere jüdische Männer werden nach Dachau deportiert; ihre Schwester und andere werden fürchterlich zusammengeschlagen. Anfänglich vertraute ihr Vater noch auf seine Auszeichnung als Soldat, 1938 ist klar, dass es für die Familie im nationalsozialistischen Deutschland keine Zukunft gibt.

Emigrationspläne in die Schweiz scheiterten, weil Rudolf Loewy als "Halbjude" galt. In Berlin besucht Esther eine Jugend-Aliah-Schule, die sie für die Emigration nach Palästina vorbereitet. Ihrer Schwester Tosca gelingt die Auswanderung nach Palästina, Esther jedoch nicht. Sie wird zur Zwangsarbeit gezwungen. Im November 1941 werden ihre nach Litauen verschleppten Eltern ermordet, was sie jedoch erst nach 1945 erfährt.

Am 20. April 1943 wird die 18jährige Esther nach Auschwitz verschleppt, ihr wird die Nummer 41948 auf den Arm tätowiert. Auge in Auge mit Mord, Kälte, Krankheiten, Zwang, Mangelernährung und Gewalt erscheint ihre Lage aussichtslos. Eines Tages wird sie jedoch von Zofia Czajkowska gefragt, ob sie eine Musikerin sei. Sie stellte in Auschwitz ein Mädchenorchester zusammen und suchte eine Akkordeonspielerin. Esther, die in ihrer Jugend leidenschaftlich gerne gesungen und Klavier, aber nie Akkordeon gespielt hatte, lügt und äußert, dass sie auch dieses Instrument beherrsche. Durch die Übertragung ihrer Erfahrungen mit dem Klavierspielen gelingt es ihr, die richtigen Töne zu erzeugen. "Das war wie ein Wunder", schreibt sie in ihrer Autobiographie. Jeden Tag muss sie fortan mit dem Orchester in Auschwitz spielen. "Wenn neue Transporte ankamen, die für die Gaskammer bestimmt waren, mussten die Musikantinnen am Tor stehen und Musik machen" erinnert sie sich in ihren 2013 erschienenen Erinnerungen. "Als die Menschen in den Zügen an uns vorbeifuhren und die Musik hörten, dachten sie sicher, wo Musik spielt, kann es ja so schlimm nicht sein. Was für eine schreckliche psychische Belastung war das für das Orchester!"

Im November 1943 wird Esther nach Ravensbrück verschleppt und zur Zwangsarbeit gezwungen. 1945 gelingt ihr auf einem Todesmarsch die Flucht - und sie überlebt. Nach der Befreiung Deutschlands ist es ihr trotz zahlreicher Widrigkeiten möglich, im August 1945 nach Palästina zu emigrieren, wo sie bereits von ihrer Schwester Tosca erwartet wird. Am 15. September kommt sie an Deck des Schiffes Mataroa in Haifa an.

Zeitweilig arbeitet sie als Kinderpflegerin, absolviert ein Gesangsstudium und engagiert sich als Musikerin in einem mehrheitlich kommunistisch beziehungsweise sozialistisch orientierten Arbeiterchor. Ende der 1940er Jahre lernt sie Nissim Bejarano kennen, den sie 1950 heiratet, den Vater ihrer beiden Kinder Edna (1951) und Joram (1952). Mit beiden steht Esther, gemeinsam mit ihren Freunden von der Microphone Mafia, bis heute auf der Bühne.

Nach den Erfahrungen im Israelischen Unabhängigkeitskrieg und im Sinai-Krieg, die ihre tiefe Aversion gegenüber jeglichem Krieg verstärkten, sowie vor dem Hintergrund, dass sie die Hitze dieser Wüstenregion nicht vertrug, fiel die Entscheidung, den Staat Israel zu verlassen. Im Jahr 1960 war es soweit und die Familie migrierte - und trotz aller Bedenken, nach all dem Erlebten gerade wieder nach Deutschland zu ziehen, ließ sie sich letzten Endes in Hamburg nieder. Über ihre traumatischen Erlebnisse vermochte Esther lange nicht zu sprechen.

