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Deister- und Weserzeitung , 08.02.2018 :

Informationen zum Bückeberg

Historiker erläutert Planungen

Hameln / Hagenohsen. Der Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte lädt zu einer Führung über das frühere Gelände der nationalsozialistischen Reichserntedankfeste am Bückeberg bei Hagenohsen sowie zu einer Informationsveranstaltung zum selben Thema in die Hamelner Sumpfblume ein.

Der Historiker Bernhard Gelderblom wird am heutigen Freitag, 9. Februar, ab 16 Uhr, vor Ort die Hintergründe, den Ablauf, die Inhalte und die Ziele der Propagandaveranstaltungen in den 1930er Jahren ansprechen.

Anschließend will er den Gestaltungsentwurf für einen "Dokumentations- und Lernort Bückeberg" der Arbeitsgemeinschaft Jung / Ermisch / Kerck erläutern, der auf dem Gelände realisiert werden soll. Diese Pläne werden im Raum Emmerthal kontrovers diskutiert. Treffpunkt für den Rundgang ist der Parkplatz des Friedhofs am nördlichen Ortseingang von Hagenohsen (Gehrkuhlenweg). Der Organisator bittet, auf festes und wasserdichtes Schuhwerk sowie warme Kleidung zu achten. Eine Anmeldung ist nicht erforderlich.

Am Montag, 12. Februar, ab 20 Uhr, referiert Gelderblom in der Sumpfblume über den Bückeberg und den Gestaltungsplan. Die Reichserntedankfeste gehörten zu den größten Massenkundgebungen des Nazi-Regimes, erinnert Gelderblom. Sie sollten auf Treue zum "Führer" einschwören und auch auf den Krieg vorbereiten. Gelderblom: "Die Menschen ließen sich damals allzu willig auf die Heilsversprechen des Regimes ein."

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Deister- und Weserzeitung, 06.02.2018:

Lernort mit Potenzial

Fachlehrer fordern didaktische Erschließung des Bückebergs

Von Philipp Killmann

Hameln-Pyrmont. Das Projekt für eine Dokumentationsstätte zu den Reichserntedankfesten der Nationalsozialisten am Bückeberg bekommt Rückendeckung: Zahlreiche Fachgruppen des Unterrichtsfachs "Geschichte" von Schulen im Landkreis Hameln-Pyrmont und Schaumburg sprechen sich in einer gemeinsamen Erklärung für die Doku-Stätte aus. Sie fordern eine didaktische Erschließung des ehemaligen Festplatzes als Lernort. Der Bückeberg habe "das Potenzial, der wichtigste Lernort zum Thema Nationalsozialismus in der Region" zu werden, heißt es in der Erklärung, welche die Lehrer an Mitglieder des Kreistages, die Gemeinde Emmerthal und die Dewezet verschickt haben. Am Bückeberg ließen sich mehrere Elemente der NS-Ideologie und ihrer Wirkungsweise veranschaulichen:

Die rassistische "Volksgemeinschaft", die vor Ort inszeniert wurde, damit das Volk an sie glauben konnte und die von Anfang an Menschen ausschloss.

Das faschistische "Führerprinzip" mit seiner charismatischen Herrschaft - Adolf Hitlers Bad in der Menge war Höhepunkt des Festes.

Die expansionistische "Blut und Boden"-Theorie - der Bauernstand als tragende Säule der NS-Herrschaft und der "Kampf um Lebensraum" als außenpolitische Agenda.

Der Antiindividualismus und Antiliberalismus - der Einzelne verschwindet in der Masse: "Du bist nichts, dein Volk ist alles."

Die manipulative Propaganda im autoritären Staat, vor Ort und in den Medien

Der Militarismus in Form von paramilitärischen Aufmärschen und kriegsinszenierenden Vorführungen der Reichswehr / Wehrmacht.

Die meisten dieser Aspekte ließen sich in Niedersachsen ausschließlich am Bückeberg erschließen, schreiben die Geschichtslehrer. Gedenkstätten, wie etwa an einstigen Konzentrationslagern, seien dafür nicht geeignet. Die KZs zeigten zwar eindrucksvoll, zu welchen Verbrechen der Nationalsozialismus imstande war, "liefern jedoch kein Verständnis dafür, warum so viele Menschen vom NS begeistert waren und ihm bis in den Untergang hinein folgten".

Die Lehrer weisen darauf hin, dass die Menschen auch heute "anfällig für Lügen, Hetze und Menschenfeindschaft" seien. "Die Geschichte der Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg kann für die zeitlose Verführbarkeit sensibilisieren, die aus dem Zusammenspiel von Gemeinschaftsbeschwörung, Überlegenheitsgefühl und Aggressivität hervorging", heißt es in der Erklärung.

"Da erschreckend wenige Schülerinnen und Schüler von der Bedeutung des Bückeberges in der Zeit des NS wissen und der Ort im heutigen Zustand auch keinerlei Informationen hierzu liefert, fordern wir die didaktische Erschließung des ehemaligen Festplatzes als Lernort", erklären die Lehrer. "Wir sind davon überzeugt, dass er einen wertvollen Beitrag für den Erhalt unserer Demokratie liefert und erinnern an die Worte des Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985: "Wir Älteren schulden der Jugend nicht die Erfüllung von Träumen, sondern Aufrichtigkeit. Wir müssen den Jüngeren helfen zu verstehen, warum es lebenswichtig ist, die Erinnerung wachzuhalten. ( … ) Es gibt keine endgültig errungene moralische Vollkommenheit - für niemanden und kein Land! Wir haben als Menschen gelernt, wir bleiben als Menschen gefährdet. ( … ) Die Bitte an die jungen Menschen lautet: Lassen Sie sich nicht hineintreiben in Feindschaft und Hass.""

Hinter der Erklärung stehen die Fachgruppen Geschichte der Handelslehranstalt, der Eugen-Reintjes-Schule, des Viktoria-Luise-, Schiller- und Albert-Einstein-Gymnasiums, der Elisabeth-Selbert-Schule und der Integrierten Gesamtschule in Hameln, des Humboldt-Gymnasiums in Bad Pyrmont, des Gymnasiums Ernestinum in Rinteln, des Studienseminars Hameln für das Lehramt an Gymnasien sowie die Leitung und das Kollegium des Studienseminars Hameln für das Lehramt an Gymnasien.

Bildunterschrift: Reichserntedankfest auf dem Bückeberg.

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Deister- und Weserzeitung, 03./04.02.2018:

Gedenkstätten-Stiftung weist Kritik zurück

Dokumentationsort Bückeberg ideal für "kritische Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus"

Emmerthal. Die besondere Bedeutung des Bückeberges als Dokumentations- und Lernort hat erneut die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten hervorgehoben. "Mit dem Bückeberg ergänzen wir die Dokumentations- und Gedenkstätten in Niedersachsen um einen zentralen Ort der nationalsozialistischen Selbstinszenierung", teilte gestern Stiftungs-Geschäftsführer Jens-Christian Wagner mit.

Mit Unverständnis reagiert er auf vehemente Kritik an dem Projekt aus dem lokalen Umfeld, wie es weiter heißt. "Die Finanzierung ist gesichert. Außerdem ist sichergestellt, dass das Gelände nicht überformt wird: Die landschaftsplanerischen Eingriffe sind minimal. Und dass der Ort Neonazis anziehen könnte, wie manche befürchten, halte ich für ausgesprochen unwahrscheinlich. Gerade die geplante kontextualisierende Kommentierung verhindert das."

Die Stiftung in Celle - 2004 durch einen einstimmigen Gesetzesbeschluss des Niedersächsischen Landtags begründet und auch zuständig für Bergen-Belsen - beteiligt sich seit Jahren inhaltlich und finanziell an den Planungen für den Bückeberg. Sie wird für die Umsetzung der Pläne mindestens 150.000 Euro zur Verfügung stellen, wie in der Mitteilung hervorgehoben wurde. Weitere Mittel für das Projekt, dessen Kosten auf 450.000 Euro geschätzt werden, kommen vom Landkreis und weiteren Stiftungen.

Für die Etablierung der NS-Diktatur und die ideologische Durchdringung der propagierten "Volksgemeinschaft" hatten die "Reichserntedankfeste" der NS-Führung zwischen 1933 und 1937 am Bückeberg eine ähnliche Bedeutung wie die Maifeiern in Berlin und die Reichsparteitage in Nürnberg, wie die Einschätzung der Stiftung lautet. Dieser Bedeutung entsprechend solle das ehemalige Festgelände "behutsam umgestaltet" werden.

"Es ist wichtig, dass wir nicht nur der Opfer des Nationalsozialismus würdig gedenken, sondern auch nach der Funktionsweise der NS-Diktatur fragen", erklärt Wagner. "Dazu müssen wir uns viel stärker als bisher mit den Tätern, Mittätern und Zuschauern befassen und nach den Gründen fragen, warum die meisten Deutschen bereitwillig mitmachten. Der Dokumentationsort am Bückeberg bietet für eine solche kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus ideale Voraussetzungen." Er begrüße, so Wagner, dass der Gestaltungsentwurf für den Dokumentationsort nun öffentlich im Kreishaus in Hameln präsentiert wird. Durch fundierte Information könne man die kontroverse Diskussion hoffentlich versachlichen.

