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Westfalen-Blatt , 06.12.2005 :

(Bad Oeynhausen) Schlachten nachgespielt / Anklagen: Verstoß gegen Kriegswaffenkontrollgesetz

Ausgerechnet ein Treffen von Vereinen, die Schlachten originalgetreu nachspielen, führte zu den Ermittlungen: Die Bad Oeynhausener Peter Schulz und Christian G. stellten mit ihrem Club "Europäischer Darstellungsverein für lebendige Geschichte" bei Brünn in Tschechien Anfang Oktober 2004 die Leibstandarte von Adolf Hitler nach und ließen sich bei den Präsentationen filmen.

Dieser Streifen wurde später vom Bundesamt für Verfassungsschutz ausgewertet. Dabei fiel den Beamten die Bewaffnung der beiden Männer auf. Nach einer Hausdurchsuchung wurden bei dem 32-jährigen Peter Schulz und bei Christian G. (21) folgende Waffen entdeckt: Ein Maschinengewehr des Typs MG 42, das G. am 8. Mai 2004 in Tschechien gekauft und in die Bundesrepublik eingeführt haben soll. Nach Ansicht von Staatsanwalt Sven Lausten ist die Waffe nicht hinreichend unbrauchbar gemacht worden, da die Verschlüsse noch funktionierten.

Gefunden wurde zudem ein Sturmgewehr des Typs Kalschnikow AK 47 und dazu 51 Schuss Kartuschenmunition; ein Wechsellauf für das MG 42; eine Maschinenpistole des Typs PP SH (mit dem die Rote Armee ausgerüstet worden war) und dazu 404 Schuss Kartuschenmunition. Letztlich wurde auch ein Schießkugelschreiber gefunden, den Schulz für einen Gesinnungsgenossen besorgt haben soll.

Der "Europäische Darstellungsverein für lebendige Geschichte" war 1995 in Bad Oeynhausen gegründet worden. Schulz soll dafür als Vorsitzender fungiert haben, der arbeitslose G. soll der "Waffenwart" der nicht eingetragenen Vereinigung gewesen sein.




Anmerkung von www.hiergeblieben.de:

Peter Schulz ist in Ostwestfalen nicht unbekannt. 1992 war er stellvertretender Kreisvorsitzender der "Republikaner" in Herford. Im gleichen Jahr wurden in seiner Wohnung Waffen, Munition sowie neonazistisches Propagandamaterial der NSDAP/AO und der "Nationalistischen Front" gefunden. 1992 gründete er auch die Wehrsportgruppe "Heimatschutzkorps Ostwestfalen", die sich im internen Sprachgebrauch "Leibstandarte Adolf Hitler" nannte. Die Organisation war Bestandteil eines bundesweiten Netzwerkes ähnlicher Gruppen, die alle von der NSDAP/AO aus den USA angeleitet wurden. Anweisungen gab es über die Art der zu absolvierenden Übungen, Uniformierung und Ausrüstung. Alle Gruppen, so eine der Direktiven, sollten etwa einheitliche halbautomatische Waffen tragen, um die Kampfkraft zu erhöhen. Ziel war die "Heranbildung eines geeigneten Werwolfkaders". Mehrere Hausdurchsuchungen und umfangreiche Waffenfunde bei den mindestens 13 Mitgliedern aus der Region setzten der Truppe 1995 ein vorläufiges Ende.

Peter Schulz war nicht nur Chef der Wehrsportgruppe, sondern unter dem Decknamen "Fraga" auch V-Mann des Verfassungsschutzes. Wenn seine Angaben stimmen und er 1990 von dem Geheimdienst angeworben wurde, hatte er die Truppe sogar in dieser Funktion aufgebaut. Das Gerichtsverfahren ging für die waffentragenden Neonazis ausgesprochen glimpflich aus. War zuerst sogar vom Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung die Rede gewesen, kamen 1999 nur zwei der dreizehn bekannten Mitglieder überhaupt vor Gericht und erhielten Geldstrafen von 150 und 180 Tagessätzen.

Kein Wunder also, dass Schulz und seine Wehrsportgruppe nun erneut in Erscheinung getreten ist. Auch die Tarnung als militärischer Traditionsverein ist keinesfalls neu. Bereits im September 1997 sorgte das Treffen eines angeblichen "British Traditional Clubs" für Aufregung. Der Club hatte mit den Briten überhaupt nichts zu tun. Der Vorsitzende war ein zu diesem Zeitpunkt 31-jähriger Bielefelder, der bereits durch Wehrsportübungen und neonazistische Aktivitäten und Verstöße gegen das Waffen und das Kriegswaffenkontrollgesetz aufgefallen war. Auf einem Gelände mitten in Sieker hatte er mit rund 23 Personen ein Lager errichtet und war mit einem Jeep herumgefahren, auf dem eine Maschinengewehrattrappe montiert war.


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