Nach und nach beginnt sie wieder zu musizieren. Auch ihre Tochter Edna wird Musikerin, Anfang der 1970er Jahre steht sie als Sängerin mit der Rockgruppe "The Rattles" auf der Bühne. Mehr und mehr wird es Esther möglich, über ihre Erfahrungen in Auschwitz zu sprechen. Sie engagiert sich politisch in linken Zusammenhängen, auch im Umfeld der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) und für die Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes - Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA). Als Zeitzeugin tritt sie unzählige Male in Schulen auf - bis zum heutigen Tag. Dabei wendet sie sich mit den Worten "Ihr habt keine Schuld an dieser Zeit. Aber ihr macht euch schuldig, wenn ihr nichts über diese Zeit wissen wollt" an Schülerinnen und Schüler.

1989 erscheint ihr Buch "Man nannte mich Krümel. Eine jüdische Jugend in den Zeiten der Verfolgung". Esther wird nun immer wieder zu Lesungen eingeladen. Sie wird zu einer Person des öffentlichen Lebens, spricht im Bundestag, tritt in Filmen auf, erhält zahlreiche Auszeichnungen für ihr Engagement. 1986 gehört sie zu den Mitbegründern des "Auschwitz-Komitee in der Bundesrepublik Deutschland e.V.". Immer wieder warnt sie vor dem Wiedererstarken rechter Kräfte in Deutschland und beteiligt sich auch als betagte Dame an antifaschistischen Demonstrationen. 2013 erscheinen ihre "Erinnerungen" in Buchform. Die Autobiographie trägt den Untertitel "Vom Mädchenorchester in Auschwitz zur Rap-Band gegen Rechts". Diese Rap-Gruppe, die Microphone Mafia, begeistert sie vor allem deshalb, weil sich hier Menschen mit sehr unterschiedlichen Hintergründen gemeinsam gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus positionieren. Bei ihren Auftritten mit dem türkischstämmigen Kutlu Yurtseven und dem italienischstämmigen Rossi Pennino betont Esther so immer wieder, wie großartig sie es findet, dass eine Jüdin, ein Moslem und ein Christ gemeinsam auf der Bühne stehen, zusammen Musik machen und ein sie verbindendes Ziel verfolgen. Seit vielen Jahren sind die drei freundschaftlich verbunden, obwohl Esther zugibt, dass sie Rap eigentlich nicht wirklich mag, er ist ihr zu laut. In den letzten Jahren ist die vitale Antifaschistin für ihr Engagement vielfältig geehrt worden. So verlieh zum Beispiel die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit ihr und ihrer Rap-Gruppe im Jahr 2014 den Giesberts-Lewin-Preis.

Nachdem vor Kurzem die Pläne des Bundesfinanzministers Olaf Scholz bekannt wurden, dass der VVN-BdA die Anerkennung der Gemeinnützigkeit entzogen werden soll, schrieb sie einen sehr emotionalen Brief und betonte: "Das Haus brennt - und Sie sperren die Feuerwehr aus!" Dass Esther Bejarano auch noch mit über 95 Jahren gemeinsam mit ihren Kindern und ihren ein halbes Jahrhundert jüngeren Freunden der Microphone Mafia auf der Bühne stehen wird, davon kann man sehr sicher ausgehen, denn wie sie selbst es in ihrem Brief an Olaf Scholz formuliert: "Wir Überlebenden haben einen Auftrag zu erfüllen, der uns von den Millionen in den Konzentrationslagern und NS-Gefängnissen Ermordeten und Gequälten erteilt wurde."

Eine gekürzte Version erschien in der Jüdischen Allgemeinen vom 12.12.2019.

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Mitteldeutsche Zeitung Online, 15.12.2019:

Anzeige wegen Volksverhetzung / Polizei löst rechtsextreme Musikveranstaltung auf

15.12.2019 - 13.34 Uhr

Klötze. Die Polizei hat eine rechte Musikveranstaltung in Klötze im Altmarkkreis Salzwedel aufgelöst und ermittelt gegen den Veranstalter wegen Volksverhetzung. Rund 50 Menschen aus der rechten Szene hatten sich bei einem 33-Jährigen im Ortsteil Kunrau in einer Scheune versammelt, teilte die Polizei am Sonntag mit. Teilweise seien die Besucher aus anderen Bundesländern angereist. Der 33 Jahre alte Mann habe bereits mehrfach entsprechende Konzerte organisiert.

