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Lippische Landes-Zeitung , 17.05.2006 :

Neue Adresse mit weißer Weste / Kulturausschuss für die Umbenennung der Philipp-Lenard-Straße

Lemgo (jow). Wie schafft man es, einen Fehler, der in den 60er Jahren gemacht wurde, möglichst elegant und unauffällig zu korrigieren? Ein Problem, das die Lemgoer Politik und Verwaltung gerade beschäftigt. Montag stand es auf der Tagesordnung des Kulturausschusses: Die Umbenennung der Philipp-Lenard-Straße in die James-Franck-Straße. Es soll so kommen.

Wer Philipp Lenard in der Online-Enzyklopädie Wikipedia nachschlägt, stellt schnell fest, dass er wohl ein Mensch mit schmutzig-brauner Weste war - zumindest aus heutiger Sicht. Den Nazis sprach der Physiker schon 1924 aus der Seele. Philipp Lenard propagierte die "deutsche Physik"; wobei er sich besonders gegen die abstrakte moderne Physik seines Kollegen Albert Einstein wandte. Dessen Relativitätstherorie lehnte er als "jüdische" Hervorbringung ab. Lenard unterstützte als einer der ersten namhaften deutschen Wissenschaftler in einem Zeitungsartikel Adolf Hitler lange vor dessen Machtergreifung.

"Wie kam es überhaupt dazu, dass die Straße nach so einem Menschen benannt wurde?", wollte Sabrina Zimmer (CDU) im Kulturausschuss wissen. "Es war wohl schlicht Unkenntnis", versuchte es Stadtarchivarin Dr. Anikó Szabó mit einer Erklärung. "Als in den 60er Jahren die Straßen am Biesterberg benannt wurden, hat man einfach Nobelpreisträger genommen und sich weiter keine Gedanken gemacht." Und einen Nobelpreis hatte Philipp Lenard 1905 bekommen.

Den bekam sein geplanter Straßennamen-Nachfolger James Franck 1925 auch. Sonst ist der Physiker das komplette Kontrastprogramm zu Philipp Lenard. Franck drehte sein Fähnchen nicht in den Wind, sondern legte 1933 aus Protest gegen die Nazi-Politik seine Professoren- und Direktorenstelle am Zweiten Physikalischen Institut der Universität Göttingen nieder, obwohl er trotz jüdischen Glaubens unter eine Ausnahmeregelung gefallen wäre und das Staatsamt hätte behalten können. Franck emigrierte in die USA, wo er die zivile Nutzung von Atomtechnik erforschte und eindringlich vor dem Einsatz von Atombomben warnte.

"Wir hatten die Umbenennung der Straße ja schon mal als Thema", bemerkte Jobst-Hermann Koch (CDU) im Kulturausschuss. "Damals ist es beim alten Namen geblieben, weil die Bewohner nicht einverstanden waren. Ist das abgeklärt, dass die jetzt nichts dagegen haben?" Eindeutig mochte sich die Verwaltung zu dieser Frage nicht äußern. Zwei Stichproben der LZ unter den Bewohnern zeigen jedoch, dass diese offensichtlich diesmal - im Gegensatz zum ersten Umbenennungsversuch 1998 - nicht gefragt wurden.

"Wie soll die Straße dann heißen?", wollte Bewohner Waldemar Piel beim LZ-Besuch vor Ort wissen. "James-Franck-Straße?" "Na, wenn es einen wichtigen Grund gibt, sollen sie es machen. Aber es kostet alles Geld: die neuen Schilder, die neuen Papiere. Und mit Lemgo hat er nichts zu tun?" Auch Heinz Kracht ist erstaunt: "Davon wusste ich noch gar nichts. Das finde ich überhaupt nicht gut."

Er vermutet eine fehlende Lobby gegen die Umbe-nennung. "Hier sind ja keine Firmen, die ihre Geschäftsunterlagen ändern müssten. Aber stellen sich die gleiche Situation mal in der Grevenmarsch vor. Trotzdem: Auch hier wären ein paar Informationen vorher einfach anständig gewesen."


Lemgo@lz-online.de

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