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Schaumburger Zeitung , 01.04.1998 :

ZASt Langenhagen: Auch Däne bat schon um Asyl ...

Landkreis/Hannover (wm). Wer bei uns Asyl sucht, muss zunächst in eine ZASt (Zentrale Anlaufstelle für Asylbewerberinnen und Asylbewerber), wo er/sie erkennungsdienstlich behandelt und angehört werden. Erst nach einem ersten Entscheid, spätestens nach zwölf Monaten geht es weiter an die Landkreise und Gemeinden. Die nächste ZASt liegt in Langenhagen in den ehemaligen Kasernen eines Flugabwehrbataillons.

Der erste Eindruck eines Asylbewerbers von unserem Land: In sturmumtoster freien Pläne, weit weg von jeglicher Zivilisation, ein Schlagbaum mit Wachhäuschen. Es gibt Ankömmlinge, die halten das glatt für das Paradies. Denn hinter den grauen Mauern erwartet sie ein geheiztes Zimmer, Bett und Essen – mehr als beispielsweise Armenier von ihrer Heimat erwarten können. Für andere ist es die Hölle. Vor allem, wenn sie nach Wochen frustrierenden Wartens einen Ablehnungsbescheid in der Hand halten und wissen, wenn sie nicht freiwillig ausreisen, droht Abschiebehaft. Deshalb, berichtet ZASt-Leiter Harald Gromotka, "können sie bei uns alles erleben, was sie sich auf menschlicher Ebene überhaupt vorstellen können". Die ZASt, macht er klar, sei ein künstliches Gebilde, nämlich genaugenommen eine Zusammenfassung verschiedener Behörden mit angegliederem Hotelbetrieb, in dem 700 Asylbewerber ausharren, bis über ihren Fall entschieden worden ist.

Zur ZASt gehören das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, die Ausländerbehörde der Bezirksregierung, das Gesundheitsamt des Landkreises Hannover und die Flüchtlingsbe ratungsstelle des Diakonischen Werkes. Wer am ZASt-Tor klingelt, wird erkennungsdienstlich behandelt, einschließlich eines Fingerabdrucks, den man so schnell weder verlieren noch fälschen kann. Gromotka: "Das Verfahren ist inwzischen waserdicht." Die ZASt-Mitarbeiter kennen alle Tricks. Besteht ein begründeter Verdacht, veranlasst das Bundesamt auch schon mal eine "Leibesvisitation". Vielleicht findet sich doch noch ein Pass ein? Wie lange bleiben Asylbewerber in der ZASt? Gromotka: "Zwischen einer halben Stunde und zwölf Monaten – je nach Ablauf des Verfahrens." Eine halbe Stunde? Komme vor. Jünst stand ein Bus mit jungen Männern aus Rumänien vor dem Tor. Die kehrten sofort wieder um, als sie hörten, was sie erwartet. Nein, Asyl hatten sie sich anders vorgestellt. Wie? Naja, Arbeiten und Geldverdienen. Gromotka: "Ich kann mir vorstellen, dass ihr Busreiseveranstalter in Sofja ein paar unangenehme Fragen hat beantworten müssen." In der Praxis zeigt sich: Von hundert Ankömmlingen werden im Schnitt zwischen fünf und sieben Prozent als Asylanten anerkannt. Aber bis zu 50 Prozent können aus anderen Gründen bleiben. Beispielsweise, weil ihr Land (wie Afghanistan) über den Luftweg nicht zu erreichen ist oder (Beispiel Armenien) andere humanitäre Gründe für einen Abschiebestopp sprechen. "Grundsätzlich gilt", so Gromotka: "Asylrecht ist ein Indiviualrecht, das heißt jeder Fall muss einzeln geprüft werden." Das gilt auch dann, wenn schon der erste Anschein vermuten lässt, dass kein Asylgrund vorliegt. So klingelte schon ein Flüchtling aus dem Vatikan in Langenhagen und ein dänischer Staatsbürger, der sich ebenfalls verfolgt fühlte. Die ZASt zog einen Psychiater zu. Und die vielen Vorfälle? Martin Framme, Sachgebietsleiter und Stefan Brettschneider vom Sozialdienst der ZASt wollen eines grundsätzlich festhalten: "Auch die ZASt ist kein rechtsfreier Raum." Allerdings sicher auch kein "Ort der Glückseeligkeit". Deshalb gibt es in jedem Haus ein Notrufsystem. Besucher erhalten einen Ausweis und müssen bis 22 Uhr das Gelände wieder verlassen haben. Auch darüber wacht ein privater Sicherheitsdienst. Gibt es ernsthafte Probleme, arbeitet man eng mit der Polizei zusammen. Als der Verdacht bestand, jemand könne eine Waffe besitzen, umstellte die Polizei das Haus. Es war falscher Alarm. Was bei einem Rundgang durch die ZASt am meisten verblüfft: Siebenhundert Menschen aus 26 Nationen sollen in den Häusern leben – ein Dutzend Kinder spielen zwischen den Bäumen. Das wars. Mag sein, dass es an dem verregneten Tag liegt. Der ZASt-Chef hat eine andere Vermutung: Die meisten seien wohl in der Stadt.


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