Weil vor Ort "öffentlichkeitswirksam" Musik abgespielt wurde, die laut Mitteilung strafrechtlich relevant war, wurde die Veranstaltung aufgelöst. Die Polizei kontrollierte alle Personalien und erteilte Platzverweise. "Das Veranstaltungsobjekt wurde durchsucht und mehrere Tonträger sichergestellt", heißt es in der Polizeimeldung. Gegen den Veranstalter wurde ein Verfahren wegen Volksverhetzung eingeleitet (mz/dpa)

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Braunschweiger Zeitung Online, 15.12.2019:

Polizei beendet Neonazi-Konzert in Bad Harzburg

15.12.2019 - 08.28 Uhr

Bad Harzburg. Am Samstag erfuhr die Polizei von einem Rechtsrock-Konzert. Die Beamten lösten es auf, zwei Männer leisteten Widerstand, einer zeigte den Hitlergruß.

Die Polizei hat am Samstagabend ein Neonazi-Konzert in Bad Harzburg beendet. Bereits am Samstagabend informierten die Einsatzkräfte wegen des laufenden Einsatzes über Straßensperrungen in der Stadt. Am Sonntagmorgen teilten die Beamten mit, dass es dabei um ein Konzert ging, das "politisch rechtsmotivierte Personen" veranstalteten.

Rechtsextremes Konzert in Bad Harzburg - Drei Bands, 150 Zuschauer

Drei Bands sollten vor rund 150 Zuschauern auftreten, berichtet die Polizei weiter. Allerdings bestand eine Verbotsverfügung für den Veranstaltungsort. Daher beendete die Polizei das Konzert und erteilte allen Anwesenden einen Platzverweis.

Hitlergruß und Widerstand gegen Polizisten

Während die Polizisten den Einsatz abarbeiteten, leiteten zwei der Konzert-Besucher Widerstand, eine Person fiel laut Polizei durch das Zeigen des Hitlergrußes auf. Die Beamten leiteten entsprechende Strafverfahren ein. (eng/ots)

Bildunterschrift: Am Samstagabend hat die Polizei in Goslar ein Konzert von Neonazis beendet (Symbolbild).

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Frankenpost Online, 15.12.2019:

Rehau / Leben unter ständiger Bedrohung

15.12.2019 - 20.46 Uhr

Rehau. Wie fühlt es sich an, per E-Mail die eigene Todesanzeige zu erhalten? Der investigative Reporter Jonas Miller aus Nürnberg lebt mit solchen Bedrohungen seit über zehn Jahren. Unbekannte seien sogar schon ins Haus seiner Eltern eingedrungen und hätten Parolen hinterlassen. Auf der Straße werde er nicht selten angepöbelt und beleidigt.

Auch weil die letzte Todesdrohung gerade mal ein paar Tage zurücklag, stand nun am Freitagabend der Vortrag Millers im Alten Rathaus Rehau unter Polizeischutz. "Wie stark sind die rechtsextreme Szene und der NSU in Bayern", lautete das Thema. Nach seinen Auftritten in Weiden, Ansbach und Lauf hatte Petra Schultz von der Allianz gegen Rechtsextremismus der Metropolregion Nürnberg Jonas Miller auch nach Rehau eingeladen.

Über das Gefühl ständiger Bedrohung spricht er dabei eher gelassen: "Das ist nervig, aber man darf sich nicht einschüchtern lassen", betont er. Was ihn weitermachen lasse, sei die Solidarität, die er von allen Seiten erfahre. Und zum eigenen Schutz habe er nach Gesprächen mit dem Landeskriminalamt seine Tagesabläufe der Lage angepasst.

Aber was macht den 30-jährigen freien Journalisten eigentlich zum besonderen Ziel von Bedrohungen der rechten Szene? Neben seiner Tätigkeit unter anderem für den Bayerischen Rundfunk oder Zeit Online befasst er sich insbesondere mit der nordbayerischen Neonazi-Szene und der rechtsextremen Terrorzelle NSU. In seinem Vortrag gab er vor rund 30 Gästen zunächst einen Überblick über die Entwicklung seit dem Jahr 2001 und die streng hierarchischen Strukturen der Szene. Ein aktueller Trend sei es, dass verschiedene Gruppierungen bei Demonstrationen gemeinsam aufträten und dabei auch den Schulterschluss mit eher bürgerlichen Teilnehmern suchten. Mit dieser "Misch-Szene" versuche man, Kräfte zu bündeln. Die Vernetzung dabei laufe über russische Chats.

