www.hiergeblieben.de

Bad Oeynhausener Kurier / Neue Westfälische , 06.12.2005 :

Mit Maschinengewehr Krieg gespielt / Anklage gegen Bad Oeynhausener Rechtsradikale

Bad Oeynhausen/Bielefeld (apü). Wegen Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Waffengesetz werden sich Peter Schulz (32) und Christian G. (20) aus Bad Oeynhausen vor Gericht verantworten müssen.

Den mutmaßlichen Rechtsradikalen wird vorgeworfen, nicht ausreichend demilitarisierte Kriegswaffen nach Deutschland eingeführt zu haben, darunter ein Maschinengewehr MG-42 (die NW berichtete mehrfach). Die Staatsanwaltschaft Bielefeld hat jetzt Anklage erhoben. Weil G. zur Tatzeit noch keine 21 Jahre alt war, wird vor dem Jugendschöffengericht Herford verhandelt.

Bei einer Razzia im November vergangenen Jahres waren in den Wohnungen der beiden Verdächtigen neben dem Maschinengewehr unter anderem ein Sturmgewehr vom Typ AK-47 ("Kalaschnikow"), eine Maschinenpistole MP-40, eine Maschinenpistole PPSh ("Schpagin"), ein Maschinengewehrlauf, insgesamt 655 Schuss Kartuschenmunition und ein Arsenal von Uniformen sichergestellt worden. Die Waffen waren nach Angaben der Staatsanwaltschaft so verändert worden, dass mit ihnen keine scharfe Munition verschossen werden konnte. Maßgebliche Waffenteile wie die Verschlüsse seien aber intakt – und ihre Einfuhr damit illegal – gewesen. Peter Schulz wird außerdem vorgeworfen, einem Kumpel eine verbotene Schusswaffe in Form eines Kugelschreibers besorgt zu haben.

In Tschechien Weltkriegs-Gefecht nachgestellt

Der Büroangestellte Peter Schulz hatte als Gründer des "Europäischen Darstellungsvereins für lebendige Geschichte" (EDLG) Waffen- und Kriegsnarren mit zum Teil rechtsextremistischer Gesinnung um sich geschart.

Der arbeitslose Christian G. war nach polizeilichen Ermittlungen der Waffenwart der Gruppe. Beide Männer, so die Staatsanwaltschaft, sind einschlägig vorbestraft und geständig.

Ausgelöst hatte die Ermittlungen das Bundesamt für den Verfassungsschutz. Die Beamten hatten ein Videoband ausgewertet, das EDLG-Mitglieder im Oktober 2004 bei einem Treffen in der Tschechischen Republik zeigt. Die Männer stellten ein Weltkriegs-Gefecht nach – in Uniformen der "Leibstandarte Adolf Hitler" und mit einem MG-42 im Dauerfeuer-Betrieb.




Anmerkung von www.hiergeblieben.de:

Peter Schulz ist in Ostwestfalen nicht unbekannt. 1992 war er stellvertretender Kreisvorsitzender der "Republikaner" in Herford. Im gleichen Jahr wurden in seiner Wohnung Waffen, Munition sowie neonazistisches Propagandamaterial der NSDAP/AO und der "Nationalistischen Front" gefunden. 1992 gründete er auch die Wehrsportgruppe "Heimatschutzkorps Ostwestfalen", die sich im internen Sprachgebrauch "Leibstandarte Adolf Hitler" nannte. Die Organisation war Bestandteil eines bundesweiten Netzwerkes ähnlicher Gruppen, die alle von der NSDAP/AO aus den USA angeleitet wurden. Anweisungen gab es über die Art der zu absolvierenden Übungen, Uniformierung und Ausrüstung. Alle Gruppen, so eine der Direktiven, sollten etwa einheitliche halbautomatische Waffen tragen, um die Kampfkraft zu erhöhen. Ziel war die "Heranbildung eines geeigneten Werwolfkaders". Mehrere Hausdurchsuchungen und umfangreiche Waffenfunde bei den mindestens 13 Mitgliedern aus der Region setzten der Truppe 1995 ein vorläufiges Ende.

Peter Schulz war nicht nur Chef der Wehrsportgruppe, sondern unter dem Decknamen "Fraga" auch V-Mann des Verfassungsschutzes. Wenn seine Angaben stimmen und er 1990 von dem Geheimdienst angeworben wurde, hatte er die Truppe sogar in dieser Funktion aufgebaut. Das Gerichtsverfahren ging für die waffentragenden Neonazis ausgesprochen glimpflich aus. War zuerst sogar vom Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung die Rede gewesen, kamen 1999 nur zwei der dreizehn bekannten Mitglieder überhaupt vor Gericht und erhielten Geldstrafen von 150 und 180 Tagessätzen.

Kein Wunder also, dass Schulz und seine Wehrsportgruppe nun erneut in Erscheinung getreten ist. Auch die Tarnung als militärischer Traditionsverein ist keinesfalls neu. Bereits im September 1997 sorgte das Treffen eines angeblichen "British Traditional Clubs" für Aufregung. Der Club hatte mit den Briten überhaupt nichts zu tun. Der Vorsitzende war ein zu diesem Zeitpunkt 31-jähriger Bielefelder, der bereits durch Wehrsportübungen und neonazistische Aktivitäten und Verstöße gegen das Waffen und das Kriegswaffenkontrollgesetz aufgefallen war. Auf einem Gelände mitten in Sieker hatte er mit rund 23 Personen ein Lager errichtet und war mit einem Jeep herumgefahren, auf dem eine Maschinengewehrattrappe montiert war.


lok-red.oeynhausen@neue-westfaelische.de

zurück