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Vlothoer Anzeiger , 04.03.2006 :

Sichere Insel: Schüler erstellen Holocaust-Mahnmale / WGV-Geschichtskurs macht sich an schwierige Aufgabe / Modelle sollen unfassbares Leid ausdrücken / Ausstellung bei Stolperstein-Aktion

Vlotho (BoDo). Erschrocken über das Ausmaß der Verbrechen an den Juden und konfrontiert mit der Möglichkeit, selbst zur Erinnerung etwas beizutragen, haben sich die Schülerinnen und Schüler des Geschichtskurses an eine schwierige Aufgabe gemacht.

Von Bodo Kohlmeyer

Das Ergebnis ihrer mit Kopf, Herz und Hand geleisteten Arbeit stellte die Gruppe jetzt im Unterricht vor. Am 11. März werden die Schülerarbeiten auch der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Mädchen und Jungen des Geschichtskurses der Stufe 11 am Weser-Gymnasium hoffen auf entsprechendes Interesse der Vlothoer und auf viele Gespräche mit Besuchern ihrer Ausstellung.

Wenn am kommenden Samstag die "Stolpersteine" zur Erinnerung an die ermordeten Vlothoer Juden offiziell eingeweiht werden, wird gleichzeitig auch diese begleitende Ausstellung von Holocaust-Mahnmalen präsentiert.

Holocaust-Mahnmal in Berlin besucht

Der Geschichtskurs unter Leitung von Katharina Peter hat sich mit Möglichkeiten der Erinnerung an den Völkermord an den Juden beschäftigt und eigene Modelle von Holocaust-Gedenkstätten entworfen und gebaut. Von 10 bis 14 Uhr ist am 11. März die von Wolfgang Kreideweis geführte "Markt Scheune" (im ehemaligen Haus Sitte) speziell für diese Ausstellung geöffnet.

Sieben der Mädchen und Jungen im Kurs haben in Berlin das zentrale Holocaust-Mahnmal gesehen. Sie brachten ihre Eindrücke und auch ihre Kritik an dessen Architektur mit in den Unterricht ein. "Ich fand es nicht gut, dass da Leute auf den Steinen des Mahnmals herumspringen konnten. Das kam wohl bei den Wenigsten gut an", erklärte eine Schülerin. Geschichtslehrerin Katharina Peter ermutigte die Kursmitglieder dazu, sich selbst in die Lage der Architekten und der Förderer des Mahnmals in Berlin zu versetzen und dann eigene Modelle zu erstellen. So konnte jeder Jugendliche seinen eigenen Zugang zum Thema Holocaust und Erinnerung finden.

"Wir haben den Versuch gemacht, diese schier unvorstellbare Größe des Mordens mit unseren Möglichkeiten so darzustellen, als ob wir reale Mahnmale bauen könnten", erläuterten die Schülerinnen und Schüler ihre Arbeit. Die Gesichtspunkte der Ehrung der Opfer und der Erinnerung an deren Leiden sollte verbunden werden mit der Idee des Unfassbaren und "absolut Unmenschlichen", das zur Planung und Ausführung dieser systematischen Ausrottung gehört habe, berichteten die Kursteilnehmer während der Vorstellung ihrer Modelle.

Dabei erinnerte Schulleiter Dr. Helmut Heinze an die feierliche Aufstellung des Gedenksteins für die zerstörte Synagoge, die 1988 stattgefunden hat. In dem Jahr wurden Teilnehmer des Geschichtskurses geboren. Während Tina Althoff, Ina Babenhauserheide, Maik Kelemin, Jan Klusmeier, Fabian Loest und Lennart Raudonat am Samstag ab 10 Uhr in der "Markt Scheune" die Mahnmal-Modelle ausstellen und erläutern, werden Bianca Arnold, Anna Faber, Lisa Jahn, Marieke Jostmeier, Miriam Gimbel, Tess Goerke, Kristina Gorodetski, Sarah Grotegut, Lisa Messing, Melanie Prochotta, Jana Richter, Anna-Lena Sommer, Dennis Stocksmeier, Johanna Uhe und Caroline Wittland bei der offiziellen Einweihung der Stolpersteine die Lebensdaten der jüdischen Opfer aus Vlotho vortragen.

Jugendliche würdigen die Opfer am Samstag

Nach einer kurzen Einführung am Gedenkstein für die Vlothoer Synagoge vor dem Weser-Center werden die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der öffentlichen Übergabe der Stolpersteine am kommenden Samstag zu den Häusern der ersten zwölf Vlothoer Juden gehen, deren jetzt mit den Steinen gedacht werden soll. Vor den Häusern werden die Schüler die Opfer würdigen:

Samson Heynemann: Geboren am 1. November 1860 in Vlotho. Kaufmann. Deportiert am 29. Juli 1942 in das KZ Theresienstadt. Todestag: 15. August 1942.

Hedwig Heynemann: Geboren am 30. Mai 1874 in Gnesen/Posen. Hausfrau. Deportiert am 29. Juli 1942 in das KZ Theresienstadt. Im KZ Treblinka verschollen.

Hedwig Levi: Geboren am 31. März 1875 in Vlotho. Hausfrau. Deportiert am 29. Juli 1942 in das KZ Theresienstadt. Todestag: 13. September 1942.

Gustav Loeb: Geboren am 29. Mai 1882 in Netze/Waldeck. Kaufmann. Deportiert am 15. Dezember 1941 nach Riga. Verschollen.

Helene Loeb: Geboren am 30. Oktober 1889 in Dermbach/Thüringen. Geschäftsfrau. Deportiert am 15. Dezember 1941 nach Riga. Verschollen.

Änne Markus: Geboren am 18. Dezember 1904 in Vlotho. Geschäftsfrau. Deportiert in das KZ Groß-Rosen. Verschollen.

Johanna Nußbaum: Geboren am 16. März 1866 in Gehaus/Thüringen. Deportiert am 23. Juli 1942 nach Theresienstadt. Todestag: 8. August 1942.

Willi Silberberg: Geboren am 28. Mai 1894 in Vlotho. Geschäftsmann. Deportiert am 29. Juli 1942 in das KZ Theresienstadt. Ermordet im KZ Auschwitz am 9. Oktober 1944.

Rebekka Silberberg: Geboren am 21. Februar 1861 in Krefeld. Geschäftsfrau. Deportiert am 29. Juli 1942 in das KZ Theresienstadt. Todestag: 25. Januar 1943.

Louis Steinberg: Geboren am 2. August 1867 in Vlotho. Metzger/Kaufmann. Deportiert am 29. Juli 1942 in das KZ Theresienstadt. Im KZ Treblinka verschollen.

Gertrud Windmüller: Geboren am 15. Juni 1899 in Vlotho. Deportiert am 28. März 1942 nach Warschau. Verschollen.

Ruth Windmüller: Geboren am 18. März 1937 in Hamm. Deportiert am 28. März 1942 nach Warschau. Verschollen.

04./05.03.2006
redaktion@vlothoer-anzeiger.de

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