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Bünder Tageblatt / Neue Westfälische , 21.11.2005 :

(Bünde) Neue Freunde gefunden / Treffen kurdischer und deutscher Schriftsteller beim 8. Autorenabend in Dünne

Von Kathrin Brinkmann

Bünde-Dünne. "Ich heiße Sie alle ganz herzlich willkommen und freue mich, dass sowohl neue Leute hier sind als auch ein alter Stamm treuer Zuhörer", begrüßte Dieter Storck die Gäste zum achten Autorenabend des Verbandes Deutscher Schriftsteller in ver.di aus Ostwestfalen-Lippe im Hause Storck in Dünne.

Zum zweiten Mal lasen deutsche Schriftsteller und Autoren des Kurdischen PEN-Zentrums gemeinsam und machten die Zuhörer mit kurdischer Literatur und Kultur bekannt. "Träumen – Schreiben – Verantworten" war das Thema des Abends, an dem kurdische Märchen, zeitkritische Essays sowie Kurzgeschichten gelesen wurden.

Der Präsident des Kurdischen PEN-Zentrums Zaradachet Hajo gab den Besuchern zunächst eine kurze Einführung in die kurdische Geschichte. "Viele Leute haben erst wenig über die Kurden gehört, deren Existenz als eigenständiges Volk mit eigener Kultur und Sprache bisher nicht möglich ist", begann er seine Rede. Er erklärte, dass die Kurden mit rund 40 Millionen Menschen die viertstärkste Volksgruppe im Mittleren Osten seien.

Nachdem das kurdische Volk viele Jahre unter osmanischer Herrschaft gestanden hatte, entdeckten die Engländer zur Zeit des ersten Weltkrieges Erdöl in Kurdistan. "Nach dem Prinzip teile und herrsche untergliederten sie die Region in viele kleine Staaten, um die Bildung eines mächtigen kurdischen Staates zu verhindern. Die Kurden leben seitdem verstreut in der Türkei, Syrien, im Iran sowie Irak", setzte Zaradachet Hajo seine Erklärung fort. In diesen vier Ländern wurde es den Kurden verboten, ihre Sprache zu sprechen und eine eigenständige Kultur zu pflegen. "Es wurden Pläne entwickelt, unsere Geschichte zu vernichten. Und selbst in Europa weiß man an den Schulen und Universitäten kaum etwas über uns. Daher haben wir auch hier Schwierigkeiten, uns für unsere Kultur einzusetzen", schloss der selbst als Dozent tätige Sprachkenner seinen Vortrag.

Nach einem Auszug aus seinem Werk folgten Lesungen von Selwa Guli aus Schweden, Moustafa Rechid, Nazif Telek, Peter Bornhoeft, Matthias Bronisch, Nilgün Demikarja, Ilona Walger, Kurt Müller sowie Dieter Storck. Das Ziel des Autorenabends sahen die Schriftsteller in der Völkerverständigung sowie der Übereinstimmung des Zusammenlebens der Menschen.

Dieter Storck stellte vor allem die Aktualität der Problematik heraus: "Bei unserem letzten Treffen hatte sich die internationale Situation noch nicht so verschärft wie jetzt nach den Terroranschlägen." Die kurdischen Autoren, die teilweise schon längere Zeit in Deutschland lebten befassten sich aber auch mit ganz anderen Problemen, die ihnen hier besonders auffallen. "Wenn ich zum Einkaufen gehe, in den Kindergarten oder irgendwohin, dann merke ich immer, wie hektisch und schnelllebig es dort zugeht. Alles richtet sich nach dem Terminkalender", erklärte Nazif Telek. "Und weil ich über das schreiben möchte, was mir wichtig ist, trage ich heute eine Kurzgeschichte über die Schnelllebigkeit in diesem Lande vor." Und so waren die Beiträge der Schriftsteller in deutscher und kurdischer Sprache für die Hörerschaft an diesem Abend sehr vielfältig.


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