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Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische , 26.08.2008 :

Die Zeit heilt Wunden / Vertriebener Martin Otte kehrt regelmäßig in seine alte Heimat Polen zurück

Von Till Schröder

Leopoldshöhe. Mit Grimm denkt Martin Otte nicht an die Besitzverhältnisse auf dem einstigen Hof seines Vaters in Polen. Obwohl er die Heimat als Vertriebener voller Zorn verließ, zog es ihn doch zurück. Nach dem ersten Wiedersehen in den 70er Jahren ist Otte dort inzwischen so etwas wie ein Stammgast.

Erst jüngst begleitete der Rentner eine Gruppe des TuS Bexterhagen mit dem Vorsitzenden Gerhard Guckel dorthin. "Das erste Mal das Familiengut zu sehen tat noch weh. Aber das ist inzwischen vorbei", sagt er. Schmerzhaft war der erste Anblick insbesondere, da nur noch zwei Ställe von damals stehen. "Das Haus, die Scheune und der Speicher sind im Artilleriefeuer untergegangen", sagt der Lipper. Auf seinem schweren Weg begleitete Otte, dessen Eltern den Bauernhof 1875 aus Schlesien kommend gekauft hatten, sein Freund von einst: Herbert, der immer noch auf dem Nachbarhof in Kronau lebt. Ein landwirtschaftliches Magazin beherbergt der damalige Familienbesitz in Groß Stürlack (Sterlawki-Wielki) inzwischen. Von dort besorgen sich die Bauern Düngemittel und Futter.

Als Otte bei der ersten Stippvisite die Kamera auspackte, schoss ein Helfer auf ihn zu. "Er wollte mich abhalten. Aber als ich meinen Namen sagte, ließ er von mir ab", erinnert sich Martin Otte. "Einen Tag später kamen Herbert und ich mit Wodka wieder. Da hat er uns sogar alle Räume aufgeschlossen und uns herumgeführt." Ein komischer Moment sei das gewesen – auch voll Trauer. Doch Wiedergutmachung? "Dieses Wort passt nicht. Es wäre eine erneute Vertreibung", meint Otte. Viel mehr interessieren ihn die freundschaftlichen Beziehungen in die einstige Heimat.

"Als ich das erste Mal zurückkam, stand Herbert da. Als Freunde fielen wir uns in die Arme." Nur selbstverständlich, dass Martin Otto bei seinen Aufenthalten in der Gegend auf Herberts Gut wohnt, das dieser inzwischen als Ferienbetrieb bewirtschaftet.

Beim jüngsten Besuch mit der Reisegruppe stand auch die "Wolfsschanze", das Hauptquartier Adolf Hitlers, auf dem Programm.

An den Bau ab 1940 kann sich Otte, der damals ein kleiner Steppke war, noch genau erinnern. "Auch wenn es nicht offiziell war. Das wusste jeder in der Gegend. Es gab keine Steine und keinen Beton mehr zu kaufen", berichtet er über Auffälligkeiten von einst. Zudem sei die Bahn stillgelegt worden, Kontrollposten wurden eingerichtet.

Der Bau selbst sei so gewaltig mit seinen dicken Mauern, dass immer noch etwas davon zu sehen sei, sagt Manfred Hiltergerke, stellvertretender Bürgermeister Bad Salzuflens. Auch er war auch mit dem TuS Bexterhagen unterwegs.

Bildunterschrift: Ein weiter Weg: Martin Otte zeigt auf der Karte seine jüngste Reiseroute.


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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