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Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische , 15.07.2003 :

Mit viel Courage gegen Rechts / Bielefelder Jugendliche im Kampf gegen Faschismus

Von Nicola Ruppik

Bielefeld/Hamm. Treffpunkt 8.45 Uhr am Bielefelder Hauptbahnhof. Mit dabei: Sven (17), Frederic (17), Mark (19), Hendrik (20) und Moritz (19, alle Namen geändert). Außerdem noch Rudi Klamann (Landesvorstand der PDS) mit zwei Kollegen aus seiner Partei. Sie alle gehören zum Bielefelder Bündnis "Courage gegen Rechts". Die Jugendlichen wollen ihre Identität nicht preisgeben, aus Angst, in rechtsextremen Kreisen als Gegner bekannt zu werden und körperlicher Gewalt ausgesetzt zu sein. Ihr heutiges Ziel ist es, den Naziaufmarsch in Hamm zu verhindern.

Mit dem Zug geht es auf nach Hamm. Dort angekommen wird erst mal die Lage gecheckt und man trifft schon auf die ersten Mitstreiter, zu erkennen an "Nazis raus" T-Shirt und Ansteckern. Die Gruppe trennt sich. Die eine Hälfte will zum offiziellen Treffpunkt der Antifaschisten, dem Marktplatz in Bockum-Hövel, die andere wählt den härteren Weg: Sven*, Frederic*, Mark*, Hendrik* und Moritz* wollen zum Nazitreffpunkt Bahnhof Bockum-Hövel, um zu verhindern, dass die Nazis ihre menschenverachtenden Parolen unter die Leute bringen. Erfolglos.

Platzverweis von der Polizei, die bestrebt ist, eine Konfrontation zwischen "Nazis" und "Antifas" zu verhindern, um gewalttätigen Ausschreitungen entgegenzuwirken. Also doch als kleine Spontandemo auf zum Marktplatz. Dort haben sich gegen 11.30 Uhr schon ca. 230 "Antifas" versammelt. Die meisten von ihnen sind Jugendliche, einige schwarz gekleidet, andere im Punkstil. Das Wetter ist schön, die Stimmung relaxet. Man sitzt auf dem Boden, redet, lacht, einige sind schon mehrere Stunden vor Ort. Flugblätter werden verteilt. Aus einem Bulli in der Mitte des Platzes dröhnt Musik. Vom Bulli aus werden über Lautsprecher regelmäßig Infos weitergegeben: Wann die Demonstration losgeht, wie viele Nazis schon da sind, wo sie lang gehen, wo man anrufen soll, falls man verhaftet wird usw.

Es gibt auch Redebeiträge zum Thema, u.a vom Friedensnetz. Auch viele Polizisten sind vor Ort, um für einen friedlichen Ablauf der Kundgebung zu sorgen. Die "Antifas" fühlen sich vom Auftreten der Polizei behindert und provoziert, denn diese verzögert den Demostart ihrer Meinung nach unnötig. Ziel der Demonstranten ist es, möglichst nah an die Nazis heranzukommen, um ihnen ihre Ablehnung kundzutun oder sogar ihren Aufmarsch zu stoppen. Das Ziel der Polizei ist es, genau dies zu verhindern, weil so etwas gewalttätige Ausschreitungen zur Folge haben könnte.

"Die Ausübung der Grundrechte auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit hat in unserer demokratischen Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Besonders für junge Menschen ist die Teilnahme an Demonstrationen eine wichtige Erfahrung in der Auseinandersetzung mit politischen Themen. In unserer Demokratie streiten wir mit Worten. Behinderungen oder gar tätliche Auseinandersetzungen mit Andersdenkenden sind nicht erlaubt, denn der Grundrechtsschutz gilt für alle, egal welchem politischen Spektrum sie angehören", sagt der Pressesprecher der Hammer Polizei. Die "Antifas" zeigen sich wenig beeindruckt. Aus dem Lautsprecher brüllt es: "Faschismus ist keine Meinung, Faschismus ist ein Verbrechen"! Zustimmender Jubel.

Der Demostart der "Antifas" ist mit symbolischem Beigeschmack auf fünf vor zwölf angesetzt worden, aufgrund von Verzögerungen durch die Polizei geht es jedoch erst eine halbe Stunde später los.

Die relaxte Stimmung auf dem Marktplatz wird zusehends angespannter, die Menge wird unruhig, erste antifaschistische Parolen (z.B. "Für die Freiheit für das Leben - Nazis von der Straße fegen!") werden laut.

Gegen 12.30 Uhr darf der Demonstrationszug endlich losgehen, nachdem die Route genehmigt worden ist. An der Demospitze kommt es zu kleineren Rangeleien mit den Ordnungshütern, da diese mit Kamera-Fahrzeugen filmen und viele Beamte eng vor der Demo herlaufen und diese damit beeinträchtigen. Mit Flugblättern und Plakaten wie "Nicht weggucken - handeln!", "Gegen rechte Politik hilft nur Widerstand von links" und "Keinen Fußbreit den braunen Rattenfängern!" soll die Bevölkerung dazu motiviert werden, aktiv gegen den Rechtsextremismus einzuschreiten und ihnen nicht kampflos das Feld zu überlassen.

Obwohl immer wieder einige "Antifas" versuchen, von der Route abzuweichen, um zu den Nazis zu gelangen, verläuft die Demo recht friedlich, denn die Polizei fängt die meisten Ausreißer ziemlich rasch wieder ein. Nur kurzzeitig kommt es zu Schlagstock-Einsätzen und Verhaftungen. Einige wenige wurden bei diesen Einsätzen leicht verletzt. Schon nach ca. einer halben Stunde ist die Demo beendet, ohne dass man zu den Nazis vordringen konnte oder ihren Aufmarsch behindern konnte. Richtig zufriedenstellend ist das Ergebnis nicht, finden die Bielefelder Jugendlichen von "Courage gegen Rechts". Aber wenigstens sind sie am heutigen Tage mal wieder aktiv für ihre politische Überzeugung eingetreten, was ihrer Meinung nach viel zu wenig Menschen tun.


lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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