Speziell zur NSU-Mordserie sagte Jonas Miller, viele Vorgänge im Hintergrund seien noch immer nicht vollständig aufgeklärt. Die These eines "Kerntrios" der Mitglieder Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe halte er für falsch. Dabei verwies er auf die so genannte Garagenliste mit bundesweiten Kontaktdaten. Inzwischen habe man auch andere ehemalige Kader ausfindig gemacht. Allerdings seien viele Fragen noch offen, zum Beispiel: "Wer hat die Opfer ausgewählt - und wer hat geschossen?" Mindestens eine Person sei noch auf freiem Fuß, die damals ganz nah dran gewesen sei.

In der sehr langen und ausführlichen Diskussion im Anschluss an den Vortrag interessierten sich die Gäste vor allem für die Lage in der Region Hof. Jonas Miller antwortete, auch hier gebe es organisierte Rechte, die aber großteils nicht in der Öffentlichkeit stünden. Außerdem habe sich die Szene in Oberfranken, die früher ein Sammelpunkt gewesen sei, inzwischen sehr stark nach Sachsen und Thüringen verlagert. Im Gegensatz zur bundesweiten Strategie, die Straße zu erobern, versuche man hier, in die Stadtparlamente zu gelangen.

Gut informiert zeigte sich der Journalist auch über die Vorgänge in Hochfranken. Die Gäste seines Vortrags wollten wissen, wie er die jüngste Antifa-Demo gegen rechte Aufmärsche in Wunsiedel einschätze: Ist das ein gutes Zeichen, wenn die Antifa in die Provinz kommt, oder schadet es den Zielen von "Wunsiedel ist bunt"? Jonas Miller meinte, der Auftritt der Antifa sei wegen der Bilder, die man aus Großstädten kenne, eher abschreckend. Es gebe zwar Beispiele aus kleineren Städten, in denen sich Bürger mit der Antifa gegen die rechte Szene solidarisiert und eine Wirkung erzielt hätten, aber: "Ob sich das auch in Wunsiedel so entwickeln könnte, lässt sich nicht sagen."

Neben vielen weiteren Diskussionspunkten, zum Beispiel ob V-Männer des Verfassungsschutzes den Aufbau rechtsextremer Strukturen sogar fördern könnten, wollten die Gäste auch wissen, ob Jonas Miller von jüngsten Demonstrationen gegen Journalisten betroffen gewesen sei. Der Reporter verneinte das und verwies auf eine andere Strategie seiner Gegner: "Man versucht, uns durch Klagen auszubremsen." Aber das öffentliche Interesse an dem Thema lasse nicht nach. Aktuell habe man eine Person in Oberfranken im Visier, die zwar aus der Szene ausgestiegen sei, aber nicht reden wolle. Jonas Miller versicherte: "Das spornt uns erst recht an, weiter zu recherchieren."

Bildunterschrift: Leben unter ständiger Bedrohung.

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Zeit Online, 15.12.2019:

Sachsen-Anhalt: CDU-Politiker Robert Möritz verlässt Verein Uniter

15.12.2019 - 20.15 Uhr

Die Neonazi-Vorwürfe gegen Robert Möritz belasten die Koalition in Sachsen-Anhalt. Der Verein Uniter steht im Verdacht, Verbindungen zum rechtsextremen Milieu zu haben.

Der mit Neonazi-Vorwürfen konfrontierte CDU-Kreis-Politiker Robert Möritz aus Sachsen-Anhalt hat den umstrittenen Verein Uniter nach CDU-Angaben verlassen. "Herr Möritz hat dem CDU-Landesverband soeben mitgeteilt, dass er heute aus diesem Verein ausgetreten ist", schrieb Generalsekretär Sven Schulze auf Twitter. Der Verein wird verdächtigt, in Verbindungen mit einem rechtsextremen Untergrundnetzwerk zu stehen.

Möritz hatte vor einigen Tagen eingeräumt, Mitglied bei Uniter zu sein, einem Verein, der unter anderem Elite-Soldaten, Polizistinnen und Personenschützer miteinander vernetzt. Uniter steht im Verdacht, Verbindungen zum rechtsextremen Milieu zu haben. Nach Angaben der Bundesregierung ist der Verein zwar derzeit kein Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes, Hinweisen auf extremistische Bestrebungen gehen die Sicherheitsbehörden aber weiterhin nach. Laut Recherchen der tageszeitung ist der stellvertretende Vereinsvorsitzende, der ehemalige KSK-Soldat André S., der Kopf eines bundesweit agierenden rechten Untergrundnetzwerkes. Unter dem Decknamen "Hannibal" soll S. Chatgruppen administrieren, in denen sich so genannte Prepper auf einen "Tag X" vorbereiteten.