Bildunterschrift: "Es ist wichtig, nach der Funktionsweise der NS-Diktatur fragen." Jens-Christian Wagner, Gedenkstätten-Stiftung.

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Deister- und Weserzeitung, 02.02.2018:

"Projekt fiel nicht vom Himmel"

Ausstellung zu Bückeberg-Plänen im Kreishaus

Von Philipp Killmann

Hameln-Pyrmont. Die Pläne für die Dokumentationsstätte am Bückeberg waren wiederholt öffentlich vorgestellt, von der Politik diskutiert und schließlich weitgehend auf den Weg gebracht worden. Trotzdem müssen sich die Beteiligten seit einigen Wochen von Kritikern unter anderem den Vorwurf gefallen lassen, man hätte "über die Köpfe des Volkes hinweg" gehandelt.

Nun gehen Landrat Tjark Bartels und Projektinitiator Bernhard Gelderblom einen weiteren Schritt auf ihre Widersacher zu: mit einer Informationsoffensive, die am Donnerstag im Kreishaus mit der Eröffnung einer Ausstellung zur geplanten Doku-Stätte am Bückeberg ihren Auftakt hatte. Im Foyer des Kreishauses können sich die Bürger nun während der Öffnungszeiten der Verwaltung an Hand von Infotafeln über die Gestaltungspläne informieren (bis zum 16. März). Unter den Gästen bei der gestrigen Eröffnung überwog wohl die Anzahl der Pressevertreter. Nur wenige Bürger fanden sich ein. Als Gegner gab sich zumindest niemand zu erkennen.

"Wirklich jeder soll die Möglichkeit haben, sich die Pläne anzusehen", sagte Landrat Bartels in seiner Begrüßungsrede und befand: "Das Gespräch ist in den letzten Wochen zu kurz gekommen." Gleichzeitig mahnte er zu mehr "Sachlichkeit". Verbale Angriffe gegen oder "Bloßstellungen" von Einzelpersonen seien fehl am Platz. Bartels verwies auf weitere Gesprächsrunden und Veranstaltungen zum Thema. So komme der Landrat bereits in der kommenden Woche in geschlossener Runde mit Kritikern und Befürwortern der Bückeberg-Pläne zu einem Gespräch zusammen. Darüber hinaus kündigte er eine öffentliche "historische Fachveranstaltung" an, die Ende Februar stattfinden soll.

"Dieses Projekt ist nicht vom Himmel gefallen", rief Bernhard Gelderblom in Erinnerung. Seit 20 Jahren werde an den Plänen gearbeitet, die in den vergangenen zwei Jahren nun in dem vorliegenden Konzept aufgegangen seien. Vor diesem Hintergrund seien die Argumente der Kritiker mitunter "kränkend".

Besucher Werner Schmidt, ehemaliger Schulleiter der Wilhelm-Raabe-Schule, halte die hinter dem Projekt steckende Erinnerungskultur zwar für richtig, sei aber nicht davon überzeugt, mit dem vorliegenden Konzept Schüler anlocken zu können. Seine Frau Renate Schmidt mahnte, die Kritiker ernst zu nehmen, um sie nicht den Rechten zu überlassen.

Klaus-Peter Wennemann von der FDP war als "Privatmann" zugegen. Er befürworte das Projekt, warnte aber vor einem "Kommunikations-Gau", an dem es zu scheitern drohe. "Die Leute haben noch nicht verstanden, was das überhaupt soll", so Wennemann.

Heute Abend um 20 Uhr haben sie einmal Gelegenheit dazu, sich darüber zu informieren. Um 20 Uhr referiert Bernhard Gelderblom im Freiraum über das Thema. Am Freitag, 9. Februar, 16 Uhr, lädt der Historiker zudem zu einer öffentlichen Führung über den Bückeberg ein.

Hinweis: Einsehbar und als PDF-Dokument erhältlich sind die Gestaltungspläne auch auf der Website www.dokumentation-bueckeberg.de.

Bildunterschrift: Landrat Tjark Bartels (li.) und Bernhard Gelderblom bei der Ausstellungseröffnung im Foyer des Kreishauses.

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Deister- und Weserzeitung, 31.01.2018:

Mehrheit für Einwohner-Befragung

Bückeberg-Pläne: CDU und FWE unterstützen AfD-Antrag / SPD: Entscheidung liegt nicht bei der Gemeinde

Von Christian Branahl

Emmerthal. Nun gibt es also doch den Schulterschluss: CDU und FWE in Emmerthal unterstützen den Antrag der AfD. Danach soll es laut der Mehrheit der drei Fraktionen im zuständigen Fachausschuss eine Einwohnerbefragung zu den Plänen geben, am Bückeberg ein historisch-topografisches Informationssystem zu dem Schauplatz der nationalsozialistischen Propagandaveranstaltungen "Reichserntedankfest" zu schaffen. Die endgültige Entscheidung liegt beim Rat. "Wenn das Projekt vom Landrat und seinen Mitstreitern unverändert durchgepeitscht werden soll, wird eine Einwohnerbefragung in Emmerthal unumgänglich sein", sagte gestern in dem Ausschuss Rudolf Welzhofer (CDU), der daran erinnerte, dass bereits 1.500 Unterschriften gegen das Projekt in der vorgestellten Form gesammelt worden seien. Ruth Leunig (SPD) befürwortete hingegen die Pläne für den Bückeberg, auch wenn sie Verständnis für skeptische Stimmen habe. Nach einer rechtlichen Einschätzung würde aber eine Einwohnerbefragung "faktisch ins Leere laufen", da die Entscheidung zum Bückeberg nicht bei der Gemeinde liege.

Zunächst nutzten Kritiker und Befürworter des Projektes bei der Einwohnerfragestunde die Gelegenheit, ihre Meinungen vorzutragen, bevor die Politiker in die lange Debatte einstiegen. Immer wieder ging es um unterschiedliche Interpretationen früherer Beratungen. Und lange dauerte es, bis Bürgermeister Andreas Grossmann (SPD) sich in die Debatte einschaltete. Zwar sei die Gemeinde über die ganzen Jahre vom Verfahren zum Denkmalschutz bis hin zu den heutigen Entwürfen beteiligt worden, aber, so sagte Grossmann zur Einwohnerbefragung: "Wir haben keine Entscheidungshoheit."

Mit dem Ziel ihrer Partei, grundsätzlich mehr Bürgerbeteiligung zu erreichen, begründete Delia Klages von der AfD den Antrag ihrer Fraktion. Während sich allerorten bis hin zur Bundesebene die Christdemokraten von den Rechtspopulisten abgrenzen, nannte Emmerthals CDU-Ratsherr Welzhofer als Grund für die Unterstützung: "Wenn der Antrag nicht von der AfD gekommen wäre, hätten wir ihn gestellt."

Der Bürgermeister erinnerte daran, dass Ernst Nitschke von der FWE bereits 2011 eine Bürgerbefragung zum Denkmalschutz des Bückeberges beantragt habe. Und damals habe sich der Rat mehrheitlich mit Ausnahme von zwei Stimmen der Wählergemeinschaft dagegen ausgesprochen. "Auch damals wäre das ins Leere gelaufen", erinnerte Grossmann daran, dass beim Denkmalschutz die Entscheidung beim Land gelegen hätte.

Letztlich geht der politische Streit darum, wie die Gestaltungspläne zu bewerten sind. Die Bürgerschaft wolle sie nicht in dieser Form unterstützen, sagte Nitschke, der darauf hinwies, persönlich rund 750 Unterschriften gesammelt zu haben. Ein Schreiben der früheren niedersächsischen Ministerin für Wirtschaft und Kultur, Johanna Wanka (CDU), führte Welzhofer als Beleg dafür an, dass die Pläne für den Bückeberg über das Ziel hinausgingen. Sie habe der Gemeinde zugesichert, dass weder Rekonstruktionen noch eine Gedenkstätte geplant seien, sagte Welzhofer. Genau diese schriftliche Formulierung des Ministeriums habe er damals eingefordert, sagte hingegen der Bürgermeister. Und daran würden sich die Entwürfe orientieren - deshalb habe er als Mitglied der Jury zugestimmt, sagte Grossmann. Weder Gebäude noch große Bodenbewegungen - er bleibe dabei: "Ein niederschwelliges Angebot."

Ausstellung zeigt Pläne im Kreishaus

Eine Ausstellung soll den Einwohnern der Region ermöglichen, sich mit den Gestaltungsplänen für das seit 2011 unter Denkmalschutz stehende Gelände am Bückeberg zu befassen.

