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Bielefelder Tageblatt (BW) / Neue Westfälische , 10.12.2005 :

(Bielefeld) "Sprache ist alles" / Die Arbeit des Migrationsrats / "Bereitschaft, sich zu öffnen"

Bielefeld (cos). Der Anteil der hier lebenden Menschen fremder Herkunft wächst. Demografen haben berechnet, dass in 35 Jahren 40 Prozent der Bielefelder Migranten sein werden. Angesichts von derzeit 1.500 Bielefelder Kindergartenkindern, die die deutsche Sprache nicht oder schlecht beherrschen, sind Probleme absehbar. "Es ist nach fünf nach zwölf", sagt Christiane Cascante (BfB), seit Jahren in der Migrationspolitik engagierte Kommunalpolitikerin.

Einen der bundesweit ersten Ausländerbeiräte schuf die Stadt Bielefeld 1973. Das Gremium war gedacht für in Bielefeld lebende Ausländer, die dort Meinungen und Bedürfnisse formulieren konnte, allerdings ohne Stimmrecht. Gut 30 Jahre später heißen Ausländer Migranten, und kommunalpolitisch können sie im Bielefelder "Migrationsrat" seit dem vergangenen Jahr mehr bewirken als zuvor, insbesondere Beschlüsse fassen wie ein Ratsausschuss. "Wir sollten das als Chance verstehen", sagen Andreas Rüther (CDU) und Christiane Cascante, und meinen damit nicht nur sich, sondern auch und vor allem hier lebende Menschen mit "Migrationshintergrund".

Uneingeschränkt optimistisch beurteilen Rüther und Cascante die Migrationsarbeit der Zukunft nicht. Einen höheren Stellenwert wünschen sie sich für den Migrationsrat, dessen Existenz und dessen Arbeit öffentlich besser wahrgenommen werden könne. "Viele junge Leute" säßen nun in dem neuen Gremium, und diese brächten die Bereitschaft mit, "sich zu öffnen". Ohnehin hat Rüther bei Begegnungen in Moscheen oder türkischen Vereinen "Gastfreundschaft und rege Diskussionen" erlebt.

Rüther, Cascante und ihre Mitstreiter von den anderen im Migrationsrat vertretenen Parteien hoffen nun, "dass die politisch engagierten Migranten ihre Erfahrungen in Vereinen und Moscheen weitergeben". Denn Rüther stellt auch fest: "Viele Migranten haben Angst vor allem, was mit Behörden zu tun hat." Obwohl Angst vor der eigenen Vertretung nicht angebracht ist. "Wir wollen was erreichen, das ist der Antrieb", sagt Cascante und verweist auf 140 Sprachkurse, die im kommenden Jahr beginnen. "Sprache ist alles."

Der Migrationsrat, legitimiert durch eine "Experimentierklausel" des Landes, hat die Schwerpunkte seiner künftigen Arbeit schriftlich fixiert: Sprachförderung, Elternarbeit in Schulen ("Da kommt oft keiner") und der Vorsatz, Menschen zu sensibilisieren, sich einzubringen. Noch prägt gegenseitiges Kennen lernen die Arbeit des überwiegend mit Türken besetzten Rats. "Verschiedene Strömungen" hat etwa Rüther unter den Türken ausgemacht, kann aber wie seine Kollegen längst nicht definieren, welche Gruppe wofür steht.

10./11.12.2005
lok-red.bielefeld@neue-westfaelische.de

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