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WebWecker Bielefeld , 14.01.2004 :

"Digitales Polizeiauge"

In Bielefeld kommt die Videoüberwachung. Gezielt soll der Ravensberger Park mit Überwachungskameras ausgestattet werden, ebenso wird der Verkehrsbetreiber moBiel seine Haltestellen am Jahnplatz überwachen. Polizeidezernent Michael Borchardt erklärt die Gründe für eine Überwachung des Ravensberger Parks.

Von Manfred Horn

Die geplanten Überwachungsmaßnahmen wurden in der vergangenen Woche im Hauptausschuss des Stadtrats mit großer Mehrheit gebilligt. "Die Kameras sind kein Selbstzweck, sie sollen zur Sicherheit dienen", erklärt Michael Borchardt, Dezernent für Einsatzangelegenheiten im Polizeipräsidium Bielefeld, dem WebWecker. Mit den Kameras wolle die Polizei zuvorderst Straftaten verhindern und erst in zweiter Linie aufklären. Er setzt auf die abschreckende Wirkung vom "Digitalen Polizeiauge".

Die Überwachung der Haltestellen am Jahnplatz ist dabei keine Sache der Polizei. Rechtlich verhält es sich so, dass moBiel damit praktisch Privatgelände überwacht. Die Abgänge zur U-Bahn und die oberirdischen Haltestellen kommen dabei ins Visier. Dadurch will moBiel mit dem eigenen Personal, aber auch durch Polizei und Stadtwache, bei Übergriffen und Pöbeleien schnell helfen können und die eigenen Anlagen, vor allem die Ticketautomaten, vor Beschädigungen schützen. Die Bilder würden in der Verkehrsleitstelle auflaufen und nicht aufgezeichnet, teilt moBiel mit. Von dort würden dann die Einsatzkräfte über Funk oder Telefon alarmiert. moBiel sprach mit der Stadt und bekam Zustimmung für das Projekt. Die Polizei zeigte sich ebenfalls erfreut, beobachtet sie doch auf dem Jahnplatz diverse Jugendszenen. "Uns fehlt das Personal. Von daher ist es gut für uns, wenn wir von moBiel Hinweise bekommen. So können wir den Banden dort ein wenig mehr Herr werden", sagt Borchardt.

Über die Kameras im Ravensberger Park hingegen entscheidet der örtliche Polizeipräsident. So ist es im neu formulierten Landespolizeigesetz vorgesehen. Dafür muss er einen Kriminalitätsschwerpunkt ausmachen. Die Daten können, auch das ist neu seit der Novellierung des Gesetzes im Sommer 2003, nun 14 Tage gespeichert werden. Danach müssen sie gelöscht werden, mit Ausnahme der Aufnahme von Straftaten, die dann den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung gestellt werden. Das Landespolizeigesetz schreibt weiter vor, dass die Maßnahme auf ein Jahr befristet ist. Der Polizeipräsident, in diesem Fall Erwin Südfeld, kann sie dann aber jeweils um ein Jahr verlängern. Die Video-Beobachtung muss dabei für jedermann erkennbar sein, die Kameras dürfen also nicht versteckt aufgebaut werden. Durchgesetzt hatten die Landes-Grünen in den Verhandlungen mit dem Koalitionspartner SPD, dass das Gesetz 2008 noch mal auf den Prüfstand kommt.

Bedingung für die Installation der Kamera ist, dass der Ort einen sogenannten "Kriminalitätsschwerpunkt" darstellt. Nach dem alten Gesetz war die Überwachung nur bei Delikten von erheblicher Bedeutung möglich. Bis heute gibt es keine klare Definition eines Kriminalitätsschwerpunkts. Die Bielefelder Polizei bezieht sich auf Fachliteratur, wenn sie als entscheidende Kriterien "Diebstahl, Körperverletzung und Sachbeschädigung" nennt. "Entscheidend ist, dass ein Täter - Opfer Verhältnis vorliegt", sagt Borchardt. Noch für dieses Jahr erwarte man eine das Polzeigesetz ergänzende Verwaltungsvorschrift des Landesinnenministeriums, die den Begriff genau festlege.