Die Entwürfe zur Gestaltung eines historisch-topografischen Informationssystems, mit dem das Areal als Festplatz der so genannten Reichserntedankfeste erschlossen werden soll, sind ab morgen bis zum 16. März im Foyer des Hamelner Kreishauses zu sehen.

Zur Eröffnung der Ausstellung am Donnerstag, 1. Februar, um 10 Uhr im Kreishaus stehen als Gesprächspartner Landrat Tjark Bartels, Justus Brennecke (Leiter des Projektes beim Landkreis) und der Historiker Bernhard Gelderblom zur Verfügung.

Bildunterschrift: Rekonstruktionen sind laut Entwürfen nicht vorgesehen. Hinweistafeln informieren an Rundwegen über den Bückeberg.

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radio aktiv e.V., 30.01.2018:

Emmerthal: AfD setzt im Fachausschuss Bürgerbefragung zum Bückeberg durch

30.01.2018 - 19.44 Uhr

Wie wird der Rat entscheiden?

Kaum ein Thema erhitzt die Gemüter im Weserbergland zur Zeit so sehr, wie das geplante historisch-topographische Informationssystem auf dem Bückeberg - auf dem Gelände der Reichserntedankfeste der Nazis. Im Fachausschuss der Gemeinde Emmerthal hat sich am Dienstag die AfD durchgesetzt, zum künftigen Lern- und Erinnerungsort auf dem Bückeberg eine Bürgerbefragung durchzuführen. Die CDU / FWE-Gruppe stimmte dem Antrag der AfD zu. Das letzte Wort dazu hat jetzt der Gemeinderat am 22. Februar. Für die Bürgerbefragung wird mit Kosten in Höhe von 10.000 Euro gerechnet. Das Ergebnis dieser Bürgerbefragung ist rechtlich nicht bindend.

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Deister- und Weserzeitung, 27./28.01.2018:

Ein Berg von Fragen

Antworten zur geplanten Dokumentationsstätte auf dem Bückeberg

Von Christian Branahl und Frank Henke

Es war eine gigantische Propaganda-Inszenierung: Mehr als eine Millionen Besucher soll das letzte Reichserntedankfest der Nationalsozialisten auf den Bückeberg bei Hagenohsen gelockt haben. Von 1933 bis 1937 war dies eine der größten Massenveranstaltungen der NSDAP. Daran erinnern soll nun ein "historisch-topografisches Informationssystem". Dies sorgt jedoch seit Wochen für Diskussionen und stößt oft auf deutliche Ablehnung. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema:

Warum brauchen wir eine Gedenkstätte?

Gegenfrage: Welche Gedenkstätte? Immer wieder taucht dieser Begriff ebenso wie der des Dokumentationszentrums auf. Das trifft es weder vom Ziel noch vom Vorhaben selbst. Nicht einmal im Ansatz sollen frühere und ohnehin nur fragmentarisch vorhandene Teile wie die Tribüne rekonstruiert werden. Weder geht es um Neubauten oder Wiederaufbau, lediglich über Hinweistafeln und einen Rundweg soll der Bückeberg erschlossen werden. Dabei wichtig: Als Kulturdenkmal hat das Land das Areal ausgewiesen - als "eines der am besten erhaltenen und eindrucksvollsten Zeugnisse monumentaler Landschaftsarchitektur und gestalteter Kulturlandschaft aus der Zeit des Nationalsozialismus" (Henning Haßmann, Landesamt für Denkmalpflege). Die frühere CDU-Landesregierung tat sich zunächst schwer mit der Entscheidung, bestand dann auf einen Konsens mit den Beteiligten vor Ort. Den sah der frühere Wissenschaftsminister Lutz Stratmann schließlich hergestellt. Zum Denkmalschutz gebe es keine Alternative - "sonst würden wir uns in der bundesweiten Wissenschaft lächerlich machen", sagte 2009 der CDU-Politiker.

Was genau ist geplant?

Das Konzept des Planer-Teams - bestehend aus Martina Jung, dem Büro für Gestaltung Ermisch sowie den Landschaftsarchitekten Dröge + Kerck aus Hannover - sieht acht Themeninseln mit Informationstafeln vor, erreichbar über gemähte Graswege. Es solle behutsam und zurückhaltend mit dem Gelände umgegangen werden, betont Bernhard Gelderblom, Vorsitzender des Vereins für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln und Initiator des Projektes. Die Anmutung des Berges soll erhalten bleiben. Die acht Infoinseln sind auf das 40 Fußballfelder große Gelände verteilt, in Abständen von durchschnittlich 150 Metern. Über die überwachsenen Fundamentreste der einstigen Ehrentribüne am oberen Rand des Geländes soll ein Steg geführt werden. Den noch gut sichtbaren Mittelweg - einst "Führerweg" - hinab wäre von dort der Blick frei auf den Platz der einstigen Rednertribüne. An dieser Stelle wurde ein Schriftzug ("Propaganda") vorgeschlagen, der jedoch - wie bereits feststeht - nicht realisiert wird.

Entsteht damit nicht eine Kultstätte für Neonazis?

Die Erzählung von Ewiggestrigen, die Blumen am Bückeberg niedergelegt haben, zieht sich wie ein roter Faden durch die sorgenvollen Äußerungen. Es kann so durchaus geschehen sein, doch es gab keine organisierten Versammlungen. Und: Es gibt keine Ansätze dafür, dass ein als Lern- und Dokumentationsort ausgewiesenes Gelände Pilgerziel für Rechte werden könnte. Obersalzberg? Nürnberg? Größere Probleme sind dort nicht bekannt. Und wenn, dürfte das kein Grund sein, vor ihnen einzuknicken. Wie bei der Wewelsburg nahe Paderborn. Heinrich Himmler als Reichsführer SS hatte ihren Ausbau als ideologisches Zentrum zum Ziel. Als Ort der SS-Mythologie mit dem Sonnenrad lockte die Wewelsburg vor allem seit den neunziger Jahren dann die rechte Szene. Museum und Bevölkerung setzten alle Hebel in Bewegung, den unerwünschten Besuchern erfolgreich entgegenzutreten.

Warum werden die Einwohner nicht mit einbezogen in die Gestaltung der Erinnerungsstätte?

Wie bei kaum einem anderen unbequemen Erbe des Nationalsozialismus bezogen die Verantwortlichen die Bevölkerung mit ein. Schon 2009 waren Vertreter der Einwohner zu einem Symposium in Hannover mit Experten eingeladen, als es um den umstrittenen Denkmalschutz ging. Wissenschaftler aus dem gesamten Bundesgebiet befassten sich später unter Öffentlichkeitsbeteiligung immer wieder mit dem Thema. 2013 verabschiedet ein Workshop auf Einladung der Stiftung Niedersächsischer Gedenkstätten - 2004 durch einen einstimmigen Gesetzesbeschluss des Niedersächsischen Landtags begründet und auch zuständig für Bergen-Belsen - ein Zehn-Punkte-Papier. Wie kaum anderswo böten "die Ereignisse der Reichserntedankfeste die Möglichkeit, die Entwicklung und Funktionsweise der NS-Herrschaft in den Vorkriegsjahren ab 1933 aufzuzeigen". Mit finanzieller Unterstützung der Stiftung startete 2015 der Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln das Projekt für den Dokumentations- und Lernort. Im Dezember 2016 wurde das Projekt im Rat der Gemeinde Emmerthal vorgestellt, ohne auf Widerspruch zu stoßen. Ebenfalls mit wissenschaftlicher Unterstützung fand schließlich der Wettbewerb statt, wie das Areal gestaltet werden könnte. Der Jury gehörte auch der Emmerthaler Bürgermeister Andreas Grossmann an. Wie kaum von einem anderen sind dessen Aussagen dokumentiert, immer wieder seit Beginn seiner Amtszeit die Sorgen der Bevölkerung vorgebracht zu haben. In dem Entwurf der Planer aber sieht der Bürgermeister begründet "ein niederschwelliges Angebot". Trotzdem: Das Projekt ist längst eine überregionale Aufgabe, auch wenn nach wie vor Einwohner der Region mit Vorschlägen dabei sind.

Warum muss nach so vielen Jahren denn noch ein Erinnerungsort geschaffen werden?

