Neue Westfälische ,
25.11.2005 :
(Herford) Familienhilfe kein Grund für Ausweisung / Urteil des Verwaltungsgerichts Minden
Von Jobst Lüdeking
Herford. Der 16. April 2003: Vor dem Rohbau des Hauses von Richard D. (40, Name geändert) im Kreis Herford rollen Bullis an: eine Schwarzarbeiterkontrolle des Arbeitsamts Herford. Einen Tag vorm Richtfest, das die Familie feiern will. Diese Geschehnisse wurden nun ein Fall fürs Mindener Verwaltungsgericht, das sich mit der Frage befassen musste, wann verwandtschaftliche Hilfe zur Schwarzarbeit wird.
Nach der Bau-Kontrolle ist dem Familienvater D., der vor eineinhalb Jahrzehnten aus dem Kaukasus in den Kreis Herford kam, nicht mehr nach einer Feier zu Mute. Sein Schwager Vitali (39, Name geändert) und dessen Bruder, die auch auf der Baustelle waren, werden ausgewiesen, müssen binnen kürzester Zeit ausreisen. Denn für die Kontrolleure ist die Sache eindeutig: Es liegt ein klarer Fall von Schwarzarbeit vor. Die russischen Staatsbürger haben Schwielen an den Händen, tragen Arbeitskleidung und wuchten Paletten. Das sind Indizien, die eine Ausweisung und eine fünfjährige Einreisesperre, eingestempelt in die Pässe, rechtfertigen, so die Behörden.
Kein Beweis für Schwarzarbeit
Der 40-Jährige D. und Vitali wollen sich das aber nicht gefallen lassen. Der ausgewiesene Schwager zieht mit Hilfe seines Bielefelder Anwalts Detlev Binder von seiner Heimatstadt Kaliningrad aus vor das Verwaltungsgericht. Bauherr D. hat einen "ausgeprägten Gerechtigkeitssinn": "Wenn es sich um Schwarzarbeit gehandelt hätte, hätten wir alles hingenommen."
Jedoch: "Mein Schwager und sein Bruder waren nur zu Besuch bei uns und anderen Verwandten. Sie hatten ein Auto gekauft, wollten noch einen zweiten Pkw holen." Doch aus dem Kauf des zweiten Pkw wurde nichts, denn die Fahnder ertappten sie dabei, wie sie Paletten zur Seite räumten. Aus Arbeitsamts-Sicht war das alles andere als eine verwandtschaftliche Hilfsleistung. D.: "Eigentlich sollte zum Richtfest alles sauber sein. Mir hat man aber im Lauf des Verfahrens gesagt, dass mein Besuch nicht mal Stühle rücken darf, sonst ist das Schwarzarbeit."
Der Schwager geht vier Tage nach seiner Ausreise vom früheren Königsberg aus gegen die vom Ausländeramt des Kreises Herford veranlasste Ausreiseverfügung vor. Zunächst erfolglos. Die Mindener Richter aber haben in ihrem jetzt vorliegenden Urteil (7 K 5761/03) die Einreise-Sperre aufgehoben. Das Gericht sei "nicht zu der Überzeugung gekommen, dass der Kläger im ausländerrechtlichen Sinne" einer Erwerbstätigkeit nach gegangen seien, mit der ein Gewinn erzielt werden sollte.
Es stufte das Palettenrücken als lediglich geringfügigen Verwandtschaftsdienst für die Familie ein. Ob der Kläger vor dem 16. April auf dem Bau gearbeitet habe, sei nicht beweisbar, so die Richter. Die Einreisesperre ist damit hinfällig. Vitali darf wieder einreisen. Rechtsanwalt Detlev Binder zum Urteil: "Die Kontrollwut des Staates darf nicht so weit gehen normale Familienhilfe zu sanktionieren."
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