Möritz verteidigte sich, dass weder er noch sein Umfeld bei Uniter rechtsextrem seien. Der Verein fuße auf Menschenrechten und der demokratischen Grundordnung, so der CDU-Kreis-Politiker in einer Stellungnahme. Der Kreisvorstand der CDU Anhalt-Bitterfeld erklärte, aus einer Mitgliedschaft bei Uniter lasse sich keine rechtsextreme Gesinnung ableiten.

Fall belastet Kenia-Koalition in Sachsen-Anhalt

Die Neonazi-Verwürfe gegen Möritz haben die Koalition aus CDU, SPD und Grünen in Sachsen-Anhalt schwer belastet. Neben der Mitgliedschaft bei Uniter wird Möritz vorgehalten, ein Tattoo mit einer so genannten Schwarzen Sonne zu haben. Das Symbol besteht aus einer Kombination mehrerer Hakenkreuze und gilt in der Neonazi-Szene als Erkennungszeichen. 2011 soll Möritz außerdem als Ordner auf einer Neonazi-Demo aufgetreten sein.

Der CDU-Kreisvorstand sprach Möritz nach Bekanntwerden der Vorwürfe einstimmig sein Vertrauen aus und lehnte personelle Konsequenzen ab. Möritz habe angegeben, er sei zum Zeitpunkt der Neonazi-Demonstration 19 Jahre alt und politisch nicht gefestigt gewesen und sei aus "falsch verstandener Loyalität" der Bitte dieser Leute nachgekommen, die Demo zu begleiten. Dies sei ein Fehler gewesen, teilte der Kreisvorstand mit. Weiter hieß es, das Tattoo trage Möritz aus Interesse an der keltischen Mythologie und die Bedeutung habe er damals nicht gekannt.

SPD und Grüne reagierten empört auf die Entscheidung des CDU-Kreisvorstandes. "Wenn sich die CDU Sachsen-Anhalt derzeit von jeder Vernunft verabschiedet und ins politische Absurdistan marschiert, muss sie wissen, dass sie die SPD als Partner verlieren wird", schrieb SPD-Landeschef Burkhard Lischka auf Twitter. Er vermisse einen "Aufschrei der Anständigen in der CDU".

Die Grünen verbreiteten am Samstag auf Twitter eine Mitteilung mit dem Titel "Wie viel Hakenkreuze haben Platz in der CDU?". Die CDU-Landeschef Holger Stahlknecht und Generalsekretär Schulze forderten eine umgehende Entschuldigung. "Ohne diese ist eine Fortsetzung der Koalition kaum denkbar", schrieb Schulze auf Twitter.

Bildunterschrift: Dem CDU-Politiker Robert Möritz aus Sachsen-Anhalt werden Verbindungen zu Neonazis vorgeworfen. Der Kreisverband Anhalt-Bitterfeld weist die Vorwürfe zurück.

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die tageszeitung Online, 15.12.2019:

Koalitionskrise in Sachsen-Anhalt / Versagen mit Nazi-Tattoo

Die CDU und ihr Generalsekretär zeigen Solidarität mit dem extrem rechten Möritz. Das geht zu weit. Die Koalitionspartner müssen reagieren.

Kommentar von Anja Maier

Es gibt Ereignisse, die auf leisen Sohlen daherkommen und dann ein mittelschweres Beben auslösen. Nachrichten, deren Tragweite und Komplexität man erst im Nachhinein überblickt. Die Vorgänge in Sachsen-Anhalt um einen CDU-Kommunalpolitiker mit rechtsextremer Vergangenheit haben das Zeug dazu. Dort weigert sich die mit der SPD und den Grünen regierende CDU, sich von ihrem Kreis-Politiker Robert Möritz zu distanzieren.

Dieser hat eingeräumt, 2011 als Ordner an einer Neonazi-Demonstration beteiligt gewesen zu sein. Zudem war er bis jetzt Mitglied des Vereins Uniter, der Verbindungen ins rechtsextreme Milieu hat. Und als sei das noch nicht genug, verfügt Parteifreund Möritz auch über eine Hakenkreuz-Tätowierung in Form der unter Rechtsextremen verbreiteten so genannten Schwarzen Sonne. Statt sich von dem Mann zu distanzieren, stärkt ihm die CDU Sachsen-Anhalt den Rücken.

