Lippische Landes-Zeitung ,
10.08.2018 :
Komponist mit Nazi-Vergangenheit
Wander-Flyer: Das Stadtmarketing veröffentlicht eine Broschüre mit Touren-Angeboten / Abgebildet ist auch ein Liedtext von August Weweler, der sich "alter Kämpfer der nationalsozialistischen Bewegung" nannte
Von Cordula Gröne
Horn-Bad Meinberg. Tausende von Besuchern werden zum 118. Deutschen Wandertag in Lippe erwartet. Mit einem Wander- und Kulturprogramm beteiligt sich die Stadt Horn-Bad Meinberg. Auf dem Flyer dazu ist auch ein Lied des Detmolder Komponisten August Weweler (1868 - 1952) abgebildet. Er war seit 1932 Mitglied der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) und leitete von 1933 bis 1934 eine Ortsgruppe des "Kampfbunds für deutsche Kultur".
"Hoch Meinberg immerdar" heißt das Lied des Komponisten, abgedruckt sind die Noten und ersten beiden Strophen. Es entstand ursprünglich als Lied für eine Singstimme mit Klavierbegleitung im Sommer 1934. Inhaltlich handelt es sich um eine Hommage an den Kurort. "In Lippes grünen Fluren, da liegt ein kleiner Ort, den könnt ihr nicht vergessen", heißt es da. Weiter geht es um "uralte Bäume" in einem "wundervollen Park".
Einer, der sich bestens mit August Weweler auskennt, ist der Münsteraner Dr. Lukas Speckmann. Er hat vor vielen Jahren als Musikwissenschaftler seine Doktorarbeit über den Musiklehrer und Komponisten geschrieben. Um seine Einschätzung gebeten, erläutert der heutige Zeitungsredakteur gegenüber der LZ, dass Weweler als Mensch und Musiker ein Außenseiter gewesen sei. "Er hat versucht, vom Erfolg der Nazis zu profitieren und sich einspannen zu lassen. Aber seine Wirkung war gering." Speckmann will Weweler nicht entschuldigen. Dieser habe sich die NS-Kulturideologie zu eigen gemacht und versucht, damit Werbung für sich zu machen - allerdings recht erfolglos. "Ein lippischer Chefideologe war er nicht."
Ludmilla Gutjahr, Geschäftsführerin der "GesUnd-Tourismus Horn-Bad Meinberg", hat den Text vor anderthalb Jahren auf dem Speicher der alten Kurverwaltung entdeckt. Das Original wird im Landesarchiv NRW in Detmold verwahrt. "Wir haben uns überhaupt nichts dabei gedacht. Wewelers Lieder werden noch überall gesungen, das gehört zum Standardrepertoire von Chören", weiß sie. So sang beim Chor-Fest 2016 in Stuttgart ein Teenie-Chor die "Abendruhe". Das Lied spielten die Musiker auch mal im Kurpark. Es sei eine schöne Hymne auf den Kurort. "Wir haben uns gefreut, dass es ein Lied von Bad Meinberg gibt." Es sei auch ins Liederheft aufgenommen worden, das das Team zusammengestellt habe. Dass Weweler Mitglied in der NSDAP war, ist der Geschäftsführerin erst seit Dienstag bekannt. "Das darf man auch nicht entschuldigen." Gutjahr findet an dem Abdruck nichts Verwerfliches, schließlich würden Wagners Opern auch noch gehört. Schon gar nicht sei damit eine böse Absicht verbunden.
In Detmold trug bis zum Jahr 1985 die Straße am Kreishaus den Namen August Wewelers. Sie wurde auf Initiative von Detmolder Jusos wegen dessen Nähe zum nationalsozialistischen Regime in Felix-Fechenbach-Straße umbenannt. Fechenbach war ein jüdischer Sozialdemokrat und Journalist des Detmolder Volksblattes, der 1933 von den Nazis ermordet wurde.
Dr. Wolfgang Bender, Archivar am Landesarchiv NRW in Detmold, weiß um die umstrittene Person August Wewelers. Das Archiv verwahre einen kleinen Nachlass des Komponisten. "Der Mensch war politisch nicht unumstritten." Die Zeilen entsprächen in ihren Formulierungen dem damaligen Zeitgeist, seien inhaltlich jedoch völlig harmlos und könnten doch so stehen, findet Dr. Bender. Norbert Arnold, Präsident des Lippischen Sängerbundes, erklärte auf Anfrage, dass das Lied Wewelers nicht mehr im Notenverzeichnis des Sängerbundes stehe. Es werde nicht mehr gesungen, weil es nicht mehr dem Zeitgeist entspreche. "Den Text zu singen, finde ich aber nicht verwerflich", so Arnold. Inhaltlich seien die Zeilen harmlos.
