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Bielefelder Tageblatt (MW) / Neue Westfälische , 27.01.2006 :

(Bielefeld) Der eigenen Geschichte auf die Spur kommen / Film "Ima" dokumentiert den Holocaust anders

Von Carsten Biermann

Bielefeld. "Mach die Kamera aus", sagt die Großmutter und schlägt die Tür hinter sich zu. "Du bist wie ein Nazi." Doch Caterina Klusemann drängt weiter. Die Filmemacherin will der Vergangenheit ihrer entwurzelten Familie auf die Spur kommen – und ist dabei auf die Informationen ihrer 80-jährigen Oma angewiesen.

Der Film "Ima" erzählt die Geschichte einer von den Nazis verfolgten Familie. Mit den üblichen Dokumentationen über den Holocaust hat er trotzdem wenig gemeinsam. Während sonst die Opfer vor der Kamera bereitwillig Auskunft geben, verschweigen Caterinas Vorfahren "der Kinder zu Liebe" ihre traurige Vergangenheit. Weder Mutter noch Großmutter wollen darüber sprechen, warum die Familie 1942 nach Venezuela emigrierte und inzwischen in Rom lebt. "Ich will einfach vergessen", sagt die Großmutter, wenn die Enkelin bohrende Fragen stellt. Doch in ihr brodelt es, das spürt man in jedem ihrer abweisenden Worte und Gesten.

Denn ein glückliches Leben führt die Familie in ihrer scheinbar heilen Welt nicht. Caterinas Großmutter und Mutter leben zwar unter einem Dach, doch eine imaginäre Wand trennt die beiden. Die Mutter, deren deutscher Ehemann bereits verstorben ist, leidet unter Depressionen. Als sie in die Klinik muss, öffnet die Großmutter langsam ihr Herz. Plötzlich mischen sich deutsche Sätze wie "Stehen bleiben, sonst schieße ich", zwischen ihr akzentfreies Spanisch.

Die Erzählungen werden immer emotionaler, bis sie ihr Geheimnis endgültig offenbart. In einem Päckchen hat sie es aufbewahrt, verbannt in der Schublade einer Kleiderkommode. Alte Fotos und Dokumente verraten: Sie ist Jüdin, stammt aus der Ukraine und rettete mit falschen Papieren sich und ihrer Tochter das Leben, während ihr Mann in einem Straflager von den Nazis umgebracht wurde.

Caterina Klusemann verzichtet in "Ima" fast vollständig auf historisches Material, vertraut glücklicherweise ganz den Bildern, die im Alltag entstehen. Zumeist aus ihrer Perspektive gefilmt, teilt der Betrachter das Schicksal der Erzählerin, die mit der Lösung des Rätsels auch das Glück in die Familie zurückbringt. In weiten Teilen ähnelt "Ima" damit einem psychologischen Lehrstück: Wer seine Vergangenheit verdrängt, verbaut sich auch die Zukunft.

Die Bielefelder Filmgruppe "(c)sineverite" zeigt "Ima" am heutigen Freitag, 27. Januar um 21.30 Uhr im AJZ-Kino, Heeper Stra0e; am Mittwoch, 1. Februar, um 18.30 Uhr im H 10 der Universität Bielefeld und am Donnerstag, 2. Februar, 19.30 Uhr im "alten Lichtwerk", August-Bebel-Straße, mit einem Vortrag von Merret Wohlrab vom "Verein gegen Vergessen" zum Thema "Gedächtnis und Identität".


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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