Der Mann sei mit 19 Jahren noch jung gewesen und habe "aus falsch verstandener Loyalität" den Nazi-Aufmarsch bewacht. Der Kreisverband Anhalt-Bitterfeld hat Möritz nicht nur ohne Gegenstimmen das Vertrauen ausgesprochen. Nein, CDU-Generalsekretär Sven Schulze hat diese Entscheidung auch noch verteidigt. Von den Grünen hingegen, die empört auf die Sache reagierten, fordert er eine Entschuldigung und stellt den Fortbestand der Koalition in Frage.

Der Fall Möritz zeigt exemplarisch, was zum einen in Landesverbänden möglich ist, die sich nicht klar von extrem denkenden und handelnden Mitgliedern distanzieren. Und deren Bundespartei zum anderen zu oft zögert, wenn es um die Unterwanderung von rechts geht. Doch auch die Grünen müssen sich angesichts der Vorgänge in Bitterfeld fragen lassen, was zu tolerieren sie noch bereit sind. Die CDU in Sachsen-Anhalt ist schon mehrfach mit Rechtsdralls aufgefallen.

Das Argument, den Koalitionspartner vor dem Kippen bewahren zu können, gelangt mit der Affäre Möritz an seine Grenzen.

Bildunterschrift: Zeigt in der Diskussion falsche Loyalität: Sachsen-Anhalts CDU-Generalsekretär Sven Schulze.

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Aachener Zeitung Online, 15.12.2019:

Koalitionskrise in Magdeburg / Extremismus-Vorwürfe gegen CDU-Kreis-Politiker

15.12.2019 - 08.28 Uhr

Magdeburg. Extremismus-Vorwürfe gegen CDU-Kreis-Politiker Robert Möritz gefährden die Koalition in Sachsen-Anhalt. SPD und Grüne sind empört über die Personalie, die CDU über die Form der Kritik.

Der Generalsekretär der CDU in Sachsen-Anhalt, Sven Schulze, hat im Streit um Extremismus-Vorwürfe die Entscheidung des CDU-Kreisverbands Anhalt-Bitterfeld verteidigt, am Kreis-Politiker Robert Möritz festzuhalten.

In den vergangenen Tagen war bekannt geworden, dass Möritz 2011 als Ordner an einer Neonazi-Demo beteiligt war und Mitglied des umstrittenen Vereins Uniter ist. "Wir vertrauen der Entschuldigung von Herrn Möritz, dass er diese Zeit bedauert und dass er mit diesen Leuten nichts mehr zu tun hat", sagte Schulze der Deutschen Presse-Agentur. Man müsse ihm aber "sicher ankreiden", dass er seine früheren Verbindungen in die Szene bei seinem Parteieintritt im Sommer 2018 nicht offengelegt habe.

Schulze hatte den Kreis nach Bekanntwerden der Vorwürfe gebeten, diese schnellstmöglich auszuräumen. Der Kreisvorstand, dem Möritz als Beisitzer angehört, kam daraufhin am Freitag zusammen, befragte Möritz zu der Sache und entschied sich gegen personelle Konsequenzen. Er habe sich auf der mehrstündigen Sondersitzung glaubhaft von der rechtsextremen Szene distanziert, sagte Schulze. "Wenn da irgendwo Zweifel gewesen wären, dann wäre er heute nicht mehr Mitglied unserer Partei." Rechtsextreme wolle er in seiner Partei nicht sehen.

Zu Möritz` Mitgliedschaft im Verein Uniter verwies Schulze auf eine Einschätzung der Bundesregierung von voriger Woche. Demnach wird Uniter derzeit nicht vom Verfassungsschutz beobachtet, die Behörden würden aber Hinweisen auf extremistische Bestrebungen weiterhin nachgehen. Kritiker verorten den Verein im rechtsextremen Milieu. Sollte sich das bestätigen, sei eine Mitgliedschaft dort mit einer Mitgliedschaft bei der CDU nicht mehr vereinbar, sagte Schulze.

