Die Glocke ,
30.11.2005 :
Bewährungsstrafe für ehemaliges Oelder Ehepaar / Nur kleine Rädchen im Schleuser-Geschäft
Von Anke Rautenstrauch
Oelde/Beckum (gl). Ihnen sei mit dem Richterspruch ein staatlicher Gnadenakt gewährt worden. Richterin Regina Helmke fand deutliche Worte für einen Unternehmer (60) aus Oelde und seiner geschiedenen Ehefrau (58), die gestern vom Amtsgericht Beckum wegen gewerbs- und bandenmäßigen Einschleusens von Ausländern zu zwei Jahren Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt wurden.
"Sie beiden waren nur kleine Rädchen im großen Schleuser-Geschäft", lautete die Einschätzung der Richterin. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die ehemaligen Eheleute in der Zeit von September 2000 bis Februar 2001 über das so genannte Reisebüro-Verfahren mehr als 1.000 Ukrainer in insgesamt 27 Fällen illegal nach Deutschland gebracht haben. Als Inhaber von zwei Scheinfirmen - der Mann gründete ein Reisebüro in Oelde, seine Ex-Frau eines in Rheda-Wiedenbrück - stellten sie fingierte Reiseeinladungen aus, anhand derer Mittelsmänner einer angeblichen Kooperationsfirma in der Ukraine Visa in der deutschen Botschaft in Kiew ausgestellt bekamen. Dabei haben sie, so die Richterin, auch die deutschen Behörden getäuscht. Sie machten gegenüber der Ausländerbehörde des Kreises Warendorf und Gütersloh falsche Angaben zur finanziellen Situation ihrer Reisebüros, um vorzutäuschen, etwaigen Verpflichtungen gegenüber der eingeladenen Ukrainer nachkommen zu können. Doch statt eines vorgetäuschten Kurzurlaubs nutzten die angeblichen Touristen aus der Ukraine die Reise aber dafür, um sich illegal in Deutschland abzusetzen.
Diese illegalen Einschleusungen entsprechen einem Muster, das Tausende im Jahr 2000 nutzten, und das erst im Rahmen der so genannten Visa-Affäre bekannt wurde. Für die Drahtzieher und die Inhaber der Schein-Reisebüros erwiesen sich die Einschleusungen als ein lukratives Geschäft, wisse man aus vorangegangenen Verhandlungen, so die Richterin. Während des Tatzeitraums sollen die 58-jährige Oelderin 5.500 Euro und ihr Ex-Mann 2.250 Euro kassiert haben. Der Oelder Unternehmer und seine Ex-Frau gaben vor Gericht zunächst an, nichts von dem kriminellen Hintergrund der Schleusungen gewusst zu haben. Ein Bekannter aus Oelde habe sie überredet, die Reisebüros zu gründen, da das Interesse von Ukrainern an einem Kurzurlaub in Deutschland sehr groß sei, die Bearbeitung der Reisen aber kontingentiert werde.
Die Richterin bezweifelte die Unwissenheit des ehemaligen Paares: "Sie haben doch nicht wirklich geglaubt, dass es in der Ukraine so viele Menschen gibt, die sich einen Urlaub in Deutschland leisten können." Sie verwies auch auf angebliche Touristikprogramme, die in den Reisebüros der Angeklagten ausgestellt wurden, wonach für die Urlauber Tageswanderungen mit einer Länge von über 500 Kilometer im bayerischen Wald geplant seien. Die Angeklagten beteuerten ihre Unschuld. Die Frau sei sogar davon ausgegangen, dass alle Ukrainer nach ihrem Urlaub wieder in ihre Heimat fahren würden.
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