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Westfalen-Blatt / Bielefelder Zeitung , 20.07.2017 :

"Eine fantastische Teamleistung"

Bielefelder Tisch: Nach Brandanschlag sind die renovierten Räume wieder in Betrieb

Von Michael Diekmann

Bielefeld (WB). Tische und Stühle sind aufgestellt, alles ist frisch gestrichen: Am ersten Tag nach Abschluss der Brandrenovierung haben Ulrich Wien­stroth und sein Team des Bielefelder Tisches Leberkäse, Sülze und Kartoffelspalten serviert - aber nicht mehr im weißen Zelt, sondern wieder im angestammten großen Raum an der Heeper Straße 121a.

"Den vielen Ehrenamtlichen sei Dank, aber wir mussten nach dem Feuer im April nicht einen Tag die Ausgabe geschlossen halten. Alle zusammen haben wir eine fantastische Leistung geschafft", freut sich Vorsitzender Ulrich Wien­stroth.

Ein feiger Brandanschlag hatte am 24. April mit seinen Flammen den Eingangsbereich, Sanitäranlagen und Putzräume zerstört. Der große Rest, erinnert sich Wien­stroth, war insbesondere durch Ruß und Rauch in Mitleidenschaft gezogen worden. Allerdings: Schon am 25. April, einen Tag nach dem Feuer, hatte man die Ausgabe unter dem Flachdach im Garten vorgenommen. Alle 70 Ehrenamtlichen und die sechs Ein-Euro-Kräfte packten an. Dazu stellte ein privater Spender ein sechs mal zwölf Meter großes Pavillonzelt, in dem die Tische und Bänke untergebracht werden konnten, aber auch die Annahme der Lebensmittelspenden erfolgen konnte. Der Sachschaden war auf etwa 50.000 Euro geschätzt worden. Weil ein Teil der Hauselektrik funktionstüchtig blieb, betont Wienstroth, habe man auch den Betrieb aufrecht halten können.

Viele der ehrenamtlichen Helfer, weiß der Vorsitzende, sehen die Arbeit für den Tisch und die Gemeinschaft als eine Art Familie. Wohl auch deshalb machten sie reihenweise Sonderschichten für die Reinigung, während Fachkräfte die völlig verqualmten Decken sandstrahlten und anschließend neu strichen. Sogar private Spenden außer der Reihe wurden an der Adresse abgegeben, die für viele Bielefelder in schwierigen sozialen Verhältnissen ein ganz wichtiger Anlaufpunkt im Alltag ist, neben sozialen Kontakten die Versorgung mit Lebensmitteln oder Bekleidung sicher stellt. Eine Spende des Vermieters ISB erwartet Wien­stroth noch für das Kinderhaus der Einrichtung.

Bedauerlich finden es die Mitstreiter des Projektes Bielefelder Tisch allerdings nach Angaben ihres Vorsitzenden, dass sich seitens der Stadt niemand von offizieller Seite an der Brandstelle und späteren Baustelle sehen ließ, insbesondere niemand aus den Reihen der Dezernenten. So ein Besuch, ist Wienstroth überzeugt, wäre ein Signal nach außen gewesen, hätte in der Öffentlichkeit noch mehr Interesse geweckt. Wienstroth: "Immerhin schickt uns die Stadt ja auch die Klientel, um die wir uns pausenlos mit großem Einsatz kümmern. Die Armut in der Stadt ist Aufgabe der Stadt. Da wäre etwas Solidarität seitens der Kommune schön gewesen."

Geöffnet hat der Bielefelder Tisch am Dienstag und Donnerstag ab 17 Uhr sowie am Samstag ab 13 Uhr. Gesucht werden noch langfristige Ehrenamtliche, die regelmäßig bei den vielfältigen Aufgaben mithelfen. Wienstroth: "Es macht Spaß bei uns, und es gibt etwas zurück."

Bildunterschrift: Teamleistung (v. l.): Klaus von Bandel, Christian Möller, Susanne Hainke, Michael Rogers, Katja Berg, Ulrich Wienstroth, Thomas Remche, Peter Trzeschan, Rita Luschnat und Thomas Lämche haben gemeinsam wieder eingeräumt.

Bildunterschrift: Picobello: Katja Berg gehört seit Oktober zum Team. Vor der Wiedereröffnung muss jede Ecke des Speisesaals gereinigt werden.

Bildunterschrift: An die Teller: Vorsitzender Ulrich Wienstroth am letzten Tag in der Freiluftausgabe des Bielefelder Tisches im Garten.