So ist einer der drei genannten Argumente der Polizei Bielefeld für die Installation von Kameras auch gar kein Grund, der sich aus dem neuen Polizeigesetz ableiten ließe. Argumentiert wird da damit, dass sich seit der Abschaltung der Video-Anlage – die in einem landesweiten Pilotprojekt bereits von Februar 2001 bis Ende März 2002 eingeschaltet war – die Zahl des "BTM-Handels", also dem Verdealen von Drogen nach dem Bundesbetäubungsmittelgesetz, "nahezu verdoppelt" habe. Stelle die Polizei im Jahr 2000 sieben solcher Delikte im Ravensberger Park fest, so waren es 2001 neun und in 2002 bereits 17. Die Zahl sei 2003 weiter gestiegen, sagt Borchardt.

Das zweite Argument ist eine "Kriminalitätsdichtezahl", ebenfalls keine Formulierung, die dem Landespolizeigesetz ableiten ließe. Hier hat die Polizeistatistik ermittelt, dass im Ravensberger Park das Verhältnis von Straftat zu Fläche "nahezu das sechsfache" gegenüber dem gesamten Stadtgebiet ausmacht. Die Zahlen für andere Parkanlagen, zum Beispiel Nordpark und Bürgerpark, seien wesentlich niedriger. Neben den objektiven Daten hat die Polizei aber auch eine repräsentative Umfrage gestartet, die Anfang Februar der Öffentlichkeit vorgestellt werden soll. Demnach ist die Angst, Opfer zu werden, in Parkanlagen besonders hoch. Und: "Der Ravensberger Park wird fünf mal mehr als der Nordpark als Angstraum wahrgenommen", sagt Borchardt. Das subjektive Unsicherheitsempfinden sei nur am Hauptbahnhof noch größer.

Zentrales Argument für das Einschalten der Kameras im Ravensberger Park bleiben Anzahl und Qualität von Diebstahls-, Körperverletzungs-, und Sachbeschädigungsdelikten, sogenannte typische Delikte an einem Kriminalitätsschwerpunkt. "Die Gesamtstrafzahl ist nicht so relevant, es geht um die Qualität der Straftaten", erläuert Borchardt. Im Ravensberger Park würden diese Straftaten zwischen der Hälfte und zwei Drittel aller dort verübten Straftaten ausmachen. In absoluten Zahlen habe es im Ravensberger Park im Jahr 2000 58 Straftaten gegeben, im Jahr 2001 79, im Jahr 2002 70 und im vergangenen Jahr zwischen 70 und 80. Die genaue Zahl werde aber erst im Februar bekanntgegeben, da dann erst die Polizeistatistik für 2003 veröffentlicht wird.

"Da gab es einen Placebo-Effekt." So erklärt Borchardt, dass die niedrigste Zahl an Straftaten in den vergangenen Jahren ausgerechnet im Jahr 2000 vor dem Pilotlauf der Kameras erreicht wurde. "Ein großer Teil der Szene im Ravensberger Park hat durch die öffentliche Diskussion angenommen, dass da schon Kameras hängen." Borchardt sieht, dass die Kriminalitätsentwicklung im Ravensberger Park ansteigt. Dies gilt jedoch allgemein für Stadt und Land. Borchardt räumt ein, man habe im Ravensberger Park keine Zustände wie auf der Kölner Domplatte: "Die Kriminalitätsentwicklung im Ravensberger Park ist nicht extrem negativ."

Auf Diskussionen, ob eine Kameraüberwachung des Ravensberger Parks Randgruppen und Straftaten nicht nur räumlich verlagere, will Borchardt sich indes nicht einlassen. Ob die Straftaten, die sozusagen präventiv durch die Kameraüberwachung im Ravensberger Park nicht mehr stattfinden, sich dann woanders oder gar nicht mehr ereignen, darüber habe er keine Daten. "Zurückgegangen ist aber Anteil von Auswärtigen. Die Bielefelder Szene hat sich nicht aufgelöst, ist aber in mehrere Teile zersplittert", schildert er seine Einschätzung der Drogenszene im Ravensberger Park. Der Rückzug der Auswärtigen und die Zersplitterung der Bielefelder Szene wertet er auch als Erfolg der Kameraüberwachung in der Pilotphase.


webwecker@aulbi.de

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