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Schaumburger Zeitung , 23.07.2003 :

Schüler geschlagen und getreten: Anklage gegen Rintelner Neonazis / Sandy O., Marcus W. und Michael S. verhaftet / Bald Prozess vor Landgericht

Rinteln (wer). Den ehemals führenden Mitgliedern der rechtsradikalen Szene in Rinteln wird der Prozess gemacht. Sandy O., Marcus W. und Michael S., die seit Mai 2002 abgetaucht waren, Monate später aber verhaftet werden konnten, müssen sich wegen einer Gewalttat vom April 2002 vor dem Bückeburger Landgericht verantworten.

In der Nacht auf den 21. April entbrannte in der Innenstadt zunächst nur ein verbaler Schlagabtausch zwischen dem vorbestraften Rintelner Rechtsradikalen Marcus W. und mehreren Sympathisanten der Antifa. Marcus W. fühlte sich offenbar argumentativ unterlegen, er griff zum Handy und holte Verstärkung.

Zur Stelle waren die "Kameraden" Sandy O., damals führender Funktionär der Jungen Nationaldemokraten in Schaumburg, und Michael S., ein aus Braunschweig stammender Neonazi, der sich zur heimischen Szene gesellt hatte. Am Steuer ihres Wagens saß der Rintelner Alexander O. In die Fänge bekamen die vier Rechtsradikalen nur noch einen der Antifa-Aktiven – der allerdings musste büßen. Michael S., so heißt es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft, soll den Jugendlichen mit einem Baseballschläger traktiert haben. Der 25-Jährige habe so gewaltsam auf den rechten Oberschenkel seines Opfers eingeprügelt, dass der Schläger dabei zerbrach. Sandy O. (26) soll den Schüler außerdem mit einem Staubsaugerrohr geschlagen haben.

Die Neonazis zogen den Verprügelten anschließend ins Auto, wo die Tortur fortgesetzt wurde: Auf der Rückbank sitzend musste der Schüler seinen Kopf zwischen die Beine legen, mehrmals soll ihn Michael S. während der Fahrt mit der Faust hart auf den Hinterkopf geschlagen haben.

Schließlich stoppte Alexander O. den Wagen, und jetzt wurde die Situation für den Antifa-Anhänger lebensgefährlich: Michael S. zückte ein über zehn Zentimeter langes (und inzwischen verbotenes) Butterfly-Messer und kündigte an, ihn "abstechen" zu wollen. Zwar konnten ihn seine Bekannten davon abhalten, doch verschont wurde das Opfer auch jetzt nicht: Obwohl sich der Jugendliche bereits übergeben hatte, wurde er weiter verprügelt, erhielt Fußtritte an den Kopf und Schläge mit einem harten Gegenstand.

Wieder zerrten ihn die Neonazis danach ins Auto, der Verprügelte sollte das Quartett nun zu einem weiteren Antifa-Sympathisanten führen, der als nächster an die Reihe kommen sollte. Um 5.10 Uhr stoppte die Polizei die Schlägertruppe in der Straße Im Emerten und befreite den Jugendlichen.

Der Schüler war – offenbar nach Drohungen seiner Peiniger – anfangs so verängstigt, dass er keine Aussage machen wollte. Die Beamten ließen die Rechtsradikalen deshalb ziehen, die prompt abtauchten, um ihrer Verhaftung zu entgehen. Die meisten waren ohnehin nur auf Bewährung auf freiem Fuß.

Erst im Dezember geht der Polizei Marcus W. ins Netz: Die Ermittler verhaften ihn bei seiner Freundin in Rinteln. Am 18. Februar wird Michael S. gefasst, am 23. April, ein Jahr nach der Tat, schließlich auch Sandy O.

Alle drei sitzen derzeit in Haft und verbüßen frühere Reststrafen. Die Staatsanwaltschaft klagt sie wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Bedrohung an. Ein Termin vor der Großen Strafkammer des Landgerichtes steht noch nicht fest. Der Fahrer Alexander O. ist bereits zu drei Wochen Jugendarrest verurteilt worden.

Für den Angeklagten Michael S., der bei der gemeinschaftlichen Tat offenbar eine führende Rolle gespielt hat, wartet das Gericht noch auf ein Gutachten, das Aufschluss über seine Schuldfähigkeit gibt. Dem Vernehmen nach soll sich Sandy O. von der NPD distanziert haben – was die Ermittler allerdings nicht überbewerten wollen.




Anmerkung von www.hiergeblieben.de: Artikel über Marcus Winter.


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