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Vlothoer Anzeiger , 12.01.2006 :

(Vlotho) Würdige Übergabe folgt in feierlicher Form / Eigener Arbeitskreis für Stolpersteine / Mendel-Grundmann-Gesellschaft plant offizielle Einweihung / Demnig vor Ort

Vlotho (BoDo). Seit über 40 Jahren ist die Mendel-Grundmann-Gesellschaft bemüht, die Erinnerung an die Vlothoer Juden wach zu halten. Vor allem an diejenigen, die deportiert und in den KZ-Lagern ermordet wurden oder auf andere Weise durch die Judenverfolgung der Nazis zu Tode gekommen sind.

Von Bodo Kohlmeyer

Daran erinnert jetzt Manfred Kluge vom Vorstand der Gesellschaft und regt einen "Vorbereitungskreis Stolpersteine" an. Damit soll auf neue Formen des Gedenkens aufmerksam gemacht werden. So hat der Kölner Künstler Gunter Demnig vor einigen Jahren begonnen, Erinnerungssteine für Holocaustopfer, aber auch für andere politisch Verfolgte, zu verlegen.

Im Herbst 2004 hatte der Verein Moral und Ethik (M&E) in der Jahreshauptversammlung beschlossen, Gunter Demnig auch für Vlotho zu verpflichten. Nachdem der M&E-Vorsitzende Dieter Ellerbrock auf einen entsprechenden Antrag an den Bauausschuss hin die Genehmigung in der Hand hielt, im heimischen Pflaster solche Stolpersteine verlegen zu lassen, erteilte der kleine Verein dem Kölner Gunter Demnig den Auftrag, in Vlotho tätig zu werden. Zudem hat die Stadt Vlotho mit M&E im vorigen Jahr einen Gestattungsvertrag geschlossen, der Rechtsgrundlagen und Haftungsfragen klärt. Manfred Kluge betont, dass die Mendel-Grundmann-Gesellschaft dieses Projekt unterstütze, da es die eigene Erinnerungsarbeit in sinnvoller Weise ergänze. So wurde von der Gesellschaft schon 1969 am jüdischen Friedhof ein Mahnmal errichtet, auf dem die Namen der Vlothoer Holocaust-Opfer verewigt sind. Am 10. November 1988 wurde der Gedenkstein für die zerstörte Synagoge in der unteren Langen Straße eingeweiht.

Auch in Vlotho sollen nun diese Erinnerungssteine verlegt werden. Dabei gilt der Grundsatz: Für jedes Opfer wird ein Stein mit den jeweiligen Daten verlegt. In Vlotho wären demnach 41 Steine zu verlegen. Die Steine sollen - soweit möglich - in unmittelbarer Nähe des Hauses beziehungsweise der damaligen Wohnung der Opfer gesetzt werden.

Die Steine sind aus Beton gegossen und tragen an der Oberseite eine zehn mal zehn Zentimeter große Messingtafel, auf der der Name und die Schicksalsdaten des Opfers eingestanzt sind. Die Steine werden ebenerdig zwischen die Pflastersteine verlegt, erläutert Kluge. Der Künstler nenne sie Stolpersteine - im übertragenen Sinne: man soll darauf stoßen, sich damit beschäftigen und vielleicht weiter fragen. Die erste Steinverlegung durch Gunter Demnig ist für Freitag, 10. März geplant. Gegen 10 Uhr wird Bürgermeister Bernd Stute an diesem Tag den Künstler offiziell in Vlotho begrüßen, der erst einmal nur an diesem Vormittag in der Stadt tätig sein wird. 41 Steine zu verlegen, kann nur in verschiedenen Abschnitten geschehen, stellt Kluge heraus.

Moral & Ethik sammelt Spenden

Der Vorsitzende der Mendel-Grundmann-Gesellschaft, Helmut Urbschat, ist mit dem Verein Moral und Ethik übereingekommen, dass die Spenden für die Stolpersteine auf das M&E-Vereinskonto (Nr. 250 614 823 bei der Sparkasse Herford BLZ 494 501 20) fließen sollen.

Der Verein habe die Idee nach Vlotho geholt, ist Auftraggeber von Demnig und Vertragspartner der Stadt und an ihn gehen die Rechnungen des Künstlers, betont der M&E-Vorsitzende Dieter Ellerbrock. Steuerlich absetzbare Spendenquittungen stellt M&E aus. Ein Stolperstein kostet 95 Euro.

Helmut Urbschat erklärte in dem Zusammenhang, dass die Mendel-Grundmann-Gesellschaft für den Tag nach der Erstverlegung, Samstag, 11. März, eine Veranstaltung vorbereiten werde, um diese Mahnmale in Vlothos Pflaster entsprechend zu würdigen. Um eine möglichst breite Beteiligung der Öffentlichkeit zu erreichen, lädt die Mendel-Grundmann-Gesellschaft deshalb zu einem "Vorbereitungskreis Stolpersteine" ein.

Termin ist Mittwoch, 18. Januar, um 17 Uhr im Gemeindehaus an der Moltkestraße 2. Im Rahmen des Arbeitskreises sollen Ideen gesammelt und Vorschläge entwickelt werden für eine würdige Übergabe der Steine an die Öffentlichkeit.

Dabei möchte die Gesellschaft vor allem auch Schülerinnen und Schüler der Vlothoer Schulen beteiligen, betont Manfred Kluge. "Wir schätzen den pädagogischen Wert solcher Erinnerungssteine hoch ein, denn jeder Stein führt zu weiteren Fragen: Wer war diese Person? Warum wurde diese Person ein Opfer? Wer sind die Täter? Warum konnte dieses nicht verhindert werden? Über diesen Weg könnten auch - mehr als bisher - Kinder und Jugendliche an das Problem herangeführt werden. Ein Kind, das einen solchen Stein wahrnimmt, wird sicher die Erwachsenen fragen, was der Stein bedeutet. So werden die Erwachsenen zu einer Antwort herausgefordert", erläutert Manfred Kluge.

Die Personen, die zuerst mit einem Stein bedacht werden sollen, werden vom Vorstand der Mendel-Grundmann-Gesellschaft ausgesucht. "Wir denken zum Beispiel auch an Patenschaften für die Erinnerungssteine bestimmter Holocaustopfer, die von Privatpersonen oder Schulklassen übernommen werden könnten."


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