Die wohlgemeinte Sorge klingt mit. Dabei muss die Frage lauten: Warum musste es so lange Zeit dauern, bis dieser überfällige Schritt umgesetzt wird? Es geht nicht vordergründig darum, dass der Hamelner Historiker Gelderblom sein Ziel erreicht, seine über viele Jahre hartnäckig verfolgten Pläne umzusetzen. Auch kann es nicht der Grund sein, ein Angebot für Touristen zu schaffen. Und der Ansatz von Geschichtslehrern, unrühmliche Kapitel der Vergangenheit Schülern anschaulicher darzustellen, ist vielleicht ein weiteres wichtiges Argument, aber nicht ausschlaggebend. Der Bückeberg gilt als bundesweiter Ort, an dem die NS-Herrschaft anschaulich deutlich wird. Dr. Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung Niedersächsischer Gedenkstätten in Celle, begrüßt den Weg "einer kritischen Vor-Ort-Dokumentation des Bückeberges als überregional wichtigem Ort nationalsozialistischer Selbstinszenierung". Seine Begründung: "Die NS-Verbrechen, für die Orte wie Bergen-Belsen, Salzgitter-Drütte, Sandbostel und viele andere in Niedersachsen stehen, fanden im Kontext der von den Nationalsozialisten propagierten "Volksgemeinschaft" statt, die radikal rassistisch formiert war. Das bedeutet, dass die Verbrechen ohne ihren gesellschaftlichen Rahmen gar nicht erzählt und auch nicht verstanden werden können: Bergen-Belsen und der Bückeberg gehören zusammen, sind Teil eines Systems. Wer über die Verbrechen spricht, muss zwingend auch über die Täter und die Mitmachbereitschaft in der Bevölkerung sprechen."

Was kostet das alles? Und wer bezahlt?

Für die "Konzeptionsphase" - vom April 2016 bis Ende März 2018 - existierte ein Etat von 138.500 Euro. Der Großteil des Geldes kam von der Stiftung Niedersächsischer Gedenkstätten (60.000 Euro), 44.000 Euro zahlte der Landkreis, den Rest Stiftungen und Sponsoren. Als Baukosten werden 450.000 Euro erwartet. Der Landkreis will bis zu 225.000 Euro geben. Davon soll allerdings auch eine Toilettenanlage bezahlt werden, die in der Bausumme von 450.000 Euro nicht enthalten war. Sie könne rund 100.000 Euro kosten, erwartet Gelderblom. "Das Problem ist, dass die Finanzierung noch nicht abgeschlossen ist. Die Gespräche laufen aber sehr aussichtsreich." Die Summe, die der Landkreis aufbringt, kann sich verringern, wenn weiterhin erfolgreich Fördermittel eingeworben werden. Zugesagt sind bereits 50.000 Euro von der Bingo-Umweltstiftung und weitere 50.000 Euro von der Stiftung Niedersachsen, im März entschieden wird über 16.000 Euro Förderung von der Klosterkammer. Die Stiftung Niedersächsischer Gedenkstätten könne noch keine Aussage über die Höhe ihrer Förderung machen. Gängig ist jedoch eine Förderung von 50 Prozent. Weitere Fördergelder - etwa Leader-Mittel - werden voraussichtlich hinzukommen.

Als Folgekosten werden zunächst bis einschließlich 2021 insgesamt 306.500 Euro kalkuliert: Für die volle Stelle eines Geschäftsführers einer noch zu gründenden gGmbH, der zugleich wissenschaftlicher Leiter ist, sowie einer Viertel Sachbearbeiter-Stelle. Diese Kosten müsste nach derzeitigem Stand der Landkreis aufbringen. Hinzu kommen die Kosten für - wohl überschaubare - Pflegemaßnahmen auf dem Gelände.

Bildunterschrift: Der Bückeberg heute (o.) und bei einem der "Reichserntedankfeste". Der erhöhte einstige "Führerweg" ist noch immer von weitem zu erkennen.

Bildunterschrift: Themeninseln mit Informationstafeln sollen über das 40 Fußballfelder große Gelände verteilt werden.

Bildunterschrift: Über die Betonfundamente der einstigen Ehrentribüne soll ein Steg gelegt werden.

Bildunterschrift: Die Anmutung des Hanges soll die Dokumentationsstätte möglichst wenig verändern. Die "Inseln" verbinden Graswege.

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Deister- und Weserzeitung, 25.01.2018:

CDU hält Landrat Niveaulosigkeit vor

Hagenohsen. Die CDU-Kreistagsfraktion hält Landrat Tjark Bartels Niveaulosigkeit vor. Die Christdemokraten reagieren damit auf Bartels’ Stellungnahme in dieser Zeitung zu dem am Dienstag von der CDU eingereichten Antrag, die Gelder für die geplante Dokumentationsstätte am Bückeberg wieder aus dem Haushaltsplan 2018 herauszunehmen. "Die Äußerungen des Landrates zu diesem Antrag, die CDU-Kreistagsfraktion in eine Koalition mit der AfD zu bringen, sind unfassbar und werden diesem sensiblen Thema nicht gerecht", heißt es in einer gestern veröffentlichten Presseerklärung der CDU. "Einen sachlichen Antrag so zu bewerten und zu kommentieren, ist unter jedem Niveau." Auch im Hinblick auf die geplante Dokumentationsstätte zu den "Reichserntedankfesten" der Nazis am Bückeberg sollten "alle anerkennen", dass es in einer Demokratie auch andere Meinungen und Bewertungen eines Themas gebe. "Nur weil eine Meinung nicht jedem Zeitgeist entspricht, muss sie nicht falsch sein und eine Fassungslosigkeit hervorrufen", heißt es weiter im Text mit Blick auf den redaktionellen Standpunkt, der Teil dieses Dewezet-Berichtes war. Vor dem Hintergrund der öffentlichen Debatte müsse "dieses Thema
( … ) in den Kreistagsgremien vernünftig abgearbeitet werden". Schließlich, heißt es weiter im Pressetext, gehe es "um Steuergelder der Bürger, die sorgsam eingesetzt werden sollen". Am Bückeberg soll eine Doku-Stätte entstehen, die über die Propaganda-Veranstaltungen der Nazis am Bückeberg aufklärt.

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Deister- und Weserzeitung, 24.01.2018:

Kippt Kreistag Bückeberg-Projekt?

CDU will Gelder aus dem Haushaltsplan nehmen / Kritik auch aus den Reihen der SPD

Von Philipp Killmann

Hagenohsen. Droht die geplante Dokumentationsstätte zu den "Reichserntedankfesten" am Bückeberg zu scheitern? Die CDU-Kreistagsfraktion hat gestern beantragt, die Gelder, welche von der Kreisverwaltung für das Projekt in den erst noch zu beratenden Haushaltsplan 2018 gestellt worden sind, wieder herauszunehmen. Aber auch aus der SPD-Fraktion kommt Kritik.

"Der Kreistag und seine Ausschüsse müssen sich gesondert mit der Thematik Bückeberg befassen und einen Grundsatzbeschluss herbeiführen, ob eine Gedenkstätte, in welcher Form auch immer, errichtet werden soll", schreibt Hans-Ulrich Siegmund, der CDU-Fraktionschef, in dem Antrag. "Das Thema muss sensibel behandelt werden und vor dem Hintergrund der sehr kontroversen öffentlichen Diskussion aus der gesamten Haushaltsdebatte herausgenommen werden."

Mit Werner Sattler, dem Kreistagsvorsitzenden, gibt es auch mindestens einen Sozialdemokraten, der nicht hinter den Plänen für die Doku-Stätte steht: "So wie das jetzt geplant ist, bin ich dagegen", bestätigt er auf Anfrage der Dewezet, nachdem er sich gestern bei Radio Aktiv bereits kritisch über das Projekt geäußert hatte. "Ich kenne niemanden aus meinem Bekanntenkreis, der die geplante Gedenkstätte befürwortet", so Sattler. Dem schließe er sich an. Die Kosten gäben ihm zu denken, von dem Projekt als Besuchermagnet sei er auch nicht überzeugt. Gegen eine Erinnerung vor Ort sei er zwar nicht, aber dafür gebe es auch andere, kostengünstigere Möglichkeiten. "Wenn es nicht gelingt, die Menschen mitzunehmen, wird es auch keine Akzeptanz dafür geben", meint der Kreistagsvorsitzende. Deshalb könne er sich eine Bürgerbefragung vorstellen. Die hatte unlängst bereits die AfD-Fraktion der Gemeinde Emmerthal beantragt (wir berichteten).

Ulrich Watermann, der Fraktionsvorsitzende von SPD / Pro Bürger, sieht für Sattlers Haltung indes keine Mehrheit in seiner Fraktion. "Die Position in der SPD ist eigentlich sehr eindeutig, und zwar, dass etwas getan werden muss", so Watermann. Für den CDU-Antrag sehe er "keine Notwendigkeit". Wenn es jedoch noch Klärungsbedarf gebe, könne man dafür einen Sperrvermerk vornehmen. Heißt: Die Mittel blieben im Haushalt, würden aber erst nach Aufhebung des Sperrvermerks bewilligt. "Alles andere sendet das falsche Signal, nämlich, gar nichts mehr zu machen", sagt der SPD-Chef.

Dazu will es Landrat Tjark Bartels (SPD) nicht kommen lassen. "Wir ermöglichen bei diesem Thema seit vielen Monaten einen guten Prozess der Mitnahme, der jetzt plötzlich mit diesem Antrag in Frage gestellt wird", so Bartels. "Damit müsse man schon sehr aufpassen, sich nicht mit der Geschichtsvergessenheit der AfD in Emmerthal gemeinzumachen." Der Landrat weiter: "Wenn schon die Emmerthaler CDU mit der AfD faktisch koaliert, würde ich doch erwarten, dass die CDU-Kreistagsfraktion zu unserer besonderen Verantwortung für diesen Ort steht!" Jetzt wäre "Zeit für ein eindeutiges Bekenntnis". Für konstruktive Kritik sei er weiterhin offen und verweist auf ein "Bürgerforum", das Ende Februar stattfinden soll und in dem die unterschiedlichen Meinungen zum Projekt gehört werden sollen.

