Die Glocke ,
19.11.2005 :
(Sassenberg ) Autorenlesung mit Gudrun Pausewang / Eindringliche Mahnung aus persönlicher Erfahrung
Sassenberg (dor) Nie wieder Krieg, Elend in Südamerika, Nationalsozialismus und Rechtsradikalismus - das sind die vier Themenschwerpunkte, die die Schriftstellerin Gudrun Pausenwang in ihren Büchern für Erwachsene behandelt.
Am Freitagvormittag war Gudrun Pausenwang zu Gast im Pfarrheim. Dort las sie Zehntklässlern der Hauptschule aus ihrem Buch "Ich war dabei! - Geschichten gegen das Vergessen" vor. Auch in diesem Buch geht es hauptsächlich um ihre Kriegserlebnisse. Einige Kurzgeschichten daraus stellte sie ihren jungen Zuhörerinnen und Zuhörern von der Hauptschule im Herxfeld vor. Ihre schriftlich niedergelegten Beobachtungen riefen die Schrecken der damaligen Zeit eindrucksvoll vor Augen.
In "Er war noch warm" wurde die Judenverfolgung thematisiert. Die Geschichte handelt von der kalten Gleichgültigkeit der nichtjüdischen Nachbarn, die alles stehen und liegen lassen, um dem Schauspiel beizuwohnen, das sich ihnen bietet, als die Familie Birnbaum von den Nazi-Schergen abgeholt wird. Nachbarn, die darüber lachen, als der halbblinde Großvater Widerstand leistet. Deren Lachen auch dann nicht gefriert, als der Hund sich den Hut des Großvaters schnappt und die Brille auf die Straße fällt. Die sich nicht zu fein dazu sind, Minuten danach alles aus der Wohnung zu holen, was nicht niet- und nagelfest ist. Ohne Unrechtsempfinden, ohne Pietät oder irgendeine menschliche Regung - außer der Freude über den unverhofften "Zugewinn".
Gespannt lauschten die Schüler den Worten der 1928 in Ost-Böhmen geborenen Schriftstellerin. Ebenso konzentriert verfolgten sie die Einführung, in der Gudrun Pausenwang über ihr bisheriges Leben berichtete. So erzählte sie, wie die jüngere Generation von Schule, Eltern, Kinder- und Jugendorganisationen systematisch zu Nazis erzogen wurde. Sie war, ebenso wie ihre Eltern eine leidenschaftliche Anhängerin Hitlers und des Nationalsozialismus, gibt die ältere Dame ohne Umschweife zu. Als sie die Nachricht vom Tode Hitlers traf, "weinte ich mir die Augen aus dem Leib. Ich konnte mir eine Welt ohne ihn gar nicht vorstellen." Erst später habe sie erkannt, wie die Nazis den Idealismus der Jugend für ihre Zwecke benutzt und missbraucht hatten.
"Wir glauben alle, wir kennen uns", so die Schriftstellerin, deren Gesamtwerk 81 Bücher für Erwachsene, Kinder und Jugendliche umfasst. Das sei ein gefährlicher Trugschluss. "Wir wissen alle nicht, wozu wir unter bestimmten Voraussetzungen fähig wären, im Guten wie im Bösen", mahnte Pausenwang, die als Lehrerin lange Jahre in verschiedenen Ländern Südamerikas gelebt und gearbeitet hat, die Jugendlichen, sich niemals in Sicherheit über die eigene Person zu wiegen.
19./20.11.2005
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