Die Vita von August Weweler
August Weweler wurde 1868 in Recke / Westfalen geboren. Er studierte zwei Jahre am Leipziger Konservatorium, brach das Studium aber ab. Zwei seiner Opern verhalfen ihm nicht zum gewünschten künstlerischen Erfolg. Besser erging es ihm in der Provinz. 1898 wurde er als Klavierspieler im Sommertheater Detmold verpflichtet. Er leitete den Oratorienverein, organisierte zwei Musikfeste und gründete 1916 ein Konservatorium für Musik, Theater und Redekunst mit. Die lippische Sturmabteilung (SA), eine paramilitärische Kampforganisation der NSDAP, verwendete das Schlusslied aus dem populären Festspiel "Hermann der Cherusker" als Marschlied für ihre Einheit. Weweler trat 1932 der NSDAP bei und leitete von 1933 bis 1934 eine Ortsgruppe des "Kampfbunds für deutsche Kultur". Nach Angaben von Dr. Lukas Speckmann hatten die Ortsgruppen eine Gleichschaltung des kulturellen Lebens zum Ziel. In Detmold fanden jedoch nur wenige Veranstaltungen statt. Weweler plagten weiter Geldsorgen, weswegen er von 1935 bis 1940 an der Essener Folkwangschule unterrichtete. Der Musiklehrer kehrte 1943 nach Detmold zurück und starb hier 1952. (co)
Bildunterschrift: Komponiert 1934: Auf dem Flyer der Tourist-Information Horn-Bad Meinberg sind Noten und Texte von August Weweler abgedruckt.
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Lippische Landes-Zeitung, 24.04.2001:
Plakatieren verboten / Stadt sieht Straftatbestand
Horn-Bad Meinberg (upf). "Ein Täter lebt in Horn" lautet die Überschrift des Plakats, mit dem die AG Fossoli für ihre Veranstaltung über Karl Friedrich Titho werben will. Nicht jedoch in Horn: Das Ordnungsamt der Stadt hat die Plakatierung untersagt. Wegen der Verwendung des Begriffs "Täter".
"Wir wollen nicht die Plakatierung untersagen, sondern nicht Beihilfe zu einer Straftat leisten", erklärte Bürgermeister Eberhard Block gegenüber der LZ, "es gibt keine exakte Verbindung zwischen dem Begriff "Täter" und Fossoli". Die jedoch wird nach Blocks Ansicht auf dem Plakat hergestellt - da Titho aber wegen seiner Tätigkeit als Lagerleiter in Italien weder angeklagt noch verurteilt sei, kann er nach Blocks Ansicht in diesem Zusammenhang nicht als Täter bezeichnet werden. Die Veranstaltung in der Burgscheune wird nach Worten des Bürgermeisters nicht tangiert: "Wir haben keinerlei Anhaltspunkte, dass es dort zu Straftaten kommen könnte."
Die AG Fossoli will sich mit dem Verbot nicht so ohne weiteres abfinden.
Rechtsanwalt Günter Meyners: "Ich wüsste nicht, unter welchen Gesichtspunkten es strafbar sein sollte, Herrn Titho als Täter zu bezeichnen. Er ist in Holland verurteilt worden und an den Vorfällen in Fossoli beteiligt gewesen."
Ob tatsächlich eine Vorstrafe Tithos in den Niederlanden wegen Misshandlung von Gefangenen und der Beteiligung an einer Gefangenenerschießung vorliegt, wird nach Informationen der LZ gerade von der Staatsanwaltschaft Detmold überprüft. Tithos Rechtsanwalt Arndt Kuhlmann erklärte auf Anfrage, ihm sei hiervon nichts bekannt. Titho selbst erklärte bereits vor einiger Zeit: "Ich habe nie einen Gefangenen getötet und nie jemanden befohlen, einen Gefangenen zu töten."
Dass Karl Friedrich Titho "ein Täter" ist, steht für die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Annelie Buntenbach aus Bielefeld, die die AG Fossoli unterstützt, außer Frage: "Es ist zwar gerichtlich strittig, was er in Fossoli gemacht hat, aber der Begriff Täter zieht sich durch seine gesamte Biografie." Das Plakatierungsverbot nennt Buntenbach "juristische Trickserei" - die Stadt täte gut daran, sich in die Diskussion auf politisch-ethischer Ebene einzumischen. "So leistet die Stadt Beihilfe zur Fortsetzung des unwürdigen Umgangs mit der NS-Vergangenheit", meint Buntenbach.
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