Während auch die Linke hinter der Planung der Kreisverwaltung steht, wie der Fraktionsvorsitzende Peter Kurbjuweit auf Anfrage mitteilt, ist noch unklar, wie sich die Gruppe FDP / Die Unabhängigen positionieren wird. Heinrich Fockenbrock, der FDP-Fraktionschef, verweist gegenüber dieser Zeitung auf die morgige FDP-Kreisverbandsvorstandssitzung, auf der man sich zu dem Thema beraten wolle, sowie auf den Kreisparteitag Ende Februar, auf der die Parteimitglieder zur Sache befragt werden sollen. Die Unabhängigen, die Grünen sowie die AfD waren bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen.

Die Abstimmung im Kreistag dürfte in jedem Fall knapp werden. Die Gruppe SPD / Pro Bürger könnte mit dem Landrat zwar auf 26 von 51 Stimmen kommen und hätte damit die Mehrheit. Doch ohne die Stimme von Werner Sattler käme sie mit Bartels nur noch auf 25 Stimmen.

Unterdessen finden weiter bereits Führungen am Bückeberg statt, die über die Propagandaveranstaltungen aufklären. So auch gestern Mittag. Bernhard Gelderblom, der Initiator der Dokumentationsstätte, führte Schüler des Wirtschaftsgymnasiums über das großflächige Gelände. Zwei Stunden lang hingen die Schüler an seinen Lippen. Von den Plänen für die Doku-Stätte wussten sie bis dahin noch nichts. Dass über 70 Jahre nach dem Nationalsozialismus nicht mal eine Infotafel an das Geschehen vor Ort erinnert, sorgte für Verwunderung.

Mein Standpunkt

Das Ausmaß des Widerstands gegen die Doku-Stätte hat mich bereits überrascht. Das jetzt folgende Einknicken von Teilen des Kreistags macht mich fassungslos. Die Doku-Stätte ist nicht übermäßig teuer und erst recht kein Makel, den es zu verhindern gelte, sondern eine Chance, die jeden Euro wert ist.

Von Philipp Killmann, Lokalredaktion

Bildunterschrift: In den vergangenen knapp 83 Jahren ist über die Reste der NS-Propagandaveranstaltungen am Bückeberg viel Gras gewachsen.

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Deister- und Weserzeitung, 19.01.2018:

Rat befasst sich mit dem Bückeberg

Sitzung voraussichtlich am 22. Februar / CDU und FWE legen weitere Anträge vor

Von Christian Branahl

Emmerthal. Zwar liegt die Gestaltung des Bückeberges als Informationsstätte über die NS-Propagandaveranstaltung "Reichserntedankfest" nicht in der Regie der Gemeinde, dennoch: Nach dem Willen von CDU und FWE soll sich der Emmerthaler Rat dazu in einer Sondersitzung positionieren. Und die Haltung der Gruppe steht bereits fest, wie Rudolf Welzhofer (CDU) und Ernst Nitschke (FWE) gestern mitteilten: Hinweistafeln am Fuß des Berges und im oberen Tribünenbereich - nicht mehr. "Bei der zukünftigen Gestaltung des Bückeberges soll der Ist-Zustand erhalten bleiben", heißt es in dem Antrag, der nach der Sitzung der Gruppe am Mittwochabend gestern im Rathaus eingereicht wurde.

Anfang der Woche hatte Gruppensprecher Welzhofer bereits begründet, dass es in seiner Fraktion und in der Wählergemeinschaft keinen Befürworter der Pläne eines "historisch-topografischen Informationssystems" als Dokumentations- und Lernstätte gebe. Der Zustand des Bückeberges in der vorhandenen Ausprägung bestehe seit 70 Jahren, heißt es in dem Antrag. "Um der geschichtlichen Bedeutung des Bückeberges zu entsprechen, reicht es vollkommen aus, mit Hinweistafeln auf die Ereignisse der Jahre 1933 bis 1937 zu verweisen", begründen die beiden Fraktionsvorsitzenden. Die Dokumentation, die derzeit im Museum Hameln ausgestellt sei, solle in das Museum der Gemeinde Emmerthal überführt werden. In zwei weiteren Anträgen geht es CDU und FWE darum, die Gemeinde "von jeglichen direkten und indirekten finanziellen Belastungen, die durch Gestaltungsmaßnahmen am Bückeberg entstehen, freizustellen" und dass sie sich an keiner Gesellschaft beteilige.

Bürgermeister Andreas Grossmann (SPD) bestätigte, für die Sitzung des Rates den 22. Februar vorgeschlagen zu haben, zu diesem Termin aber in Absprache mit dem Ratsvorsitzenden eingeladen werden solle. Zuvor würden die Anträge - auch der von der AfD zur Bürgerbefragung - im Fachausschuss am 30. Januar beraten. Was die Anträge zu Finanzen und einer möglichen gemeinnützigen Gesellschaft angehe, sei seine Meinung immer klar gewesen: Auf Grund ihrer finanziellen Situation könne die Gemeinde die Umgestaltung des Bückeberges nicht bezuschussen. "Das habe ich immer gesagt", da es den Einwohnern nicht darstellbar sei, wenn Geld für Gehwege oder Schulen fehle. Grossmann: "Der Bückeberg ist ein geschichtsträchtiger Ort von überregionaler Bedeutung - also muss er auch überregional finanziert werden."

Beim Thema Gestaltung allerdings habe er eine ebenso klare Haltung, meinte Grossmann - und daher lehne er den Antrag von CDU und FWE ab. "Zwei Hinweistafeln? Dann können wir gleich ganz darauf verzichten", sagte der Bürgermeister. Er habe sich immer für ein "niederschwelliges Angebot" ausgesprochen, um die Hintergründe am Bückeberg darzustellen. Als Mitglied der Jury habe er den nun vorliegenden Entwurf mit ausgesucht. Daran halte er fest. Und für die nun bevorstehende politische Debatte habe er einen Wunsch, sagte Grossmann: "Dass sie sachlich bleibt und nicht populistisch ausufert."

Bildunterschrift: Lediglich Hinweistafeln wollen CDU und FWE, ansonsten den Zustand des Bückeberges in bisheriger Form beibehalten. Bürgermeister Andreas Grossmann befürwortet aber die Pläne der Jury (links) als niederschwelliges Angebot.

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Deister- und Weserzeitung, 16.01.2018:

Bückeberg - Rat soll sich positionieren

CDU und FWE fordern Sitzung im Februar

Emmerthal. Die Emmerthaler CDU und FWE haben gestern den Antrag gestellt, eine gesonderte öffentliche Sitzung des Rates zum Thema Bückeberg im Februar einzuberufen. Gruppensprecher Rudolf Welzhofer (CDU) kündigte dazu für die Gruppe in den kommenden Tagen weitere inhaltliche Sachanträge an, um eine "abgespeckte Version" zu den derzeit diskutierten Plänen vorzustellen.

Über den Gestaltungsentwurf, auf dem Gelände der früheren NS-Propagandaveranstaltung "Reichserntedankfeste" ein historisch-topografisches Informationssystem zu realisieren, ist bekanntlich eine kontroverse Debatte entbrannt, bei der sich Befürworter und Gegner gegenüberstehen. Für die Gruppe aus CDU und FWE sagt Welzhofer, dass es dort keine Stimme für die Pläne gebe. Auch in der Emmerthaler Bevölkerung erlebe er die ablehnende Haltung. Die Gruppe wolle am Mittwoch ein Konzept abstimmen, das "sich deutlich abhebt von dem, was zur Zeit in der Diskussion ist", sagte Welzhofer, ohne weiteren Details vorgreifen zu wollen. Die Ratssitzung müsse stattfinden, bevor sich der Kreistag im März mit dem Thema befasse. Das Projekt Bückeberg habe für die Entwicklung der Gemeinde erhebliche Bedeutung, heißt es im Antrag. Deshalb müsse die Gemeinde ihre Position "frühzeitig und durch rechtsverbindliche Ratsbeschlüsse festlegen". Dabei sei es "unabdingbar", die Wünsche und Befürchtungen der Bürgerschaft einzubeziehen.

