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Lippische Landes-Zeitung , 22.01.2002 :

Provinzialismus / "Der Henkel ist ab", LZ vom 11. Januar

Sich in einer Zeit wiedererstarkenden Rechtsextremismus und eines allseits eingeforderten "Aufstands der Anständigen" für den Verbleib nationalsozialistisch-verlogener Embleme, noch dazu im öffentlichen Raum, stark zu machen, ist schon ein starkes Stück.

Geradezu perfide hingegen ist es, einen integren und geachteten Bürgermeister in eine Reihe mit Bücher verbrennenden Nazi-Verbrechern zu stellen. Ein weiteres Symptom eines sehr bedenklichen Umgangs gewisser politischer Kreise bezüglich der Aufarbeitung einer zutiefst verbrecherischen Vergangenheit, die heute wieder ihre langen Schatten wirft.

Man fühlt sich an Zeiten erinnert, als ein Herr Filbinger unbelehrbar konstatierte: "Was damals Rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein", und als ein Franz Josef Strauss kritische Intellektuelle als "Ratten und Schmeißfliegen" bezeichnete. Wie stark gerade die CDU/CSU in den 50er Jahren mit ehemaligen braunen Parteigenossen (Globke, Hallstein, Kiesinger usw.) durchsetzt war, ist lange genug ignoriert und verdrängt worden. Dass heute wieder christdemokratische Politiker von deutscher Leitkultur schwadronieren, Frau Merkel den Deutschen, "ein gestörtes Verhältnis zur Nattion" (wie auch anders, nach den begangenen Verbrechen) attestieren zu müssen glaubt und ein Herr Koch aus Hessen den bedrohlichen neuen Rechtsradikalismus als eine Erfindung der Medien abtun möchte, sollte nicht mehr länger hingenommen werden.

Was Knoerichs und seiner Fraktion "Kunstverständnis" anbelangt, zeugt es von einem miefigen Provinzialismus, der offenbar Schwierigkeiten hat, Kunst von braunem Kitsch zu trennen. Die Haltung gewisser "kulturkonservativer Kreise" bezüglich zeitgenössischer Kunst ist hinreichend bekannt. "Ungeheuerlich", Herr Knoerich, finde ich Ihre Entgleisung im Schul- und Kulturausschuss: "Gott schütze unsere Kinder vor solchem Kulturbanausentum." Es steht zu hoffen, dass derartig unverfrorene Demagogie auf entschiedenen Widerspruch stößt, ganz abgesehen davon, dass Horn-Bad Meinberg momentan wahrlich andere Probleme hat.

Karl Rotermund
Jägerwinkel 4
Horn-Bad Meinberg

22./23.01.2002
Detmold@lz-online.de

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