Lippe aktuell ,
10.12.2005 :
Lippe aktuell-Serie / Einsatz im Kosovo / Teil 1 / Zu Besuch bei den Augustdorfer Soldaten im Kosovo: "Es ist ruhig, aber nicht stabil"
Prizren/Kosovo (bo). Es ist ruhig in der 100.000-Einwohner-Stadt Prizren im Süden des Kosovo, während der Muezin in einer nahe gelegenen Moschee zum Gebet ruft. Die Sonne scheint und strahlt auf einen Berg, schneebedeckt und weit entfernt. Trotzdem ist er an diesem Morgen klar zu erkennen. Eine Seltenheit in dieser Stadt, über der normalerweise eine dichte Dunstwolke hängt, in der an jeder Ecke Müll verbrannt wird. Wenige hundert Meter nach dem Ortsschild liegt auf der linken Seite ein eingezäuntes Gelände. Stacheldraht und Überwachungskameras prägen das Bild, dazu ein Schild mit der. Aufschrift "KFOR-Area" und in mehreren Sprachen wird darauf verwiesen, dass der Zutritt streng untersagt ist.
Hinter diesem Zaun sind mehr als 2.000 Soldaten aus 13 Nationen stationiert. Sie sind unter dem Namen KFOR (Kosovo Force) zusammengefasst und sind seit 1999 in dieser serbischen Provinz eingesetzt, um den Frieden zu sichern. Seit September dieses Jahres mit dabei sind rund 800 Soldaten der in Augustdorf stationierten Panzerbrigade 21 "Lipperland". Für vier Monate, noch bis Ende Januar, helfen sie mit bei der militärischen Absicherung und dem Wiederaufbau des Landes nach dem Krieg von 1998 bis 1999.
Etwa zwei Millionen Menschen leben hier, davon sind mehr als 90 Prozent Albaner, die die Unabhängigkeit von Serbien fordern. Ob dieses Ziel erreichbar ist? Darüber sprechen die Soldaten nicht gern. Sie sind nicht hier, um Politik zu machen oder zu bewerten. Das Feldlager Prizren erinnert dabei mehr an eine deutsche Kaserne als der Begriff vermuten lässt. Es gibt Kantinen und Restaurants, Sporthallen und Fitnessräume und einen riesigen Verwaltungsapparat, der es erst ermöglicht, dass vergleichsweise wenige Soldaten vor Ort Präsenz zeigen und in Kontakt mit der Bevölkerung kommen. Dafür sind Tankstellen ebenso erforderlich wie eine KfzWerkstatt. Es wird Munition gebraucht und jede Menge Nachschub - dafür sind viele Mitarbeiter notwendig.
Im Moment "ist es ruhig, aber nicht stabil", beschreibt Oberstleutnant Karsten Jahn die Situation. Was er meint wird deutlich bei einer Patrouillenfahrt in abgelegene Bergregionen. Hier werden die Männer offensichtlich schon erwartet. Überall stehen Männer, Frauen und viele Kinder an der Straße und winken den Soldaten zu. Sie rufen "Mir dita", guten Tag. Das ist die Freundlichkeit der Menschen, die dankbar sind, dass es KFOR gibt. Wenn die Lage "nicht stabil" ist, so ist eine Arbeitslosigkeit von bis zu 70 Prozent gemeint, die kaum eine Perspektive für die Zukunft lässt. Die Menschen ernähren sich durch eigene Landwirtschaft und von Verwandten, die im Ausland, meist in Deutschland, Österreich oder der Schweiz, leben und die Verwandten im Kosovo finanziell unterstützen.
Es gibt ethnische Probleme zwischen Albanern und Serben und organisierte Kriminalität: "Hier wird geschossen, nicht gefragt", weiß Jahn aus eigenen Erfahrungen zu berichten. Das zu verhindern, für Sicherheit auf den Straßen der 100.000-Einwohner-Stadt zu sorgen, ist die Aufgabe auch der Augustdorfer Soldaten. Diese Sicherheit wird hauptsächlich mit Präsenz gewährleistet. Es gibt regelmäßige Patrouillen in der Stadt und im Umland. Dazu Kontrollen von Fahrzeugen und Personen. Viel gefunden haben die Männer und Frauen von KFOR nicht in den vergangenen Monaten. "Das ist ein großer Erfolg", sagt Jahn, Kommandeur des Einsatzbataillons und damit der Männer, die außerhalb des Feldlagers unterwegs sind. "Aber dieser Erfolg muss jeden Tag aufs Neue erreicht werden. Wären wir nur für ein paar Tage weg, würde die Kriminalität sofort wieder die Oberhand gewinnen."
Lippe aktuell-Mitarbeiter Stefan Boscher besuchte die Angehörigen der Lipperland-Brigade. Sie erzählten ihm von ihren Aufgaben, von ihren Erlebnissen mit der Bevölkerung, von dem Lageralltag und ihren Gefühlen in diesem fremden Land, mehr als 1.500 Kilometer von der Heimat entfernt. Diese Geschichten lesen Sie in den kommenden Ausgaben von Lippe aktuell.
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