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Deister- und Weserzeitung, 15.01.2018:

Aufklärung über das Mitmachen

Verantwortliche vergleichbarer Info-Stätten halten Bückeberg-Pläne für "begrüßenswert" und "angemessen"

Von Philipp Killmann

Hagenohsen. Gegner der geplanten Informationsstätte zu den "Reichserntedankfesten" am Bückeberg sind der Meinung, der Ort des einstigen NS-Propaganda-Geschehens sei dafür ungeeignet. Orte, an denen sich Konzentrationslager befunden hätten, ja, aber der Bückeberg, an dem Hunderttausende den Diktator Adolf Hitler bejubelt haben, nein. Der Bückeberg laufe sonst Gefahr, zur Pilgerstätte von Neonazis zu werden. Die Jugend hingegen, die eigentliche Zielgruppe des Aufklärungsprojekts, würde auf diesem Wege nicht erreicht werden, glauben die Bedenkenträger. Das sehen Lehrer, wie berichtet, anders. Zumal der Bückeberg nicht der einzige Propagandaschauplatz der Nationalsozialisten war.

Auch auf dem Reichsparteitagsgelände in Nürnberg hielten die Nazis Massenveranstaltungen ab - was heute vor Ort ausführlich dokumentiert wird. An der NS-Ordensburg Vogelsang befand sich ebenso wenig ein KZ wie am Bückeberg - trotzdem wird dort heute über die einstige Schulungsstätte des NSDAP-Führungskaders informiert. Welche Erfahrungen machen also die Leiter dieser Informationsstätten und wie sehen sie die Pläne für den Bückeberg?

Florian Dierl, Leiter des Dokumentationszentrums "Reichsparteitagsgelände" in Nürnberg und mit den Plänen für den Bückeberg vertraut, hält die angedachte Info-Stätte für "sehr begrüßenswert". Das Projekt, so Dierl, entreiße die Geschehnisse der Vergessenheit. Der geplante Parcours böte den Besuchern die Möglichkeit, "die Geschichte zu erlaufen". "Das Konzept ist eine etablierte Form, wie Auseinandersetzung mit der Geschichte aussehen kann", führt Dierl aus.

Für das seit 2006 bestehende Informationssystem zu dem einstigen Reichsparteitagsgelände könne er sagen, dass es gut angenommen werde. Das Dokumentationszentrum habe 2016 270.000 Besucher gehabt. "Der Ort wird bewusst wahrgenommen", sagt Dierl. "Die Auseinandersetzung der Deutschen mit ihrer Geschichte wird auch im Ausland beobachtet und gewürdigt." Schüler aus der Region Nürnberg hätten in einer Umfrage gesagt, dass die Geschehnisse rund um das Reichsparteitagsgelände auf keinen Fall in Vergessenheit geraten dürften und das Dokumentationszentrum den "Charakter eines internationalen Mahnmals" habe. Dagegen komme dem Bückeberg laut Dierl eher "ein nationaler Stellenwert" zu.

Ganz ähnlich verhält es sich offenbar auch am Dokumentationszentrum bei der einstigen NS-Ordensburg in der Eifel. "Die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang wird als außerschulischer Lernort von Jugendlichen sehr gut angenommen", teilt Stefan Wunsch, wissenschaftlicher Leiter der Akademie Vogelsanng IP, mit. "Seit der Eröffnung unserer Dauerausstellung im September 2016 hat sich die schon früher hohe Zahl der gebuchten Formate im Bereich Jugendbildung verdoppelt." Im vergangenen Jahr seien es etwa 600 vertiefende Formate gewesen mit rund 13 .000 Teilnehmenden aus Jugendgruppen und Schulklassen unterschiedlichster Schulformen.

Das aktuelle Konzept für die "Dokumentation Bückeberg" scheint Wunsch "in seinen Dimensionen und in der didaktischen Herangehensweise als dem heutigen Ort und seiner Geschichte angemessen". Es böte zum einen ein Alleinstellungsmerkmal. "Denn so können Besucher - die Überreste des historischen Ortes gleich in Augenschein nehmend - sich wissenschaftlich fundiert und kritisch über die Bedeutung und die Funktion der "Reichserntedankfeste" für die NS-Diktatur informieren", so Wunsch. "Zum anderen stellt der außerschulische Lernort, zu dem sich der Bückeberg so entwickelt, einen hohen Wert für die historisch-politische Bildung dar." Er werfe - ähnlich wie die ehemalige NS-Ordensburg Vogelsang, jedoch mit eigener Spezifik - gerade bei Jugendlichen etwa Fragen nach Teilhabe und Zugehörigkeit, nach "Mitmachen" und Gruppendynamik, nach Ausgrenzung, Diskriminierung und Gewalt auf.

"Das Konzept für den Bückeberg schafft keine über das Bisherige hinausgehende Attraktion für Rechtsextreme."
Stefan Wunsch, wissenschaftlicher Leiter der Akademie Vogelsanng IP

In der Vergangenheit sollen am Bückeberg an Tagen von nationalsozialistischer Bedeutung gelegentlich Blumensträuße niedergelegt worden sein. Doch eine Gefahr, dass der Bückeberg zur Anlaufstelle von Neonazis mutiert, sieht Stefan Wunsch nicht. "Vor der bisweilen aufgeworfenen Frage, wie man auf etwaige rechtsextreme Besuchern reagieren kann, stehen alle Erinnerungsorte, und dort gibt es viel Expertise dazu", meint Wunsch. "Aber gerade ein Konzept wie das der Dokumentation Bückeberg schafft meines Erachtens keine über das Bisherige hinausgehende Attraktion für Rechtsextreme, da es kritisch informiert und kommentiert und zugleich den Ort nicht auratisiert."

Bildunterschrift: Hunderttausende jubelten am Bückeberg Diktator Adolf Hitler zu.

AfD will Bürgerbefragung

Die AfD-Fraktion im Rat der Gemeinde Emmerthal hat einen Antrag für eine Bürgerbefragung gestellt. Dabei sollen die Bürger über zweierlei Dinge entscheiden: zum einen, "ob sie eine Erinnerungsstätte am Bückeberg haben wollen, wie sie der Siegerentwurf des "Vereins Regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln" vorsieht": zum anderen will die AfD die Bürger darüber abstimmen lassen, "ob sie einer Erinnerungsstätte am Bückeberg grundsätzlich zustimmen", wie Delia Klages, die AfD-Fraktionsvorsitzende, in dem Antrag schreibt. In der Begründung nennt Klages zu hohe Kosten und die Befürchtung, die Erinnerungsstätte könne "als Kultstätte missbraucht" werden. Die AfD selbst halte "andere Projekte für dringlicher" und sei daher gegen die geplante Info-Stätte. Der Antrag liegt inzwischen der Kommunalaufsicht zur Prüfung vor, wie eine Sprecherin des Landkreises Hameln-Pyrmont auf Anfrage mitteilt. Die nächste Sitzung des Gemeinderats Emmerthal ist jedoch erst am 15. März.

Dagegen wird sich der Finanzausschuss der Kreisverwaltung bereits am 27. Februar erneut mit den Kostenplänen in Höhe von derzeit 451.000 Euro (plus 306.500 Folgekosten) für das Projekt befassen.

Die Kreisverwaltung hat unterdessen beim niedersächsischen Landwirtschaftsministerium angefragt, inwiefern eine Übertragung des Grundstücks, etwa durch Überlassung an den Landkreis, in Betracht kommen könnte. Das Land Niedersachsen ist Eigentümer des Geländes am Bückeberg, das Landwirtschaftsministerium Verwalter der Domäne. Ministeriumssprecher Klaus Jongbloed bestätigt die Anfrage des Landkreises. "Die Gespräche laufen", sagt Jongbloed. Mehr könne er zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Man nehme das Thema ernst, die Entscheidungsfindung dauere noch an.

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Deister- und Weserzeitung, 10.01.2018:

Lehrer für Mahnmal am Bückeberg

Pädagogen widersprechen Gegnern der Info-Stätte: Begehung des Ortes didaktisch wertvoll

Von Philipp Killmann

Hagenohsen. In der am Montag ausgestrahlten Sendung des NDR-Kulturjournals haben Gegner der geplanten Info-Stätte zu den "Reichserntedankfesten" in Hagenohsen erneut den pädagogischen Wert einer begehbaren Einrichtung am Bückeberg infrage gestellt. Doch wie fundiert ist diese Kritik?

Projekt-Initiator Bernhard Gelderblom vom Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte betont in seinem Entwurf, dass sich die Info-Stätte vor allem an Jugendliche richten soll (wir berichteten). Lehrer wie Bettina Tovar-Luthin (Deutsch, Geografie) vom Viktoria-Luise-Gymnasium und Henning Eimer (Geschichte, Deutsch, Politik) von der Handelslehranstalt sind von dem didaktischen Konzept für das Mahnmal überzeugt. Sie sind sich sicher, dass sich ein begehbarer Bückeberg gut für die Vermittlung komplexer Unterrichtsinhalte anbieten würde. Auch daran, dass die Info-Stätte von den Schülern angenommen werden würde, zweifeln die beiden Pädagogen nicht.

