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Lippische Landes-Zeitung , 12.08.2017 :

Düstere Geburtsstunde einer großen Persönlichkeit

Vortrag: Prof. Dr. Cord-Friedrich Berghahn spricht über Leopold Zunz / Der Detmolder gilt als Begründer der Wissenschaft des Judentums

Detmold (gw). "Er ist vielleicht einer der unbekanntesten, aber dafür einer der weltgeschichtlich bedeutendsten Detmolder." Mit diesen Worten hat Prof. Dr. Cord-Friedrich Berghahn den am 10. August vor 223 Jahren geborenen Leopold Zunz charakterisiert.

Knapp 30 Zuhörer waren am Donnerstag ins Detmolder Haus Münsterberg gekommen, um dem Braunschweiger Germanistikprofessor zuzuhören, wie er über Zunz, den Begründer der Wissenschaft des Judentums, referierte. So erfuhren die Zuhörer, dass Jom Tob Lippmann Zunz, der sich erst später Leopold nannte, unter ärmlichen Verhältnissen auf die Welt kam. "Wir können uns die spärlich dokumentierten Lebensumstände des Knaben, der 1794 nahezu leblos auf die Welt kam, kaum düster genug vorstellen", sagte Berghahn.

In jungen Jahren kam der entscheidende Schritt: Im Jahr 1818 habe Zunz mit seinem Artikel "Etwas über die rabbinische Literatur" eine der einflussreichsten intellektuellen Strömungen des deutschsprachigen Judentums geprägt. Die Thesen, die Zunz darin entwirft, "sind inter- und transdisziplinär", führte Berghahn aus. Der Autor habe darin versucht, die jüdische Literatur und Kultur philologisch zu erschließen und historisch zu begreifen. Das sei eine Besonderheit gewesen, denn "bis dahin war die Deutungshoheit über Texte der jüdischen Tradition ausschließlich theologisch fundiert", so Berghahn.

In seinem Vortrag hob Prof. Berghahn auch Leopold Zunz` Kampf gegen die "zumeist antisemitisch motivierte Exklusion der Wissenschaft des Judentums aus den Universitäten" hervor. So erklärte er, dass für die deutsche Wissenschaft des 19. und auch weitgehend des 20. Jahrhunderts, mit dem Begriff "Antike", die griechische und römische, später auch die vorderasiatische, aber eben nicht die jüdische Antike gemeint gewesen sei.

So düster die Umstände der Geburt des Detmolders waren, so traurig seien auch Zunz` letzte zwölf Lebensjahre gewesen. Mit den Worten: "Diese standen im Zeichen einer langanhaltenden Depression und eines fast vollständigen wissenschaftlichen Schweigens", beendete Berghahn seinen Vortrag. Für seine Ausführungen erhielt er lang anhaltenden Beifall.

Bildunterschrift: Beim Vortrag im Haus Münsterberg: Prof. Dr. Cord-Friedrich Berghahn referiert über das Leben von Leopold Zunz.

12./13.08.2017

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