Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische ,
01.12.2005 :
(Rietberg) Retter in der Nacht / Jakob Özdemir befreit schwer verletzten 17-Jährigen aus brennendem Imbiss
Von Carsten Biermann
Rietberg. Durch einen lauten Knall wird die Familie Özdemir um 4.50 Uhr jäh aus dem Schlaf gerissen. Ein beißender Geruch lässt sie schnell ahnen: Etwas Schreckliches muss passiert sein. Erst glaubt Jakob Özdemir, bei seinem Mieter im Obergeschoss brennt es. Dann hört er von unten laute "Helft mir"-Schreie. Durch das Küchenfenster der Imbissbude "Roni’s Grill" sieht er einen jungen Mann, dessen Kleidung in Flammen steht.
"Er versuchte panisch, das Fenster zu öffnen", erinnert sich der 43-Jährige. Schnell identifiziert er das Opfer als Bruder des Pächters. Mit einem Hammer öffnet Jakob Özdemir das Fenster auf der Rückseite des Gebäudes, befreit den 17-Jährigen aus den Flammen. Bis Feuerwehr und Notarzt eintreffen, löscht seine Frau den Jungen mit Wasser. "Da sind noch zwei drin", habe er panisch gerufen. Währenddessen beobachten andere Hausbewohner, wie zwei Personen sich vom Tatort entfernten.
Der Notarztwagen bringt das Opfer mit schweren Verbrennungen in eine Spezialklinik nach Dortmund, sein Zustand war gestern Abend noch kritisch. Von den sieben Personen, die im Haus wohnen, wird niemand verletzt. Die alarmierten Löschzüge aus Rietberg und Neuenkirchen bringen das Feuer schnell unter Kontrolle. Weitere Rettungswagen aus Rheda-Wiedenbrück und Verl werden gerufen, sie brauchen nicht mehr eingreifen.
Was sonst am frühen Mittwochmorgen in dem zweistöckigen Klinkerbau an der Kreuzung Stennerlandstraße/Bahnhofstraße genau passierte, war bis gestern Abend unklar. Experten der Polizei suchten den ganzen Tag nach Spuren. Da Brandbeschleuniger gefunden wurden, geht sie von Brandstiftung aus. Zu einem mit Filzstift an die Wand gemalten Schriftzug, der sich als "Ferpieß Dich" lesen lässt, wollte sich Polizei-Pressesprecher Karl-Heinz Stehrenberg nicht äußern: "Wir ermitteln in alle Richtungen." Die Gütersloher Beamten, die den Fall zunächst behandelten, schalteten die Bielefelder Mordkommission und Staatsanwaltschaft ein. Auch der Staatsschutz wurde informiert. Die Schadenshöhe wurde auf mehre zehntausend Euro geschätzt.
Jakob Özdemir besuchte gestern mit dem Pächter, der in Marienfeld wohnt, das Brandopfer im Krankenhaus. Beide Familien sind aramäischer Herkunft. "Ich kannte sie ganz gut", sagt Jakob Özdemir: "Das war ein Familienbetrieb, in dem der eine dem anderen geholfen hat." Erst im Mai war der Imbiss in das Erdgeschoss eingezogen, früher hatte der Hausbesitzer dort einmal einen Lebensmittelladen. Direkt daneben befindet sich ein DVD-Verleih, der von dem Brand verschont blieb.
Jakob Özdemir, seiner Frau und seinen vier Kindern steckte der Schock gestern Nachmittag noch in den Knochen. "Was hätte alles passieren können, wenn ich nicht rechtzeitig wach geworden wäre", dachte er ständig an die Schrecksekunde in der Nacht. Nun hofft er sehnlichst, dass der 17-Jährige das Unglück überlebt. Was der Junge mitten in der Nacht in dem Imbiss zu suchen hatte, kann er sich auch nicht erklären.
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