Die entscheidende Frage, die sich Tovar-Luthin als Lehrerin immer wieder stelle, sei: "Welcher Schlüssel passt, um pubertierende Schüler zu erreichen?" Vor diesem Hintergrund habe sie die Erfahrung gemacht, dass "originale Begehungen" gut funktionierten. Nicht obwohl, sondern gerade weil sich die Jugendlichen Tovar-Luthin zufolge heute "überwiegend in virtuellen Welten" bewegten, mit ihren Smartphones, dem Tablet und am PC. Eine Stätte, wie sie am Bückeberg geplant ist, sei daher wie ein "Anker", um Bildungsinhalte zu vermitteln. "Die neuen Informationen verknüpfen sich mit einem Erlebnis", schildert die Lehrerin. "Die Schüler denken daran zurück und erinnern sich." Der Bückeberg als Info-Stätte böte sich zudem an, um "vom Nahen zum Fernen" zu arbeiten. Schließlich befinde sich mit dem Bückeberg ein Geschichtskapitel von überregionaler Bedeutung unmittelbar vor der Haustür der Schüler. Es falle Schülern leichter, sich an Hand eines Beispiels aus ihrem Lebensumfeld einem komplexen Thema anzunähern. So lasse Tovar-Luthin ihre Schüler im Deutschunterricht beim Thema Rhetorik eine Brücke schlagen: von den Reden von Propagandaminister Josef Goebbels zu den Propagandaveranstaltungen in Form der "Reichserntedankfeste" am Bückeberg.

In Anbetracht dessen, dass unlängst nur drei ihrer Schüler im Alter von 17 Jahren etwas über die Geschichte des Bückebergs gewusst hätten, halte Tovar-Luthin die geplante Info-Stätte für "extrem wünschenswert". Gleichwohl hält sie begleitende Führungen der Jugendlichen für unerlässlich. "Die Schüler vor eine Info-Tafel zu stellen, das reicht nicht", meint sie.

Deshalb mahnt Lehrer Henning Eimer, dass die Texte auf den Tafeln nicht zu lang werden dürften. "Niemand liest stundenlang auf einem Feld", befindet Eimer. Doch den Bückeberg als informative Begehungsstätte befürwortet er.

Eimer kritisiert die Gegner der Stätte für den Versuch, die Reicherntedankfeste auf eine lokale Bedeutung herunterzureden. "Sie waren von überregionaler Bedeutung", sagt er. Er könne zwar nicht für alle Bundesländer sprechen, aber er wisse von vielen, dass die Reichserntedankfeste am Bückeberg in den Lehrbüchern, etwa von Hessen und Berlin, thematisiert würden. Das Bild von Reichskanzler Adolf Hitler, wie er über den Bückeberg geht, sei "ein Klassiker".

Die Reichserntedankfeste am Bückeberg bieten sich laut Eimer gut als Unterrichtsinhalt an. An ihnen ließen sich mehrere Grundpfeiler der NS-Herrschaft veranschaulichen: Propaganda und die Stärkung der Volksgemeinschaft durch Massenveranstaltungen und die Ausgrenzung anderer, das faschistische Führerprinzip der so genannten charismatischen Herrschaft am Beispiel von Hitlers Auftreten am Bückeberg, die den Reichserntedankfesten zugrunde liegende NS-Ideologie von "Blut und Boden" sowie der Militarismus. Auf Veranstaltungen wie den Reichserntedankfesten habe die Verführung begonnen, die in den KZs geendet habe. Dies sollen, so der Plan des Vereins für regionale Kultur- und Zeitgeschichte, Besucher und vor allem Schüler direkt vor Ort an Hand von Info- und Bilder-Tafeln, Führungen und Rekonstruktionen nachvollziehen können. "Das ist dann wie eine Zeitmaschine", sagt Eimer. Daher lautet sein Fazit: "Der Bückeberg eignet sich sehr dafür, es Schülern zu ermöglichen, sich Aspekte der NS-Herrschaft eindrücklich erschließen zu können."

Schon häufig habe er mit Schülern Exkursionen zum Bückeberg unternommen. Das Interesse sei da, sagt Eimer. Zudem spreche aus den Schülern oft Verwunderung. Eimer: "Sie sind erstaunt, dass sie in der Nähe eines so bedeutsamen Ortes der Nationalsozialisten wohnen - und dass sie erst so spät darüber erfahren."

Bildunterschrift: Ein Graswall am Bückeberg zeigt den Weg, der von Hitler zur Reichserntedankfest-Rede abgeschritten wurde.

Bildunterschrift: Bettina Tovar-Luthin.

Bildunterschrift: Henning Eimer.

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Bernhard Gelderblom, 28.12.2017:

Die Reichserntedankfeste auf dem Bückeberg

Die Pläne des Sieger-Büros

Bernhard Gelderblom:

Leiter des Konzeptionsprojekts "Dokumentation Bückeberg"

Vorsitzender des Vereins für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln e.V.

In den Jahren 2018 / 19 soll auf Grundlage des Gestaltungsentwurfs der Arbeitsgemeinschaft Jung / Ermisch / Kerck auf dem bis heute in keiner Weise kenntlich gemachten Gelände ein historisch-topographisches Informationssystem realisiert werden. Ziel ist es, einen Ort zu schaffen, der die Propagandamechanismen des NS-Regimes in Gestalt des "Reichserntedankfestes" verdeutlicht, dessen gigantische räumliche Ausmaße visualisiert sowie zur Auseinandersetzung mit der Frage anregt, wie Menschen Täter oder Unterstützer eines Unrechtsregimes werden konnten.

Hauptzielgruppe sind Jugendliche. Der Ort steht darüber hinaus allen Interessierten offen, darunter auch den zahlreichen Touristen, die den nahen Weserradweg befahren.

Zum Entwurf der Arbeitsgemeinschaft Jung / Ermisch / Kerck

Der Entwurf ist aus einem Wettbewerb von vier renommierten Gestaltungsbüros mittels einer Jury-Entscheidung als Sieger hervorgegangen. Der Jury gefiel besonders die gelungene Balance von Info-Inseln und Platzerschließung sowie die Betonung der Beziehung von Ehren- und Rednertribüne.

Das Team um Martina Jung betont die markanten Punkte der Topografie, indem es die Ehrentribüne durch "Aufastung" und einen über die Fundamentreste laufenden barrierefreien Gittersteg sowie die Rednertribüne durch eine "Landmarke" inmitten des bewirtschafteten Ackers akzentuiert. In Kombination mit dem "Mittelweg" wird die Weite des Platzes sichtbar. Die mit Bild-Text-Tafeln bestückten Info-Inseln sind platzschonend angelegt ("Schotterrasen"-Befestigung) und über ein "offenes Wegenetz" (gemäht) erreichbar.

Zur Zeit verhandelt das Projektteam mit der Arbeitsgemeinschaft bestimmte Einzelheiten des Entwurfs.

Konsens ist, dass der Zu- beziehungsweise Abgang auf der Ostseite des Platzes entfallen soll.

Noch zu entscheiden sind die folgenden Punkte:

Ein Problem stellen die mit 1,20 Meter zu niedrigen Tafeln der innen stehenden Informationsinseln dar. Auch der Spalt bei den hohen Stelen sollte hinterfragt werden.

Es muss zusätzlich eine Einstiegstafel für oben geben.

Die Bodenplatten sollten möglichst nur technische Angaben transportieren, aber keine Daten über Menschen. Es ist die Frage, ob für eine größere Zahl von Bodenplatten genügend passendes Textmaterial vorhanden ist. Möglicherweise werden diese Platten also entfallen.

Das "Zick-Zack" der Wege verlängert den Weg in recht hohem Maße (circa 1,3 Kilometer). Es muss nach Möglichkeit "gestaucht" werden.

Hinsichtlich der Landmarke "Propaganda" sind von zwei Seiten Bedenken geäußert worden. Einwohner der Gemeinde Emmerthal beklagen eine Diffamierung des gesamten Ortes. Diesen Einwand meinen wir damit entkräften zu können, dass wir den circa zwei Meter hohen Schriftzug mit einer Hecke hinterpflanzen, so dass er nur noch vom Hanggelände aus zu sehen ist.

Die Fachkommission der Stiftung Niedersächsische Gedenkstätten hält den Begriff "Propaganda" inhaltlich nicht für angemessen. Er greife nicht alles auf, wofür der Bückeberg stehe, beinhalte eine Interpretationsvorgabe und könne eventuell sogar die Verführungsthese bestätigen. Es sei möglicherweise besser, ein Symbol zu wählen. Die "Landmarke" als solche sei aber wichtig.

