Schaumburger Zeitung ,
23.01.2003 :
"Mit dieser Musik kann man die Jugendlichen kriegen"
Bückeburg (bus). "Im Endeffekt kann man diese Musik total vergessen", meint Sascha Wagner. Die Rede ist von Kapellen, die sich "Arisches Blut" oder "Landser" nennen, "Noie Werte" oder "Zillertaler Türkenjäger". Sie singen von - pardon - "wir bleiben deutsch", "hurra, hurra ein Nigger brennt" und von – abermals pardon – "Türkenfotzen". Wagner muss wissen, wovon er redet. Er ist Mitglied im Bundesvorstand der NPD. Wagner sagt auch: "Mit dieser Musik kann man Leute kriegen." Und wenn man sie dann habe, könne man die jungen Leute formen. "Um Leute anzusprechen, in erster Linie, halte ich sie für hervorragend."
Ähnlich äußerte sich der verstorbene Sänger der britischen Band "Skrewdriver", Ian Stuart Donaldson: "Musik ist das ideale Mittel, Jugendlichen den Nationalsozialismus näher zu bringen. Besser als dies in politischen Veranstaltungen gemacht werden kann, kann damit Ideologie transportiert werden." Donaldson genießt in der rechten Szene nahezu Kultstatus. Er ist Gründer des Netzwerkes "Blood & Honour" (Blut und Ehre), über das ein großer Teil der häufig gesetzlich verbotenen Machwerke zu beziehen ist. "Im Netz gibt es alles", weiß Reinhard Koch. Und das Überspielen aus dem Internet gestalte sich selbst für technische Laien völlig unproblematisch. Drei, vier mal an den richtigen Stellen mit der Mouse geklickt und schon macht sich "DJ Adolf" ("Hier spricht der Führer") auf der heimischen Festplatte breit.
Koch weiß wie Wagner, wovon er redet. Er beschäftigt sich seit vielen Jahren in der Braunschweiger "Arbeitsstelle Rechtsextremismus und Gewalt" insbesondere mit den musikalischen Facetten der Rechtsextremisten. Der Experte eröffnete am Dienstag die Vortragsreihe der Ausstellung "Farbe bekennen für Toleranz!?", die noch bis zum Freitag dieser Woche (jeweils von 16 Uhr an) in der Jugendfreizeitstätte an der Jetenburger Straße über "Rechte Jugendkulturen – zwischen Lifestyle, Clique und Partei" informiert. Koch stellte seinem Vortrag ein etwas deutlicher formuliertes Motto voran: "Rechte Beats zwischen Oi und Techno - Soundtracks zu Mord und Totschlag".
Knapp zwei Stunden lang hörten etwa 25 Interessierte, was sich seit den Anfängen in den 80er Jahren, als der zusammengeschrammelte Rechtsrock über die Treffen der Skinheads kaum hinaus reichte, bis heute in der Szene getan hat. Gegenwärtig sei eine Transformation der früher bei den Spiegelglatzen angesiedelten Jugendbewegung in eine soziokulturelle Selbstinszenierung, in eine Lifestyle-Strömung zu beobachten. In ihr könnten alle möglichen ideologischen und politischen Muster, Werte und Stile nebeneinander existieren: Death-Metal, Oi-Rock, Stefanie Hertel, Frank Rennicke, Die Nationalen e. V., der Ku-Klux-Klan, die Spreewaldgurken und das Plüschsofa. Koch: "Die Übergänge zwischen den einzelnen Jugendszenen innerhalb der rechten Jugendkultur sind fließend." Ästhetik, Symbolik und Moden rechter Jugendkultur fänden zunehmend Eingang in den so genannten Mainstream und in die Popkultur. "Raus aus der eng begrenzten Szene – hinein in die Gesellschaft", laute gegenwärtig die Marschroute. Diesem Ziel habe sich unter anderem die von der inzwischen aufgelösten Band "Carpe Diem" ins Leben gerufene Initiative IDM ("Identität durch Musik") verschrieben, die Bands aus dem rechten Spektrum mit unterschiedlichsten Musikstilen vereine. Hier werde vor allem Wert darauf gelegt, keine "dumpfen Parolen, Hasstexte und Stammtischpatriotismus" zu verbreiten, da dies nur die Klischees in der Bevölkerung bediene und abschreckend wirke.
Koch machte auf den häufig übersehenen Aspekt aufmerksam, dass mit den diskriminierenden musikalischen Botschaften viel Geld zu verdienen ist. "Das hat sich zu einem großen Geschäft entwickelt." Etwa 50 Vertriebe teilten sich den Reibach, den mehr als 1.000 Veröffentlichungen pro Jahr einspielten. Die CDs erscheinen in Auflagen von wenigen Hundert bis zu 15.000 Stück. Hinzu kommen zahlreiche Bands aus dem Ausland.
Dem Vortrag wurde durch technische Probleme ein wenig von seiner Brisanz genommen. So kamen die Besucher um den "Genuss", originäre Musik- und Textbeispiele zu vernehmen. Wie zum Beispiel das von der Gruppe "Landser" verfasste Werk "In den Bergen von Ruanda", in dem geschildert wird, dass es "da nichts zu saufen" gibt. Weiter ist zu hören: " … ich stell den Wasserhahn auf und lass kalt Wasser laufen … Ich weiß, es ist gemein. Ja, eigentlich abgrundtief schlecht. Aber doch irgendwo geil, und irgendwo gerecht … ".
Das Missgeschick des Referenten hat indes auch eine vorteilhafte Seite. Koch machte dem Publikum das Angebot, mit zusätzlicher Ausrüstung zurück nach Bückeburg zu kommen – und junge Menschen mitzubringen, die aus persönlicher Erfahrung über die Geschehnisse in der rechten Szene Bericht erstatten können.
sz@schaumburger-zeitung.de
|