Mindener Tageblatt ,
15.04.2019 :
Ein unrühmlicher Teil der Ortsgeschichte
Schüler gestalten die Gedenkstunde am früheren Arbeitserziehungslager Lahde
Petershagen-Lahde (Wes.) In einer Gedenkveranstaltung erinnerte die Kulturgemeinschaft Lahde an die unmenschlichen Zustände im früheren Arbeitserziehungslager auf dem Gelände zwischen der heutigen Bundesstraße 482 und der Dingbreite. Die Feierstunde wurde von Jungen und Mädchen der Klassen 9.3, 9.6, 10.1 und 10.5 der Sekundarschule gestaltet. Sie trugen Texte vor und legten einen Kranz nieder. Zudem stimmte Zehntklässler Torben Seeger mit einem Dudelsack das Musikstück "Amazing Grace" an.
Das menschenverachtende Treiben zwischen Stacheldrahtzäunen und Mauern forderte von Mai 1943 bis Mai 1945 über 700 Todesopfer.
Im Jahr 1995 hat die Stadt Petershagen nur wenige Meter vom Gelände des ehemaligen Arbeitserziehungslagers entfernt eine Gedenkstätte errichtet. Kulturgemeinschaftsvorsitzender Karl-Heinz Schwier würdigte hier am Freitag das Engagement der Schulklassen und bekräftigte, dass Intoleranz und Menschenverachtung nicht hingenommen werden dürfen.
Petershagen stellvertretende Bürgermeisterin Helga Berg wies darauf hin, dass das Arbeitserziehungslager einen unrühmlichen Teil der Lahder Ortsgeschichte darstelle. Wichtig sei, die Gräueltaten nicht zu vergessen.
Stadtheimatpfleger Hermann Kleinebenne präsentierte zwei Fundstücke, die er auf dem heute als Ackerland genutzten Gelände des früheren Arbeitserziehungslagers entdeckt hatte. Bei Nummer 96 handelte es sich um Flugzeugaluminium. "Die Häftlinge, die von 1943 bis 1945 in den Baracken eingesperrt waren, haben die Bomber wahrgenommen, die vom Dümmer in Richtung Steinhude, Hannover und Berlin geflogen sind. Die Gefangenen hatten Angst, dass sie von ihnen getroffen werden", betonte Kleinebenne. Sein Fundstück Nr. 105 war die Hülle einer Pistolenmunition, die in der Nähe der ehemaligen "Handwerkerbaracke" auf der Erde gelegen hatte.
In diesem Zusammenhang erinnerte der Stadtheimatpfleger an den 27. Juli 1944, als einem niederländischen Häftling befohlen worden sei, vom Kesselhaus zum Lagerzaun zu gehen. "Der 20-jährige Student weigert sich, da er genau wusste, dass dort sofort geschossen wurde. Daraufhin hat der Wachmann den Häftling aus drei bis vier Metern Entfernung mit zwei Schüssen niedergestreckt. Auf Grund einer Zeugenaussage konnte der Täter nach dem Krieg verhaftet werden", führte Kleinebenne weiter aus.
Holzschüssel und Löffel als Symbol für schlechte Ernährung
Die Jungen und Mädchen der Sekundarschule wiesen in ihren Textbeiträgen darauf hin, dass das Lager im Mai 1943 in Liebenau im Kreis Nienburg aufgelöst und nach Lahde verlegt worden ist. "Es waren 600 bis 800 Häftlinge aus elf verschiedenen Ländern. Sie wurden gedemütigt, geschlagen und misshandelt. Die Insassen sind aus nichtigen Gründen erschossen worden, nicht selten wurden sie tot geprügelt." Symbolisch legten die Schülerinnen und Schüler Gegenstände für das im Lager erlittene Leid nieder: Tuch und Holzschuhe für die dürftige Bekleidung, Holzschüssel und Löffel für die schlechte Ernährung, eine Erste-Hilfe-Tasche für die fehlende oder nicht ausreichende medizinische Versorgung sowie Schaufel und Spitzhacke für die harte Arbeit der Häftlinge.
Zum Gedenken und zur Mahnung wurden an de Teilnehmer der Feierstunde Stoffstückchen verteilt, die sie an ihre Jacken heften und mit in den Alltag nehmen konnten. Pfarrer Matthias Rohlfing dankte vor seinem Gebet den Jungen und Mädchen für die würdevolle Gestaltung der Feierstunde.
Bildunterschrift: Torben Seeger aus der Klasse 10.1 stimmte mit dem Dudelsack "Amazing Grace" an.
Copyright: Texte und Fotos aus dem Mindener Tageblatt sind urheberrechtlich geschützt. Weiterverwendung nur mit schriftlicher Genehmigung der Redaktion.
_______________________________________________
www.synagoge-petershagen.de
|