Die Personalie des Kreis-Politikers Möritz war am Samstag zu einer Krise der Magdeburger Kenia-Koalition eskaliert. Die beiden anderen Regierungsparteien hatten die Entscheidung des Kreisvorstandes kritisiert und eine Reaktion der Landes-CDU gefordert. Dabei spielte neben der Mitgliedschaft von Möritz bei Uniter und der Tätigkeit bei der Neonazi-Demo noch ein Tattoo von Möritz eine Rolle: Der CDU-Kreisvorsitzende Matthias Egert hatte der "Mitteldeutschen Zeitung" bestätigt, dass Möritz auf dem Arm ein Tattoo trägt, das eine so genannte Schwarze Sonne zeigt, eine Kombination mehrerer Hakenkreuze. "Herr Möritz hat erklärt, dass er diese Bedeutung damals nicht kannte. Er trägt das Symbol aus Interesse an der keltischen Mythologie", sagte Egert der Zeitung.

Die Grünen verbreiteten daraufhin am Samstag eine Mitteilung mit dem Titel "Wie viel Hakenkreuze haben Platz in der CDU?". Darauf reagierte die CDU empört. Die Äußerung sei inakzeptabel und stelle 6.500 Mitglieder unter Generalverdacht, sagte Schulze. "Das lassen wir nicht mit uns machen, schon gar nicht vom Koalitionspartner." Er habe am Samstag mit sämtlichen Kreisvorsitzenden seines Landesverbandes gesprochen und dabei viel Unmut zu hören bekommen. Dabei sei auch die Frage aufgekommen, ob die Grünen diese Koalition überhaupt noch wollten.

"Das war eine Eskalation, herbeigeführt von den Grünen, die gefährlich für diese Koalition ist", sagte Schulze. Wenn sich die Grünen dafür nicht entschuldigten, könne er sich vorstellen dass sich genügend Kreise zusammenfänden, die eine Abstimmung über den Fortbestand der Koalition auf einem Parteitag beantragen könnten. "Der Unmut ist in der gesamten Partei."

Die Grünen verteidigten ihre Mitteilung. "Wir sehen keinen Grund, uns zu entschuldigen", sagte Landeschefin Susan Sziborra-Seidlitz am Samstagabend der Deutschen Presse-Agentur. Ihre Partei habe die CDU nicht unter Generalverdacht gestellt, sondern die "aufrechten Demokraten" in der Partei zu einer Reaktion auf die Entscheidung der CDU Anhalt-Bitterfeld aufgerufen. Die Frage nach den Hakenkreuzen im Titel der Mitteilung beziehe sich eindeutig auf das Tattoo von Möritz. Die Grünen seien "zumindest irritiert" darüber, dass die CDU Möritz weiterhin in ihren Reihen dulden wolle.

Grünen-Bundesgeschäftsführer Michael Kellner twitterte: "Es wäre für unsere Demokratie viel förderlicher, wenn die CDU gegen Nazis in den eigenen Reihen vorgehen würde anstatt auf Grüne loszugehen." (dpa)

Bildunterschrift: Sven Schulze hat die Entscheidung des CDU-Kreisverbands Anhalt-Bitterfeld verteidigt, am Kreis-Politiker Möritz festzuhalten.

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Neue Westfälische am Sonntag, 15.12.2019:

CDU-Politiker bei Neonazi-Demo

Magdeburg. Die Grünen in Sachsen-Anhalt haben im Fall des bei einer Neonazi-Demo als Ordner aufgetretenen CDU-Kreis-Politikers Robert Möritz die Partei zum Handeln aufgefordert. Möritz hatte eingeräumt, 2011 als Ordner auf einer Neonazi-Demo gearbeitet zu haben. Dennoch will ihn der CDU-Kreisvorstand Anhalt-Bitterfeld, dem Möritz als Beisitzer angehört, weder aus dem Vorstand noch aus der Partei ausschließen.

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Stuttgarter Zeitung Online, 15.12.2019:

AfD-Landtagsfraktion / Gögel geht auf AfD-Hardliner zu

15.12.2019 - 17.46 Uhr

Von Willi Reiners

Der AfD-Fraktionschef hat zwei gemäßigte Abgeordnete verloren und muss seinen Sturz fürchten. Gibt er deshalb im Richtungsstreit mit den radikaleren Kräften nach? Diesen Schluss legt eine wichtige Personalie in der Fraktion nahe.