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Norddeutscher Rundfunk, 20.12.2017:

Streit um Gedenkort am "Reichsthingplatz"

20.12.2017 - 07.12 Uhr

Seit mehr als 20 Jahren wird darüber gestritten, wie in der Gemeinde Emmerthal an die so genannten Reichserntedankfeste der Nazis erinnert werden sollte. Fünf Jahre lang, von 1933 bis 1937, veranstaltete die NSDAP hier auf dem Bückeberg eine Massenveranstaltung, zu der neben Adolf Hitler weitere Nazi-Größen wie Propagandaminister Joseph Goebbels und der so genannte Reichsbauernführer Walther Darré anreisten. Nach den Reichsparteitagen in Nürnberg gehörten die Feste auf dem "Reichsthingplatz" zu den größten Massenveranstaltungen der NS-Zeit: Hunderttausende versammelten sich auf dem Berg und jubelten Hitler zu. Jahrelang gab es in der Region große Widerstände gegen ein Mahnmal, in den vergangenen Jahren ebbte dieser aber nach und nach ab. Doch als vor kurzem ein Entwurf für einen Gedenkort vorgestellt wurde, brandete der Protest erneut auf.

Wird das Dorf "stigmatisiert"?

Auf dem ehemaligen Gelände am Bückeberg soll ein Pfad angelegt werden, der an insgesamt acht Informationstafeln vorbeiführt. Dort sollen historische Fotos und Dokumente, etwa über den "Führerkult", ausgestellt werden. Darüber hinaus soll auf einem etwa zwei Meter großen Schriftzug das Wort "Propaganda" zu lesen sein. Dadurch werde das Dorf stigmatisiert, sagen einige Emmerthaler. Kritisiert werden auch die hohen Investitionskosten von 450.000 Euro. Das sei zu viel - es gehe auch kleiner und mit weniger Informationstafeln.

63 Unterschriften gegen den Gedenkort

Die Gegner des Projektes haben vor einer Woche eine Unterschriftenaktion gestartet. Bisher sind 63 Unterschriften zusammen gekommen. Bernd Gelderblom vom Verein für regionale Zeitgeschichte ist sauer über diese Aktion. Er hatte das Projekt Gedenkort angestoßen. Für ihn sind die Argumente der Gegner nur vorgeschoben: In Wirklichkeit, glaubt er, wollen diese gar keinen Gedenkort in Emmerthal.

Bildunterschrift: Auf dem Bückeberg versammelten sich in den 1930er-Jahren Hunderttausende, wenn die Nazis ihr "Reichserntedankfest" veranstalteten. Wie soll mit diesem Gelände umgegangen werden?

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Deister- und Weserzeitung, 30.12.2015:

NS-Feierstätte als Ort des Lernens

Zweijähriges Projekt startet am Bückeberg / Gelderblom: "Ambitionierter Zeitplan"

Von Christian Branahl

Emmerthal. Nach jahrelangem Ringen um die Aufarbeitung der Geschichte des Bückebergs als Ort der NS-Propagandaveranstaltungen "Reichserntedankfeste" soll das Gelände nun erschlossen werden. Anfang des Jahres startet der "Verein für regionale Kultur- und Zeitgeschichte Hameln" mit dem Projekt, das Areal in Emmerthal als "Dokumentations- und Lernort Bückeberg" zu etablieren. Die Finanzierung des auf zwei Jahre angelegten Projektes ist nun gesichert. Mit 60.000 Euro bezuschusst die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten die Hälfte der Gesamtkosten. Erleichtert über den offiziellen Startschuss zeigt sich der Hamelner Historiker Bernhard Gelderblom, der sich seit Jahren dafür eingesetzt hat. Er spricht bewusst von einer Konzeptphase, die nun beginne - allerdings "mit einem ambitionierten Zeitplan", der sichtbare Ergebnisse bringen solle. Dazu zähle ein Informationssystem auf dem Bückeberg als Rundweg etwa mit Text- und Bildtafeln. Weitere Schwerpunkte sind Bildungsarbeit besonders mit Schulen, Öffentlichkeitsarbeit und das Ziel, archivalische und museale Überlieferungen zum Thema zu sammeln und zu erfassen.

Mit jeweils einer halben Stelle widmen sich Dr. Martin Hellmold und Dr. Mario Keller-Holte der Aufbauarbeit. Bekanntlich hatte sich zuletzt die Stiftung niedersächsische Gedenkstätten mit dafür starkgemacht, einen angemessenen Umgang mit dem Bückeberg als schwierigem Erbe aus der NS-Zeit zu finden. Das wurde auch bei einem Workshop der Stiftung 2013 mit zahlreichen Experten zu dem 2010 unter Denkmalschutz gestellten Festgelände deutlich: Der Bückeberg "als historischer Ort von exemplarischer, nationaler Bedeutung sollte zu einem zentralen Ort der Aufklärung über den Nationalsozialismus entwickelt werden", lautete damals eine Kernforderung. Wie kaum anderswo böten "die Ereignisse der Reichserntedankfeste die Möglichkeit, die Entwicklung und Funktionsweise der NS-Herrschaft in den Vorkriegsjahren ab 1933 aufzuzeigen", heißt es in einem Papier der Stiftung, die nun das Projekt in Emmerthal auch finanziell fördert. Auf Nachfrage erläutert deren Geschäftsführer Dr. Jens-Christian Wagner: Die NS-Verbrechen könnten "ohne ihren gesellschaftlichen Rahmen gar nicht erzählt und auch nicht verstanden werden". "Bergen-Belsen und der Bückeberg gehören zusammen, sind Teil eines Systems", erläutert Wagner (siehe Text unten). Auch der Landkreis fördert das Projekt mit 20.000 Euro. Aus Sicht von Landrat Tjark Bartels entsteht mit der Umsetzung dieses geschichtlichen Forschungsprojektes ein Ort des Hinschauens, Aufklärens und Lernens - "insbesondere um zu lernen, wie Verführung passiert und was es mit den Menschen machen kann". Bartels: "So hat der Bückeberg als Ort der Reichserntedankfeste in der NS-Zeit auch das Weserbergland geprägt."

Das einst unter der Regie von NS-Stararchitekt Albert Speer gestaltete Gelände mit Teilen der Infrastruktur ist weitgehend erhalten geblieben. Allerdings: Bislang finden die Besucher dort keine Hinweise darauf, dass sie sich an einem historischen Ort mit unrühmlicher Geschichte befinden, wo einst bis zu einer Million Menschen Adolf Hitler zujubelten.

Das soll sich ändern. Erste Ideen für den Rundweg basieren auf einem Konzept von Gelderblom. "Er darf nicht auf dem Niveau eines Waldlehrpfades sein", setzt er dafür das Ziel, dass der Aufbau eines Dokumentations- und Lernortes den Ansprüchen der bedeutenden Gedenkstätten entsprechen müsse. Dazu ist im Frühjahr ein Workshop geplant. Auch die Entwürfe von Studenten der Fakultät für Architektur und Landschaft der Universität Hannover, wie das Gelände am Bückeberg landschaftsplanerisch gestaltet werden kann, sollen darin einfließen. Außerdem liegen die Ergebnisse einer Bachelorarbeit zum Thema Audiostationen am Bückeberg vor. Der Workshop will Kriterien für einen Wettbewerb entwickeln, wie ein Rundweg samt Informationssystem gestaltet werden kann. Die Ausschreibung soll im nächsten Jahr erfolgen, bevor 2017 mit der Realisierung begonnen werden soll.

Bildunterschrift: Das kleine historische Foto zeigt den Blick auf den "Führerweg" von der Rednertribüne aus. Auf dem Bückeberg versammelten sich in den Jahren 1933 bis 1937 zu NS-Propagandaveranstaltungen 500.000 bis eine Million Menschen. Das Gelände soll als Dokumentations- und Lernort gestaltet werden.

"Ort nationalsozialistischer Selbstinszenierung"

In der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten begrüßen (und kofinanzieren) wir nun den beschlossenen Weg einer kritischen Vor-Ort-Dokumentation des Bückebergs als überregional wichtigem Ort nationalsozialistischer Selbstinszenierung. Die NS-Verbrechen, für die Orte wie Bergen-Belsen, Salzgitter-Drütte, Sandbostel und viele andere in Niedersachsen stehen, fanden im Kontext der von den Nationalsozialisten propagierten "Volksgemeinschaft" statt, die radikal rassistisch formiert war.

Das bedeutet, dass die Verbrechen ohne ihren gesellschaftlichen Rahmen gar nicht erzählt und auch nicht verstanden werden können: Bergen-Belsen und der Bückeberg gehören zusammen, sind Teil eines Systems.

Wer über die Versprechen spricht, muss zwingend auch über die Täter und die Mitmachbereitschaft in der Bevölkerung sprechen - und diese wurde nicht zuletzt durch "Artfremde" und "Gemeinschaftsfremde" ausgrenzende Integrationsdiskurse ermöglicht. In der Stiftung niedersächsische Gedenkstätten vertreten wir deshalb einen integralen Ansatz der Auseinandersetzung mit den NS-Verbrechen, einen Ansatz, der sowohl Leidens- und Tatorte als auch Täterorte und Stätten nationalsozialistischer Selbstinszenierung wie überhaupt den gesellschaftsgeschichtlichen Kontext des Nationalsozialismus in den Blick nimmt.

Bildunterschrift: Dr. Jens-Christian Wagner, Geschäftsführer der Stiftung niedersächsischer Gedenkstätten in Celle.


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