Leipziger Volkszeitung ,
10.12.2005 :
(Borna/Vlotho) Nazi-Gedenkstätte: Tiefschlaf und Zufallsprinzip
Borna. In der Diskussion über das weitere Vorgehen zur äußerst umstrittenen Gedenkstätte in Borna beschränken sich die politischen Entscheidungsträger weiter aufs Däumchendrehen. Es verdichtet sich immer mehr, dass in Stadt-, Kreis- und Landesbehörden zu spät auf eindeutige Hinweise reagiert wurde.
Dass Landrätin Petra Köpping (SPD), die seit Mitte November über das Vorhaben in der Röthaer Straße informiert war, auf die mangelnde Transparenz der Arbeit des Verfassungsschutzes gegenüber der kommunalen Ebene schimpft, sind dabei die neuesten Erkenntnisse. Das Landesamt in Dresden ist aber mithin so transparent, dass eine von Köpping geäußerte Behauptung revidiert werden musste. Angeblich hätte die Landrätin - als sie am 15. November vom Landesvorstand der "Vereinigung der Verfolgten des Nazi-Regimes" (VVN) über die braunen Bestrebungen in Borna informiert wurde - bei Polizei, Stadtverwaltung und den Verfassungsschützern Alarm geschlagen. "Stimmt nicht", sagt Alrik Bauer, Sprecher des Landesamtes für Verfassungsschutz in Dresden. Dort habe man erst Ende November von den Plänen des nordrhein-westfälischen Vereins "Gedächtnisstätte" in Borna erfahren. "Der Verein ist bis dahin in Sachsen nicht aktiv geworden und kaum bekannt. Wir stehen mit unseren Ermittlungen am Anfang und arbeiten eng mit dem Innenministerium in Nordrhein-Westfalen zusammen", erklärte Bauer gestern gegenüber dieser Zeitung.
Von Bornas Oberbürgermeister, Bernd Schröter (Wählervereinigung Bürger für Borna) ist derzeit kein Statement zu weiteren Schritten zu erfahren. Er befindet sich seit Donnerstag in einem "schon länger geplanten Urlaub", wie eine Rathausmitarbeiterin ausrichten lässt.
Der Verdacht, dass in den politischen Etagen ernstgemeinte Überlegungen, extremistische Entwicklungen aufzuhalten, bestenfalls per Zufallsprinzip entstehen, verdichtet sich auch in Leipzig. Regierungspräsident Walter Christian Steinbach wurde "am Abend des 6.Dezember über die Nachrichten in Borna informiert. Ich hätte mir von den lokalen Akteuren gewünscht, schneller zu reagieren. Mit jedem verlorenen Tag wird auch die Möglichkeit zur Schadensbegrenzung kleiner", schimpfte Steinbach gestern. Er hat Verfassungsschützer, Bernd Merbitz als Polizei-Chef und die Lokalpolitiker Petra Köpping sowie Bernd Schröter am Freitag zum Gespräch geladen. Am nächsten Freitag. Fast zwei Wochen wird die Thematik dann alt sein. Steinbach: "Ich habe um sofortiges Gespräch gebeten. Den anderen Beteiligten war es nicht möglich einen früheren Termin zu vereinbaren."
Und in Dresden? Die gestrige Fragestunde im Landtag habe ebenfalls keine neuen Erkenntnisse zutage gefördert, berichtete PDS-Abgeordnete Kerstin Köditz enttäuscht. Sie hatte am 1. Dezember gefragt, welche Erkenntnisse die Staatsregierung über den Verein "Gedächtnisstätte" hat und was unternommen wurde, um Stadt und Landkreis zu warnen. "Das Innenministerium habe im Vorfeld nichts gewusst und somit auch nichts getan", so Köditz.
Thomas Lieb/Frank Döring
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