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Paderborner Kreiszeitung / Neue Westfälische , 06.12.2005 :

(Paderborn) Menschenrechte waren ihr Ziel / Ein Abend über jüdische Autoren in Russland

Paderborn (NW). Eine Veranstaltung der Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit und der jüdischen Gemeinde beschäftigte sich im Rahmen der russischen Kulturwochen mit vier jüdischen Autoren Russlands aus der ersten Hälfte des 20 Jahrhunderts.

Sieben Schülerinnen des Michaelsgymnasiums, alle Aussiedlerinnen, hatten sich im Unterricht intensiv mit den Autoren Isaac Babel, Ossip Mandelstam, Boris Pasternak und Ilja Ehrenburg beschäftigt und trugen die Ergebnisse ihrer Arbeit in Deutsch und in Russisch vor. Ins Deutsche übersetzte biographische Texte las der Schauspieler Sonnleithner von den Kammerspielen vor.

Das Leben der Autoren war geprägt durch Benachteiligungen und Schicksalsschläge der Autoren in der Zarenzeit: z.B. wurden zum Gymnasium nur wenige Juden zugelassen, Juristenberufe waren ihnen verboten, Bei einem Pogrom in Odessa 1905 erlebte Isaak Babel den Tod seines Großvaters.

Alle Autoren stammten aus bildungswilligen Familien, die ihren Kindern trotz aller Widerstände eine gute Ausbildung ermöglichten, Auslandsaufenthalte von Pasternak, Ehrenburg und Mandelstam in Deutschland und langjähriger Aufenthalt von Ehrenburg in Frankreich machten die Autoren zu Weltbürgern, sie erweiterten ihren Horizont über das russische Leben hinaus, sie nahmen teil am intellektuellen Leben Europas. Die Revolution 1917 ließ sie hoffen, die Zeit der Benachteiligung der Juden in Russland sei vorbei. Aber schon nach einigen Jahren Stalinherrschaft sahen sich die Autoren wieder starker Verfolgung ausgesetzt, die für Babel und Mandelstam mit Hinrichtung bzw. Selbstmord endete. Während sich Pasternak durch Übersetzen am Leben hielt und nach dem Krieg erst wieder dichtete, passte sich Ehrenburg den Forderungen Stalins an und wurde sein Chefpropagandist gegen die Deutschen. Aber selbst dieser Autor geriet in Gefahr liquidiert zu werden, einzig Stalins Tod rettete ihn.

Die Diskussionen der zahlreich erschienenen Teilnehmer befassten sich mit der Frage nach der Identität der Autoren; waren sie Juden, Russen, Kommunisten, Weltbürger? Alle strebten nach Gerechtigkeit, Menschenrechten und Freiheit in Zeiten des Terrors und der Verfolgung war das Fazit, das eine Teilnehmerin formulierte.

Diese Veranstaltung diente auch dem Erfahrungsaustausch eingewanderter Mitbürger aus den Staaten der ehemaligen Sowjetunion mit hier geborenen Mitbürgern. In weiteren Veranstaltungen soll das Thema vertieft werden.


lok-red.paderborn@neue-westfaelische.de

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