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Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische , 11.03.2006 :

Antisemitische Legende / Woche der Brüderlichkeit / Schüler arbeiten Bürener Legende vom Hostienfrevel auf

Von Julika Gausmann

Büren. Es ist eine typische Gruselgeschichte, die sich im 13. Jahrhundert in Büren abgespielt haben soll und die schockierend einen tief verwurzelten Antisemitismus vor Augen führt: Die Legende vom Bürener Hostienfrevel. Im Rahmen der Woche der Brüderlichkeit soll die düstere Legende offiziell berichtigt werden.

"Es ist erschreckend, dass Christen trotz der Lehre der Vergebung eines Feindbildes aus der eigenen Wurzel, dem Judentum, bedurften", sagt Matthias Schmidt, Religionslehrer am Mauritiusgymnasium Büren. Vier seiner Schüler begaben sich auf Spurensuche. Christian Weinberger, Stefan Summers, Henrik Montag und Tobias Trexler setzten sich mit der Situation der Juden in Büren auseinander.

Gegen Ende des 13. Jahrhunderts wurden hier mehrere Juden ermordet. Offensichtlich wurde ihnen ein Frevel nachgesagt, denn der damalige Paderborner Bischof Otto erließ 1292 den Bau einer Kapelle. Aus dem Schreiben geht hervor, so die Gymnasiasten, dass die Kapelle jüdische Schuld sühnen sollte. 45 Jahre später, 1337, tauchte dann die Legende ähnlich der vom Pariser Hostienfrevel auf, die noch heute in Büren ein Begriff ist.

Zwölftklässer rekonstruieren, was wirklich passierte

Eine Christin habe ihren Rock aus Geldmangel an einen Juden verpfändet. Als sie ihr Kleidungsstück zurückkaufen wollte, so hieß es, verlangte der Kreditgeber eine Hostie. Aus dieser soll beim Aufschneiden Blut geflossen sein. Damit nicht genug: Anschließend habe der Jude die Hostie in heißes Öl getränkt, aus dessen Rauch ein kleines Kind aufgestiegen sein soll.

Was tatsächlich passiert ist, konnten die Zwölftklässler nicht rekonstruieren. Dass dieses diabolische Märchen das Resultat einer judenfeindlichen Gesinnung ist, um die Morde nachträglich zu legitimieren, steht außer Frage. "An der Frevellegende zeigt sich, wie schnell Behauptungen zu Vorurteilen werden, die ganze ethnische Gruppen ausgrenzen", sagt Henrik Montag.

Mit diesen Vorurteilen, so der Bürener Pfarrer Peter Gede, will auch die Pfarrgemeinde nun endlich aufräumen. Eine Inschrift in der Sakramentskapelle, die auf den Grundmauern des ehemals jüdischen Hauses gebaut und nach einem Brand 1720 vom Baumeister Johann Conrad Schlaun neu konstruiert wurde, lässt – "contra judaeus" – noch immer auf den angeblichen Frevel schließen.

In Zusammenarbeit mit der Christlich-Jüdischen Gesellschaft wird am Donnerstag, 16. März, um 18 Uhr eine Tafel angebracht, um die Legende zu berichtigen. Es spricht Prof. Hubert Frankemölle, Vorsitzender der Gesellschaft. Danach, um 19.30 Uhr, präsentieren die Schüler des Mauritiusgymnasiums ihre Forschungsergebnisse in der Aula. Ergänzt werden die Vorträge durch eine Präsentation architektonischer Bilder, die Schülerinnen der elften Klasse im Kunstunterricht bei Lehrerin Brigitte Wiese vorbereitet haben. Sie zeigen Grundrisse der Kapelle und des "Wunderbrunnens", eines Schachts unterhalb des heutigen Altares, in dem sich der Kessel mit Blut gefüllt haben soll, der aber laut Wiese wohl eher ein Kellerraum denn ein Brunnen war.

Weitere Termine zur Woche der Brüderlichkeit: Sonntag, 12. März, 17 Uhr Abschlussveranstaltung im Paderborner Rathaus mit Vorträgen und musikalischen Beiträgen der Bürener Gymnasiasten; Dienstag, 21. März, 19.30 Uhr Vortrag der Erfurter Theologin Daniela Kranemann über "Hostienwunder und Judenfeindschaft", Aula des Mauritiusgymnasiums.

11./12.03.2006
lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de

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