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Neues Deutschland , 09.12.2005 :

Ein Kreuz für deutsche Opfer / Im sächsischen Borna soll ein Neonazi-Treff entstehen

Von Hendrik Lasch

Borna könnte zu einem Pilgerort für Neonazis werden. Auf einer Bergbau-Liegenschaft will ein Verein ein Denkmal für deutsche Kriegsopfer samt Dokumentationszentrum errichten. Die Stadt ignorierte Warnungen.

Der Park im Stil eines germanischen Thing-Platzes ist fast fertig, das zwölf Meter hohe Eisenkreuz ebenfalls, der Bornaer Bauausschuss hat die Genehmigung erteilt. Es gibt also keine Hürden mehr für ein Denkmal, das in der sächsischen Kreisstadt errichtet werden soll und bald als Pilgerort für Neonazis aus der gesamten Bundesrepublik dienen könnte: eine "Gedächtnisstätte für die Opfer des Zweiten Weltkrieges durch Bomben, Verschleppung, Vertreibung und in Gefangenenlagern".

Ihr hat sich der Verein "Gedächtnisstätte" per Satzung schon verschrieben, als er 1992 von Ursula Haverbeck-Wetzel im nordrhein-westfälischen Herford gegründet wurde. Haverbeck-Wetzel, die den Vorsitz seither abgab, ist in der rechtsextremen Szene bekannt. Sie führt gemeinsam mit dem Anwalt Horst Mahler den "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten" und wurde nach Angaben des NRW-Verfassungsschutzes im Juni 2004 wegen Volksverhetzung verurteilt.

Nachdem der Verein bei der Suche nach einem geeigneten Grundstück lange erfolglos war, wird das Denkmal jetzt auf einem Areal errichtet, das der bundeseigene Bergbauverwalter LMBV Anfang 2005 an den Architekten Ludwig Limmer aus Meerbusch bei Düsseldorf versteigerte. Limmer, seit 2004 Mitglied bei "Gedächtnisstätte", richtete private Gesprächskreise aus, in denen etwa Vertreter der Jungen Landsmannschaft Ostpreußen referierten. Diese meldete jahrelang die Neonazi-Aufmärsche anlässlich der Zerstörung Dresdens im Februar 1945 an.

Als Kaufpreis für das Grundstück werden 99.000 Euro genannt. Der immaterielle Wert für die Szene ist unschätzbar. Das Gelände ist von einer Mauer umschlossen und beherbergt Gebäude samt Büros, für die sich dem Vernehmen nach bereits ein Verlag interessiert, der völkische und antisemitische Reprints herstellt. Auch einen Saal, der für Konzerte geeignet sein soll, gibt es. Zudem hätte das Denkmal hohen Symbolwert. Geschichts- und Erinnerungspolitik sind Hauptkampffeld der Szene. Das belegen NPD-Reden im sächsischen Landtag, in denen die Luftangriffe auf Dresden als "Bombenholocaust" bezeichnet werden.

Die Verantwortlichen in Borna haben offenkundig geschlafen und ließen sich von Limmers Vorhaben in die Irre führen, ein Begegnungszentrum für Russlanddeutsche zu schaffen. Zur Eröffnung am 29. Oktober erklärte Oberbürgermeister Bernd Schröder (Wähler für Borna), es sei "etwas im Entstehen, das Borna nur gut tun kann". Die Stadt wurde auch nicht stutzig, als Limmer auf die stolze Summe von 250.000 Euro verwies, die auswärtige Spender in das Denkmal investieren wollten. "Man ist hier froh, wenn überhaupt jemand kommt", sagt PDS-Stadträtin Simone Luedtke, die jetzt mehrere Anfragen an Schröder gerichtet hat.

Schröder hatte zunächst nicht nur politisches Kapital aus der Ansiedlung geschlagen: Seine Metallbaufirma hat auch das Eisenkreuz gefertigt, das nach Veröffentlichungen in der "Leipziger Volkszeitung" inzwischen vom Firmenhof verschwunden ist. Warnungen soll er in den Wind geschlagen haben. Landrätin Petra Köpping (SPD), die sich entsetzt von dem Projekt zeigt, hatte die Bürgermeister mehrfach auf entsprechende Bestrebungen Rechtsextremer hingewiesen. Kerstin Köditz, Landtagsabgeordnete der Linkspartei, wirft auch dem Land Versagen vor. Das Innenministerium hatte ihr gegenüber kürzlich erklärt, bei Kaufbestrebungen Rechtsextremer würden "die betroffenen Kommunen in geeigneter Weise über den Sachverhalt" informiert. Das sei in Borna offenkundig nicht geschehen.


politik@nd-online.de

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