Westfalen-Blatt ,
10.08.2018 :
Streit um Komponisten aus NS-Zeit
Horn-Bad Meinberg wirbt mit Lied von August Weweler
Horn-Bad Meinberg (WB/ca). In einer Broschüre zum Deutschen Wandertag (15. - 20. August in Detmold) hat Horn Bad-Meinberg ein Lied des Detmolder Komponisten August Weweler abgedruckt. Weweler war NSDAP-Mitglied, Ortsgruppenleiter des "Kampfbunds für deutsche Kultur" und hatte ein Lobgedicht auf Adolf Hitler geschrieben.
Die kommentarlose Veröffentlichung des Weweler-Liedes wird von Prof. Matitjahu Kellig (69), dem Vorsitzenden der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold, kritisiert. "Die NS-Vergangenheit dieses Mannes müsste in Lippe bekannt sein", sagte der in vielen Ländern auftretende Pianist gestern. In den 80er Jahren war die Weweler-Straße vor dem Detmolder Kreishaus wegen der NS-Verbundenheit des Musikers in Felix-Fechenbach-Straße umbenannt worden. Musikprofessor Matitjahu Kellig sagte, den Menschen müsse gesagt werden, "wer wer war".
August Weweler hatte in seinem Gedicht "Adolf Hitler", das 1933 unter anderem im "Lippischen Kurier" abgedruckt worden war, Hitler als von Gott gesandt dargestellt und ihn als zweiten Befreier nach Hermann, dem Cherusker, bezeichnet.
Das jetzt in der Werbebroschüre abgedruckte Werk ist ein Loblied auf den lippischen Ort Meinberg mit unverfänglichem Text. Bürgermeister Stefan Rother (parteilos) sagte gestern, er könne die Kritik nicht verstehen. "Wir haben nicht so viele Lieder über Bad Meinberg, und der Text enthält keine bedenklichen Passagen." Dass August Weweler der Nazi-Ideologie verfallen sei, sei nicht richtig gewesen, "aber das ist ja damals vielen so gegangen".
Der jüdische Pianist Matitjahu Kellig ist wachsam, weil er "einen zunehmenden Antisemitismus" sieht. So hatte ihn Sascha Krolzig von der Partei "Die Rechte" (sie hatte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck für das EU-Parlament aufgestellt) im Internet angegangen und war dafür im Februar wegen Volksverhetzung zu sechs Monaten Haft verurteilt worden.
Bildunterschrift: Ein Loblied auf den Ort Meinberg: Weweler schrieb nicht nur solche unverfänglichen Lieder, sondern unterstützte das NS-Regime.
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Westfalen-Blatt / Herforder Kreisblatt, 02.08.2018:
"Die Masken sind gefallen"
Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde besorgt über neue Welle des Antisemitismus
Jan Gruhn
Herford (HK). Für Matitjahu Kellig (69) steht fest: Eine neue Welle des Antisemitismus breitet sich derzeit nicht nur in Deutschland aus. "Die Masken sind gefallen", sagt der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Herford-Detmold. Die Anfeindungen hätten in den vergangenen zwei bis drei Jahren massiv zugenommen.
Zur Zeit gehen besonders die Fälle durch die Presse, bei denen die Angreifer einen palästinensischen Hintergrund haben: In Berlin wurde ein Kippa tragender Student mit einem Gürtel geschlagen. In Bonn wird ein jüdischer Professor attackiert - und anschließend von der Polizei mit dem Angreifer verwechselt. Doch auch die Parolen von Rechts würden immer lauter, sagt Kellig. "Ich könnte viele erschreckende Beispiele nennen", sagt der emeritierte Musikprofessor. Beispiele dafür, dass zum Beispiel einige Mitglieder älterer Generationen "aus der Geschichte nichts gelernt" hätten. Die sich mittlerweile wieder trauten, ohne vorgehaltene Hand zu sprechen.
Kelligs Eindruck findet statistischen Niederschlag: Eine Langzeitstudie der Technischen Universität Berlin hat festgestellt, dass antisemitische Äußerungen in sozialen Medien und Online-Foren in den vergangenen zehn Jahren angewachsen sind. Zudem sei die Sprache radikaler geworden, schreibt die Autorin Monika Schwarz-Friesel.
