Bielefelder Tageblatt (OH) / Neue Westfälische ,
17.01.2003 :
Kontakthof der Nazis / Postmeister-Wirtin: "Rechtsextreme benehmen sich ordentlich bei mir" / Initiative plant Proteste
Von Ansgar Mönter
Bielefeld. Lange Zeit hatte die rechtsextreme Szene in Bielefeld keinen festen und dauerhaften Treffpunkt. Das ist vorbei, seitdem sich das Lokal "Postmeister" am Kesselbrink für diese Szene geöffnet hat. Seit über einem Jahr ist in dem Lokal dienstags zwischen 21 und 22 Uhr eine Art Happy Hour für Nazis. Es gibt Freibier, was mitunter bis zu 40 Gesinnungsgenossen des rechtsextremen Spektrums aus Bielefeld und Umgebung anlockt. Der Postmeister hat sich so zu einem stadtbekannten Treff für diese Szene entwickelt.
Postmeister-Wirtin Katja Robson ist nach eigener Aussage keine Gesinnungsgenossin dieser Klientel, hat aber auch nichts gegen sie. "Sie sind meine Gäste, halten sich an meine Spielregeln und benehmen sich", sagt sie. Gründe für die Polizeirazzia von Dienstag kann sie deshalb nicht erkennen und spricht von "Hetze" gegen ihre Kneipe.
Die Abteilung Staatsschutz der Polizei jedoch hat gute Gründe, das Treiben am Kesselbrink zu beobachten: "Wir wollen Straftaten aus diesem Umfeld im Vorfeld vermeiden", sagt ein Beamter. Am 5. November 2002 kamen auch die Staatsschützer zu spät. An jenem Abend ist ein Mann von vier vermutlich Rechtsextremen vor der Volksbank am Kesselbrink brutal zusammengeschlagen worden. Laut Zeugenaussage soll dieser Vorfall im Zusammenhang mit dem Treff der Rechtsextremen im Postmeister stehen.
Einer der Täter soll einen Teleskop-Schlagstock dabei gehabt und damit das Opfer malträtiert haben. Der verletzte Mann ist untergetaucht. Er soll etwa 20 Jahre alt sein und kommt vermutlich aus Osteuropa.
Postmeister-Wirtin Robson möchte mit diesem Fall nicht in Verbindung gebracht werden. Dass die Schläger aus ihrem Lokal kamen, glaubt die Wirtin nicht. Es liege zwar nahe, gibt sie zu, dass es eine Verbindung mit diesem Vorfall und der Freibier-Stunde am Dienstag geben könne, aber: "Es gibt keine Beweise dafür und ich habe nichts bemerkt." Bei ihr dürften auch keine Propagandamaterialien kursieren, keine Gesänge angestimmt und keine Waffen mitgebracht werden, sagt Robson.
"Die Nazis spielen gelegentlich mit Türken und Albanern Dart"
Allerdings könne sie nicht alles sehen. Tatsache aber sei, dass die Skinheads und Nazis ordentliche Gäste seien und sogar gelegentlich mit Türken oder Albanern - auch dienstags - im Lokal Dart spielen würden.
Und der vermeintliche Skinhead mit dem Baseballschläger, der am Dienstag vergangener Woche aus dem Postmeister spazierte, sei ein harmloser Gast gewesen, ein "Waver". Den Schläger, so die Wirtin, habe der Kunde vor Besuch ihrer Kneipe gekauft. "Ich habe ihn in der Küche für ihn aufbewahrt."
Die "Antifa-West" widerspricht dieser Darstellung. Die antifaschistische Organisation stuft das Lokal ein als relevanten Kontakthof für Nazis und Umschlagplatz für Devotionalien. "Dort werden Informationen über Konzerte und was so läuft in der Szene ausgetauscht", sagt ein Antifa-Mitglied. Man habe sogar beobachtet, wie ein Bulli mit dem Kennzeichen der Stadt Riesa/Sachsen dort gehalten habe. Es seien Kartons rein- und rausgetragen worden. In Riesa vertreibt der Rechtsradikale Jens Pühse einen Versandhandel mit Nazi-Musik und -ausstattung. Ihm werden enge Kontakte zum Bielefelder Nazi Bernd Stehmann nachgesagt, laut Bielefelder Staatsschutz der "Leitwolf" der rechtsradikalen Szene in Bielefeld und Region mit engen Kontakten zur NPD.
Auch der Staatsschutz geht offensichtlich davon aus, dass die Angaben der Postmeister-Wirtin nicht stimmen müssen: "Die Vergangenheit hat gezeigt, dass sich Angehörige dieser Gruppierung bewaffnen", lautet die Einschätzung. Die Konsequenz der Beamten: "Wir bleiben dran und beobachten weiter."
Zurzeit formiert sich eine Initiative gegen den Nazi-Treff am Kesselbrink, bei dem Kirchen und Gewerkschaften mitmachen sollen. Geplant sind Protest-Aktionen vor dem Lokal Postmeister.
lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de
|