Vlothoer Anzeiger ,
01.12.2005 :
Flugblätter aus dem Untergrund werden zum Verhängnis / Vlothoer Autoren Annegret Rögge und Manfred Kluge stellen ihre Forschungsergebnisse und Jahrbuch-Aufsätze vor
Vlotho (G.S.). Um die Dokumentation von Heimatgeschichte bemühten sich bereits zu zahlreichen Anlässen Annegret Rögge und Manfred Kluge. Diesmal bereicherten sie mit ihren Nachforschungen das 256 Seiten starke "Historische Jahrbuch des Kreises Herford" (Band 13, 2006).
Von Gisela Schwarze
Im "Bonneberger Hof" stellten die beiden Autoren ihre Jahrbuch-Beiträge vor. Der Kreisheimatpfleger Eckhard Möller moderierte die sehr gut besuchte Veranstaltung.
Manfred Kluge erforschte in sorgfältiger Kleinarbeit die Aktivitäten von Kommunisten in der Weserstadt. "Kommunistischer Widerstand in Vlotho. Zur Untergrundtätigkeit der KPD in den Jahren 1933 bis 1936" überschrieb der Historiker seine Arbeit.
Weitgehend unbeachtet blieb bisher die kommunistische Parteitätigkeit gegen das Hitlerregime in der Weserstadt. Dennoch gebührt dem Handeln Beachtung, denn laut Bundestag ist jeder Widerstand gegen die nationalsozialistische Gewaltherrschaft ein "Verdienst um das Wohl des deutschen Volkes und Staates". Wie stark die kommunistische Bewegung in Vlotho war, belegt eine Tabelle im Jahrbuch, in der die Stimmenanzahlen für die KPD in Vlotho (Stadt) und im Reich gegenüberstehen. Bei der Reichstagswahl am 5. März 1933 wählten 701 Vlothoer die Kommunistische Partei.
Für die Stadt waren das 20,2 Prozent, im Reich bekam die KPD 12,3 Prozent. (Vergleichszahlen zur Reichstagswahl vom 6. November 1932: Die KPD erhielt 24,3 Prozent der Stimmen mit 789 Vlothoer Wählern, Reichsdurchschnitt 16,9 Prozent). Bei der Wahl 1933 war in Vlotho der eindeutige Sieger die NSDAP mit 1.566 Stimmen und 45,2 Prozent. (SPD 759 Stimmen). Am 24. März 1933 ordnete der damalige Bürgermeister die Zerschlagung der örtlichen KPD an.
15 Vlothoer verhaftet
Illegal setzten die Kommunisten ihre Tätigkeit fort. Im Untergrund fertigten sie unter anderem Flugblätter, die ihnen zum Verhängnis wurden. 15 Vlothoer wurden verhaftet und wegen Hochverrats zu Zuchthaus- und Gefängnisstrafen verurteilt, zwei von ihnen erhielten fünf Jahre Zuchthaus, die geringsten Strafen lagen bei zwei Jahren Zuchthaus sowie einem Jahr und zehn Monaten Gefängnis.
Mit den Notschuljahren in Vlotho und Umgebung hatte sich Annegret Rögge für die
Publikation auseinander gesetzt. Sie beschrieb die Situation hungernder Schüler, unzureichender Unterrichtsmaterialien und fehlender Lehrer.
52 Schüleraufsätze mit Lebensläufen Winterberger Schüler aus den anfänglichen 50er- Jahren schilderten aus Sicht der Kinder die Kriegserlebnisse, teilweise mit herzzerreißenden Beschreibungen von Flucht, Vertreibung und Bombennächten. Die Exteraner Volksschule nahe der Autobahn geriet beim Einmarsch der Amerikaner unter Beschuss. Die Flak-Stellung auf der zwei Kilometer weit entfernten Steinegge leistete Widerstand, sodass es zu Kampfhandlungen kam. Von der Autobahn aus wurde die Schule mit unter Beschuss genommen. Einige Granattreffer rissen Löcher in Decken und Wände.
Die benachbarte Schule in Schwarzenmoor kam glimpflicher davon. Dort wurde lediglich von englischen Besatzungssoldaten das Filmgerät gestohlen. In allen Schulen war Heizmaterial Mangelware und so fiel eine Menge Unterricht wegen eisiger Klassenräume aus. Frieren und Hungern waren an der Tagesordnung. Ein Dokument aus der Bürgerschule Vlotho ergab, dass dort ab März 1947 vom englischen Roten Kreuz die Bereitstellung von Lebensmitteln für Schulspeisungen zugesichert wurde.
Durch die Schulspeisungen konnten die Folgen der Lebensmittelknappheit gemildert werden, der gesundheitliche Zustand der Schüler blieb dennoch allgemein labil. "In den Schulen saßen von den Kriegserlebnissen traumatisierte Kinder größtenteils mit leeren Mägen, mangelhaft bekleidet, häufig ohne Schulbücher, notdürftig unterwiesen von Lehrern, die ohne Unterrichtsmaterialien oder Lehrplan Verantwortung in überfüllten Klassen zu tragen hatten", lässt die Autorin Annegret Rögge ihren Bericht ausklingen.
Das aufschlussreiche Historische Jahrbuch mit zahlreichen weiteren heimatgeschichtlichen Ereignissen und Fakten aus dem Kreisgebiet erschien im Bielefelder Verlag für Regionalgeschichte. Es ist ab sofort in den Buchhandlungen erhältlich.
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