Der Gemeindevorsitzende selbst muss eigenen Angaben zufolge täglich mit der Angst vor Angriffen leben: "Wir haben unser Haus sicher gemacht." Regelmäßig fährt die Polizei an seinem Heim in Detmold vorbei. Er stehe in gutem Kontakt zum Staatsschutz, sagt der ehemalige Hochschullehrer. Besonders, seitdem er sich mit der Partei Die Rechte angelegt hat. Funktionär Sascha Krolzig hatte Kellig in einem Online-Beitrag antisemitisch beschimpft und war dafür vor dem Amtsgericht Bielefeld im Februar zu sechs Monaten Haft verurteilt worden.
Es sei traurig, dass "ein Land mit dieser Geschichte es nicht schafft, Antisemitismus über den Bildungsweg zu bekämpfen". Darin sieht Kellig den einzigen Ausweg: Nicht nur Schulen, sondern alle Bildungseinrichtungen - bis hin zu den Universitäten - müssten sich diesem Thema mit deutlich mehr Wucht als bisher widmen.
Die Jüdische Gemeinde Herford-Detmold ist mit aktuell 85 Mitgliedern laut Kellig die zweitgrößte ihrer Art in Ostwestfalen. Laut Zentralrat der Juden haben die Jüdischen Gemeinden Deutschlandweit knapp 100.000 Mitglieder.
Bildunterschrift: Der Musikprofessor und Gemeindevorsitzende Matitjahu Kellig spricht von einer Zunahme der Anfeindungen.
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Lippische Landes-Zeitung, 24.04.2001:
Plakatieren verboten / Stadt sieht Straftatbestand
Horn-Bad Meinberg (upf). "Ein Täter lebt in Horn" lautet die Überschrift des Plakats, mit dem die AG Fossoli für ihre Veranstaltung über Karl Friedrich Titho werben will. Nicht jedoch in Horn: Das Ordnungsamt der Stadt hat die Plakatierung untersagt. Wegen der Verwendung des Begriffs "Täter".
"Wir wollen nicht die Plakatierung untersagen, sondern nicht Beihilfe zu einer Straftat leisten", erklärte Bürgermeister Eberhard Block gegenüber der LZ, "es gibt keine exakte Verbindung zwischen dem Begriff "Täter" und Fossoli". Die jedoch wird nach Blocks Ansicht auf dem Plakat hergestellt - da Titho aber wegen seiner Tätigkeit als Lagerleiter in Italien weder angeklagt noch verurteilt sei, kann er nach Blocks Ansicht in diesem Zusammenhang nicht als Täter bezeichnet werden. Die Veranstaltung in der Burgscheune wird nach Worten des Bürgermeisters nicht tangiert: "Wir haben keinerlei Anhaltspunkte, dass es dort zu Straftaten kommen könnte."
Die AG Fossoli will sich mit dem Verbot nicht so ohne weiteres abfinden.
Rechtsanwalt Günter Meyners: "Ich wüsste nicht, unter welchen Gesichtspunkten es strafbar sein sollte, Herrn Titho als Täter zu bezeichnen. Er ist in Holland verurteilt worden und an den Vorfällen in Fossoli beteiligt gewesen."
Ob tatsächlich eine Vorstrafe Tithos in den Niederlanden wegen Misshandlung von Gefangenen und der Beteiligung an einer Gefangenenerschießung vorliegt, wird nach Informationen der LZ gerade von der Staatsanwaltschaft Detmold überprüft. Tithos Rechtsanwalt Arndt Kuhlmann erklärte auf Anfrage, ihm sei hiervon nichts bekannt. Titho selbst erklärte bereits vor einiger Zeit: "Ich habe nie einen Gefangenen getötet und nie jemanden befohlen, einen Gefangenen zu töten."
Dass Karl Friedrich Titho "ein Täter" ist, steht für die bündnisgrüne Bundestagsabgeordnete Annelie Buntenbach aus Bielefeld, die die AG Fossoli unterstützt, außer Frage: "Es ist zwar gerichtlich strittig, was er in Fossoli gemacht hat, aber der Begriff Täter zieht sich durch seine gesamte Biografie." Das Plakatierungsverbot nennt Buntenbach "juristische Trickserei" - die Stadt täte gut daran, sich in die Diskussion auf politisch-ethischer Ebene einzumischen. "So leistet die Stadt Beihilfe zur Fortsetzung des unwürdigen Umgangs mit der NS-Vergangenheit", meint Buntenbach.
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