Bielefelder Tageblatt (MO) / Neue Westfälische ,
01.12.2005 :
(Bielefeld) Warten auf eine neue Perspektive / Immaculee Uwisa hat sich und ihre Kinder aus Ruanda gerettet
Von Sabine Ohnesorge
Bielefeld. Eines Tages kam ihr der Mann nicht von der Arbeit zurück. Er war Unterleutnant in Butare in Ruanda und gehörte zu der Minderheit der Tutsi. Kurze Zeit später stand die junge Immaculee Uwisa vor dem Sechs-Sterne-Restaurant, in dem sie beschäftigt war, und alles war verschlossen. Als sie tagelang bei der Dienststelle ihres Mannes nachfragte, drohten die Soldaten, sie umzubringen. Da bekam sie es mit der Angst. Sie versteckte sich und flüchtete schließlich mit ihren beiden Kindern über Tansania und Sambia nach Deutschland. Ende 2001 kam sie in Borgholzhausen an, wo sie bis heute in einem Asylbewerberheim lebt.
Sie erinnert sich ungern an die Zeit in Ruanda. Eine ihrer Schwestern und zwei Brüder wurden während des Völkermords umgebracht. Offen und sachlich erzählt sie, doch unvermittelt schießen der zierlichen 32-Jährigen Tränen in die Augen.
Der Völkermord in Ruanda an der Bevölkerungsminderheit der Tutsi und auch an gemäßigten Hutu begann 1994. Mindestens drei Viertel der in Ruanda ansässigen Tutsi starben. Viele Verwandte von Immaculee Uwisa bekleideten schon damals politische Ämter, die Familie lebt in ständiger Gefahr.
Ihr Asylantrag in Deutschland wurde bisher abgelehnt, inzwischen klagt sie vor Gericht gegen den Beschluss. "Ich verstehe das nicht", sagt Uwisa. "Meine Schwester wohnt schon seit einiger Zeit in Deutschland, sie hat problemlos Asyl bekommen." Unterstützt wird Immaculee Uwisa vom Evangelischen Gemeindedienst in Bielefeld. Für die Fahrtkosten zu den Beratungsgesprächen muss sie selbst aufkommen. Die Zahlungen, die sie nach dem Asylbewerberleistungsgesetz bekommt, liegen deutlich unter den Sozialhilfeleistungen, Beihilfen gibt es nicht. Uwisa teilt sich mit ihren sieben und acht Jahre alten Söhnen ein Zimmer im Asylbewerberheim. Seit Jahren hat die kleine Familie keine Perspektive und lebt in ständiger Unsicherheit. Dennoch hat die junge Frau nie aufgegeben, schon allein der Kinder wegen. Beide besuchen mit Freude die Grundschule in Borgholzhausen. "Natürlich können sie perfekt Deutsch", sagt die Mutter und lächelt zum ersten Mal.
"Sie fühlen sich sehr wohl hier, haben viele Freunde. Die Eltern laden mich oft zum Kaffee ein, oder wir kochen gemeinsam", erzählt sie. Seit die Schule jedoch auf Ganztagsbetrieb umgestellt hat, werden pro Woche 90 Euro Kostgeld für beide Kinder fällig. Das übersteigt bei Weitem die finanziellen Möglichkeiten der besorgten Mutter. Ein Antrag auf Unterstützung wurde abgelehnt. Uwisa spricht fließend Französisch. Um Deutsch zu lernen, hat sie drei Monate lang einen Sprachkursus an der Volkshochschule in Werther gemacht. "Ich habe alles selbst bezahlt, einschließlich der Fahrtkosten", sagt sie.
Sogar eine Stelle hatte sie gefunden, in einem Restaurant. Da sie aber nur geduldet ist, prüft die Ausländerbehörde, ob die Stelle an einen Deutschen oder EU-Bürger vergeben werden kann – das hat Vorrang. Damit hat sie so gut wie keine Chance, überhaupt Arbeit zu finden. Wenn sie könnte, würde sie einen weiteren Sprachkursus und dann eine Ausbildung zur Altenpflegerin machen.
"Meine Schwester arbeitet in Essen als Altenpflegerin und ist sehr glücklich in dem Beruf", erzählt sie und wünscht sich, sie könnte auch ihre Zukunft selbst in die Hand nehmen. Bis dahin aber gilt es, täglich für sich und die Kinder ein kleines Stück weiterzukommen.
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