junge Welt ,
04.02.2002 :
Personenschutz für Neonazis / Bielefeld: Mehr als 2.000 Polizisten im Einsatz bei rechter Demonstration gegen Wehrmachtsausstellung
Peter Schulz
Während in München ein komplettes Demonstrationsverbot über sämtliche Aktionen gegen die NATO-Sicherheitskonferenz verhängt wurde, durften in Bielefeld rund 1.700 Neofaschisten den Schutz des Grundgesetzes für sich in Anspruch nehmen und erneut gegen die Ausstellung des Hamburger Instituts für Sozialforschung über die Verbrechen der Wehrmacht demonstrieren. Rund 2.000 Beamte aus ganz Nordrhein-Westfalen schirmten den Neonaziaufmarsch ab.
Aus dem gesamten Bundesgebiet und aus Schweden waren die Rechten am Samstag angereist. Daß die neofaschistische Szene jedoch nicht, wie so gerne von ihr dargestellt, in trauter Einheit marschiert, wurde deutlich, als sich NPDler und "Freie Kameraden" nach einer Rede von Steffen Hupka in die Haare gerieten. Dieser hatte in seinem Beitrag die Politik der NPD kritisiert, woraufhin es zu Rangeleien zwischen dem Dortmunder Nazikader Siegfried Borchardt und einem NPD-Mitglied kam.
In einem vom örtlichen DGB organisierten Sternmarsch machten sich rund 8.000 Menschen auf den Weg, um gegen die neofaschistische Provokation zu demonstrieren. Die Bielefelder Antifa kritisierte indes die Zusammenarbeit zwischen DGB und Polizei sowie die Einladung der Gewerkschaft an den Oberbürgermeister von Bielefeld, Eberhard David (CDU). In einem Flugblatt stellten die Antifaschisten klar, dass David eine Partei vertrete, "die für rassistische (Leitkultur-)Kampagnen bekannt" sei und deren Kanzlerkandidat gerne von einer "durchrassten Gesellschaft" schwadroniere. Daher dürfe es kein Rederecht für David geben.
Rund 500 meist jugendliche Linke wollten sich nicht damit begnügen, in der Innenstadt gegen die Nazis zu demonstrieren. Daher machten sie sich, nachdem ihr Weg zunächst an einer Polizeisperre endete, in Kleingruppen auf, um sich den Neofaschisten direkt in den Weg zu stellen, was aufgrund der eingesetzten Polizeikräfte jedoch nicht glückte. Die Beamten lieferten sich immer wieder Rangeleien mit den Linken und setzten mehrfach den Schlagstock ein. Dabei wurden einige Demonstranten leicht verletzt.
Auch bei der Anreise der Neofaschisten kam es zu einem Zwischenfall: Zwei linke Jugendliche waren aus Versehen in einen eigens für die Nazis bereitgestellten Sonderzug gestiegen und dort von den Rechten bedroht worden. Gegenüber jW berichteten sie von körperlichen Misshandlungen und Beleidigungen. Des weiteren hätten die Nazis ihre "Personalien kontrollieren wollen" und Bilder von ihnen gemacht, welche auf der Internetseite der neofaschistischen "Initiative der weißen Art" ausgestellt werden werden sollten. Nach Aussage der Jugendlichen ist der Vorfall von einem Beamten des Bundesgrenzschutzes (BGS) beobachtet worden, der jedoch nicht eingeschritten sei. Ein Sprecher des BGS Bielefeld wies die Vorwürfe gegenüber jW zurück. Der Polizei sei "ein solcher Vorfall nicht bekannt".
Während des Aufmarsches wurden drei NPD-Anhänger festgenommen. Nach Angaben von Polizeisprecher Wolfgang Seifried hatten sie Polizisten mit Flaschen und Steinen beworfen und getreten, Barrikaden errichtet und angezündet sowie einen Polizeiwagen beschädigt. Zudem sei ein 24-Jähriger vorläufig festgenommen worden, weil auf seiner Kopfhaut SS-Runen tätowiert waren. Gegen ihn sei ein Strafverfahren eingeleitet worden. Redeverbote wurden gegen den früheren Chef der verbotenen Freiheitlichen Arbeiterpartei (FAP), Friedhelm Busse, und den Hamburger Neonazi Christian Worch verhängt. Der Versammlungsleiter der NPD, Timo Pradel, sei von der Veranstaltung ausgeschlossen worden, weil er "Ruhm und Ehre der Waffen-SS" skandiert habe, sagte Seifried. Auch gegen ihn werde ein Strafverfahren eingeleitet.
Die "Freien Kameradschaften" kündigten unterdessen einen erneuten Aufmarsch gegen die Wehrmachtsausstellung in Bielefeld an. Laut Christian Worch soll dieser am 2. März stattfinden. Die überarbeitete Wehrmachtsausstellung ist noch bis 17. März im Historischen Museum Bielefeld zu sehen.
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