Schaumburger Zeitung ,
15.01.2003 :
Politiker scheuen Volksentscheide wie der Teufel das Weihwasser
Rinteln (wm). Wer einen eifernden Demagogen, Attacken gegen Ausländer und den Ruf nach Wiedereinführung der Todesstrafe erwartet hatte, saß am Montagabend im Hotel "Stadt Kassel" in der falschen Veranstaltung: Dr. Hans-Joachim Duddeck aus Obernkirchen, 48 Jahre alt und praktizierender Allgemeinmediziner, referierte eine Stunde lang über die Ziele der Schill-Partei als säße er auf dem Podium einer Universität: leidenschaftslos, betont sachlich und mit leiser Stimme.
Einen der gerade mal eine Handvoll Zuhörer bremste er in der Diskussion: "Keine persönlichen Angriffe bitte." Die Partei Rechtsstaatlicher Offensive, als deren Landtagskandidat Dr. Duddeck antritt, präsentierte er mit fast britischem Unterstatement: "Wir verstehen uns als bürgerliche Protestpartei", nach rechts gebe es eine deutliche Abgrenzung: Wer der NPD nahesteht, werde nicht aufgenommen. Er sei ein klassische Wechselwähler gewesen, ehe er sich vor der Bundestagswahl für die Schill-Partei engagiert habe. Einen Kreisverband gebe es noch nicht, erst seit etwa einem halben Jahr einen Arbeitskreis. Dr. Duddeck sieht in Niedersachsen ein Wählerpotenzial, das für einen Einzug ins Parlament reichen könnte: 80 Prozent der Bürger habe das Vertrauen zu Politikern verloren, 35 Prozent der Wahlberechtigten in Niedersachsen wüssten nach Meinungsumfragen noch nicht, welche Partei sie wählen sollen, da müssten auch ein paar Prozent für Schill abfallen. Folgte das Grundsätzliche: Die Schill-Partei stehe für mehr Bürgerbeteiligung bei wichtigen Entscheidungen. Dr. Duddeck: "Wir sind weder zum Euro noch zur Rechtschreibreform noch zur EU-Erweiterung gefragt worden." Politiker aller Parteien scheuten Volksentscheide "wie der Teufel das Weihwasser", das könne doch nur bedeuten, "sie trauen ihren Bürgern und Wählern nicht".
Dann grenzte Dr. Duddeck das Feindbild ein: Politiker wie Parteien, die vor allem mit sich selbst beschäftigt seien, nicht mit der Lösung drängender Probleme. Dr. Duddeck: "Es kann nicht angehen, dass ein Abgeordneter nach acht Jahren eine Rentenanspruch erwirbt, für den andere Jahrzehnte arbeiten müssen oder ihn erst gar nicht erreichen." Wie solle man Politikern vertrauen, die gleichzeitig als Lobbyisten Geld verdienten? Dann eine Lektion Wirtschaftspolitik: "Außenstände und Zahlungsausfälle können einen mittelständischen Betrieb mit 50 Mitarbeitern schnell in die Insolvenz treiben. Die Schill-Partei wird sich dafür einsetzen, dass das Land für eine begrenzte Zeit Bürgschaften für solche Betriebe übernimmt." Zurzeit würden Großbetriebe mit "viel Brimborium" gerettet, wenn aber ein Handwerker Pleite gehe, nehme man das als Schicksal hin. Daraus resultierende weitere Forderung: Die Mehrwertsteuer für Handwerksbetriebe sollte auf sieben Prozent reduziert werden. Das ureigenste Feld der Schill-Partei, mit der Parteigründer Ronald Barnabas Schill, heute Innensenator in Hamburg, seinen überraschenden Wahlerfolg erzielt hatte – das Thema "Innere Sicherheit" – streifte Dr. Duddeck bei seinem Parforceritt durch die Politikfelder nur am Rande; seine Stichwörter hier: Opferschutz vor Täterschutz, konsequente Bestrafung von Serientätern, und die Verstärkung der Polizei ("Hier sind wir uns mit der CDU einig").
Bei der Schulpolitik wolle man sich in den "ideologischen Streit" um die Gesamtschule nicht einmischen: "Nicht auf die Schulform kommt es an, sondern auf die Inhalte." Werte sollten wieder vermittelt werden und "Achtung vor der Unversehrtheit der Mitmenschen". An der Zuwanderungspolitik, stellte Dr. Duddeck fest, seien bisher alle Parteien gescheitert. In Dänemark, "bestimmt ein liberales Land", müsse jeder, der dort auf Dauer leben wolle, auch seinen kulturellen Mittelpunkt haben. Das sollte auch bei uns gelten, meint Dr. Duddeck: "Wer seit 20 Jahren in der Bundesrepublik lebt und immer noch kein Deutsch spricht, ist im falschen Land."
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