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Westfalen-Blatt / Bielefelder Zeitung, 25.04.2017:

Brand beim "Bielefelder Tisch"

Feuer an Heeper Straße wohl mit Benzin entzündet - Polizei rettet drei Obdachlose

Von Uwe Koch

Bielefeld (WB). Ein Brandanschlag hat die Arbeit des "Bielefelder Tisches" vorerst zunichte gemacht. In der Nacht zu gestern zündete ein Unbekannter vermutlich mit Benzin die Haustür der Einrichtung an der Heeper Straße an. Der Sachschaden beträgt mindestens 50.000 Euro. Drei Obdachlose wurden vor den Flammen gerettet. Ermittelt wird nun wegen eines versuchten Tötungsdeliktes.

Ulrich Wienstroth reagierte gestern "entsetzt, enttäuscht" - und gleichermaßen wütend. Der Vorsitzende des Vereins "Bielefelder Tisch" wetterte in einer ersten Stellungnahme gegenüber dem Westfalen-Blatt: "Was ist das für ein erbärmlicher Wicht, der denkt, er müsste bei uns zündeln." Wer diese Tat begangen haben könne, sei ihm ein Rätsel. Drohungen gegen den Verein habe es "nie gegeben".

Das Feuer war in der Nacht zu gestern gegen 1.08 Uhr an der Haustür des gemeinnützigen Vereins entzündet worden. Als die von Anwohnern alarmierten Polizeibeamten eintrafen, stand die Eingangstür bereits in Flammen. Rauch breitete sich in einem angrenzenden Holzverschlag aus. Dorthin hatten sich zuvor drei "stark alkoholisierte Wohnungslose zum Schlafen zurückgezogen", sagte Polizeisprecherin Kathryn Landwehrmeyer. Die Polizisten hätten die Obdachlosen vor den Flammen gerettet und den Rettungssanitätern übergeben.

Rauchverletzungen haben die drei Männer demnach nicht erlitten. Das rasche Eingreifen der Polizei rettete ihnen aber vermutlich das Leben. Hätten die Flammen auf den Verschlag übergegriffen, hätte es Tote geben können.

Die Bielefelder Feuerwehr war nach Auskunft von Einsatzleiter Joachim Thies in der Nacht mit 30 Kräften vor Ort. Im Einsatz waren Männer der Hauptwache und der Löschabteilung Milse.

Noch in der Nacht begannen die Beamten der Kriminalpolizei mit den Ermittlungen. Ganz in der Nähe des Brandherdes fanden die Beamten denn auch bald einen geleerten Benzinkanister, der durchaus von dem oder den Tätern stammen könnte. Nach Rücksprache mit der Bielefelder Staatsanwaltschaft geht die Polizei danach von einer Brandstiftung aus. Staatsanwalt Christoph Mackel betonte gestern, dass wegen einfacher Brandstiftung ermittelt werde, da das Gebäude nicht durchweg zum Bewohnen oder zum Aufenthalt von Menschen diene. Gestern war der Bereich weitgehend gesperrt, die Kriminaltechniker der Polizei untersuchten den Tatort. Im Gebäude wurde noch einmal Messungen zur Rauchbelastung durchgeführt.

Allerdings gehen die Behörden zunächst von einem versuchten Tötungsdelikt aus. Dafür spreche allein die Tatsache, dass das Gebäude mit einem Brandbeschleuniger entzündet worden sei, und dass in unmittelbarer Nähe Menschen übernachtet hätten.

Den größten Schaden reklamierten die Verantwortlichen des "Bielefelder Tisches" gestern nach einer ersten Besichtigung. "Das Gebäude ist kontaminiert", stellte Ulrich Wienstroth sichtlich konsterniert fest. Die Räume seien komplett verraucht. "Wir werden hier mindestens 14 Tage lang nicht arbeiten können." Auch ein Teil der Lebensmittel müsse vernichtet werden. Allerdings habe ein Teil der essbaren Bestände gerettet werden können. "Das Kühlhaus ist gottlob nicht in Mitleidenschaft gezogen worden."

Allerdings könne die Küche nicht benutzt werden. Ein schwerer Schlag für den Verein und seine 70 ehrenamtlichen Helfer. Immerhin werden pro Tag bis zu 250 warme Mahlzeiten an Bedürftige ausgegeben. Ulrich Wienstroth: "Wir hoffen auf Hilfe, hoffen auf Spenden. Notfalls koche ich draußen unter unserem Carport, aber wir brauchen dafür Geräte." Der Verein nimmt dafür Spenden, auch aus der Bielefelder Gastronomie gern entgegen, um die kommenden Wochen zu überbrücken. Kontakt über Ulrich Wienstroth ist möglich unter Telefon 0175 / 510 32 32.

Bildunterschrift: Nach der Spurensuche der Kripo wird der vom Brand zerstörte Eingangsbereich mit einer Holzplatte verschlossen.

Bildunterschrift: Vereinsvorsitzender Ulrich Wienstroth ist auf Spenden angewiesen.

Bildunterschrift: Die Feuerwehr verhindert Schlimmeres: Der Brand wird in der Nacht von 30 Wehrleuten gelöscht.

Bildunterschrift: Der Kanister wurde am Tatort gefunden.


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