Stuttgart. Der jüngste Aderlass der AfD-Landtagsfraktion setzt die gemäßigten Kräfte in der nur noch 18-köpfigen Fraktion unter Druck. Nach dem Doppelaustritt von Stefan Herre und Harald Pfeiffer, die Fraktion und Partei verlassen haben, zählt ihr Lager noch sieben Abgeordnete, Fraktionschef Bernd Gögel inklusive. Das Lager um den Fraktionsvize Emil Sänze kommt auf elf Parlamentarier, die sich mehr oder weniger offen zur völkisch-nationalen Gruppierung "Der Flügel" bekennen. Die Zwei-Drittel-Mehrheit, die es Sänze erlauben würde, die Macht an sich zu reißen, liegt greifbar nahe - zumal es in Gögels Lager zumindest einen Wackelkandidaten geben soll.

Gögel, der mit Dirk Spaniel auch die Landespartei führt, scheint sich unter diesen Bedingungen gezwungen zu sehen, sich auf Sänze zuzubewegen. Schon auf der Fraktionsklausur in Bad Herrenalb im September hätten beide sich in auffälliger Weise ausgetauscht, berichten Teilnehmer. Jetzt spricht eine überraschende Personalie dafür, dass Gögel versöhnliche Signale an die radikaleren Kräfte senden möchte. Nach Informationen unserer Zeitung steht seit Kurzem Christiane Christen, frühere AfD-Landesvizechefin von Rheinland-Pfalz, in den Diensten der AfD-Landtagsfraktion. Die PR-Unternehmerin aus Speyer soll die Fraktionskanäle auf Sozialen Medienplattformen wie Facebook bespielen.

Eine Ikone der Völkisch-Nationalen

Christen, Mitinitiatorin des Bündnisses "Kandel ist überall", bei dessen Märschen sich Rechtsextremisten zeigen durften, ist eine Ikone der AfD-Hardliner. Die von Uwe Junge geführte rheinland-pfälzische Landespartei hat ein Ausschlussverfahren gegen sie angestrengt, weil sie Kontakte zu Rechtsextremisten gepflegt haben soll. Der völkisch-nationale "Flügel" sieht Christen dagegen zu Unrecht am parteiinternen Pranger, ebenso wie Stefan Räpple und Doris von Sayn-Wittgenstein. Nach der Lesart des "Flügels" geht die Partei in vorauseilendem Gehorsam gegenüber dem Verfassungsschutz gegen sie vor. Die Säuberungsaktion diene letztlich auch eigenen Machtinteressen der gemäßigten Kräfte in der AfD.

Gögel wollte die Beschäftigung Christens gegenüber unserer Zeitung nicht bestätigen. Er spreche schon aus rechtlichen Gründen nicht über Fraktionsmitarbeiter. Mit Sänze führe er "strategische Gespräche über den Weg zum maximalen Erfolg" bei der nächsten Landtagswahl, räumte er aber ein. Das könnte als Hinweis auf Gögels Zukunft zu verstehen sein. Der AfD-Kreisverband Pforzheim / Enz ist fest in der Hand des "Flügels". Wenn Gögel keine Zugeständnisse macht, wäre dort eine erneute Nominierung als Landtagskandidat ausgeschlossen.

Vorwürfe gegen Herre und Pfeiffer

Auch Stefan Herre (KV Zollernalb) und Harald Pfeiffer (KV Böblingen) hatten das für sich kommen sehen und wohl auch deshalb zurückgezogen. Beide haben erklärt, der Rechtsruck in der AfD habe es ihnen als Gemäßigten nicht erlaubt, ihre Arbeit in Partei und Fraktion fortzusetzen. In der AfD ist dagegen von verschiedener Seite auch zu hören, Herre und Pfeiffer hätten die Basisarbeit schleifen lassen. Dafür hätten sie die Quittung bekommen und seien als Kreisvorstände abgewählt worden.

Tatsächlich warnen Insider davor, den Rückzug der beiden als Resultat eines Rechtsrucks in der Fläche zu interpretieren. In Mannheim etwa hat Robert Schmidt seine Machtbasis im Kreisverband systematisch ausgebaut. Schmidt war lange Mitarbeiter Pfeiffers im Landtag und Wortführer der gemäßigten AfD-Mitte-Gruppierung im Land. Die Folge ist, dass sich der Mannheimer AfD-Abgeordnete Rüdiger Klos, der fest im Sänze-Lager steht, einen anderen Kreisverband suchen muss, um nominiert zu werden. Er soll auf Vermittlung Sänzes fündig geworden sein und voraussichtlich in Donaueschingen / Tuttlingen gegen die gemäßigte Abgeordnete Doris Sänger antreten.

Bildunterschrift: Unter Druck: AfD-Landes- und Fraktionschef Bernd Gögel.

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