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WebWecker Bielefeld , 16.11.2005 :

(Vlotho) Die Holocaustleugner vom Winterberg

Gut einhundert Vlothoer Bürger protestierten am vergangenen Freitag gemeinsam mit Antifas aus der Region vor dem Collegium Humanum in Vlotho gegen ein Treffen von Holocaustleugnern. In der rechtsextremen "Bildungsstätte" fand am Wochenende die jährliche Mitgliederversammlung des "Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" statt.

Von Robert Schwarz

Eigentlich ist es auf dem Winterberg in Vlotho wunderschön, die Anhöhe ist wie geschaffen für einen Spaziergang: Wenn man die steile Bretthorststraße bewältigt hat, bietet sich ein herrlicher Blick über das Weserbergland. Leider stört ein Haus auf dem Berg die Idylle für Wanderer und auch Anwohner. Denn das mit Efeu bewachsene Gebäude fast auf dem Gipfel des Winterbergs beherbergt das Collegium Humanum, in dem sich mehrmals im Jahr die Elite des Rechtsextremismus trifft. Holocaustleugner, "Reichsbürger" aber auch militante Skinheads treffen sich dort zu Seminaren über "Das Deutsche Reich" oder eben zur Jahresversammlung des "Vereins zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocaust Verfolgten" (VRBHV).

Verständlich, dass am vergangenen Freitag auch mehrere Bewohner des schönen Winterbergs die steile Straße hoch gingen und gegen die ideologische Umweltverschmutzung durch das Collegium Humanum protestierten. Neben den älteren Herrschaften, die unweit des Collegiums wohnen, folgten etwa einhundert ganz unterschiedliche Menschen dem Aufruf des breiten "Vlothoer Bündnisses gegen das Collegium Humanum". Da stand der Pastor neben den Punkern, Antifas protestierten mit Ratsmitgliedern, Lehrer trafen ihre Schüler.

Zwei dieser Schüler, Lars und Phillip aus der 13. Jahrgangsstufe des Weser-Gymnasiums, wandten sich in einem Redebeitrag "im Namen aller Schüler und Schülerinnen gegen eine Organisation, die Lügen verbreitet und zu Rassismus aufruft". Die Vlothoer Schüler und Jugendlichen protestierten auf das Schärfste gegen eine solche Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus, hieß es in dem Redebeitrag, der auch über die Besonderheit des Termins der Mitgliederversammlung informierte.

"Aus welcher dunkelbraunen Ecke der Verein zur Rehabilitierung der Auschwitz-Leugner kommt, kann man schon daran erkennen, dass das Gründungsdatum ausgerechnet der 9. November 2003 ist", sagte Gymnasiast Philipp. Auch ein Vertreter der Bielefelder Antifa-West ging später bei der Kundgebung auf das Gründungsdatum des VRBHV ein: "Am 9. November vor zwei Jahren, als andernorts des 64. Jahrestages der Reichspogromnacht gedacht wurde, gründeten in diesem Haus 64 Personen einen Verein, dessen Ziel die Leugnung und Rechtfertigung der Naziverbrechen ist", rief der Bielefelder den Zuhörern in Erinnerung. Allerdings waren nicht alle 64 Gründungsmitglieder anwesend, da ein Teil von ihnen gerade Haftstrafen wegen einschlägiger Delikte absaßen. Andere, wie etwa Ernst Zündel, der zur Zeit wegen Volksverhetzung vor Gericht steht, konnten nicht in die Bundesrepublik einreisen, da gegen sie Haftbefehle vorliegen.

Die Motivation dafür, sich gegen das Treiben im Collegium Humanum zu engagieren, haben Philipp und Lars von einer Klassenfahrt. "Wir sind in der KZ-Gedenkstätte Auschwitz gewesen und haben mit eigenen Augen die Stätten der Vernichtung gesehen", erklären die beiden. Dass sie die Gespräche mit Überlebenden des Vernichtungslagers und die riesigen "Mengen von Menschenhaaren, Schuhen und Koffern" tief beeindruckt haben, wie sie sagen, ist ihnen immer noch anzumerken. "Erschüttert mussten wir feststellen, dass der Boden, auf dem wir uns bewegten, von Asche mit Knochensplittern übersät ist", erinnern sie sich an die etwas andere Klassenfahrt.

Da das Bestreiten dieser Fakten, die sie sahen, unlogisch sei, stellten die beiden Gymnasiasten die Frage, was denn die eigentliche Absicht der Holocaust-Leugner sei. Und hatten auch eine Antwort: "Es kann doch nur darum gehen, hier in Vlotho ein Sammelbecken zu schaffen für die führenden Köpfe einer solchen gefährlichen Denkrichtung", lautet ihre Einschätzung. Die Gymnasiasten wiesen darauf hin, dass die Versammlung der Holcaustleugner nicht nur absurd, sondern auch gefährlich ist: "Diese Köpfe legten die ideologische Grundlage für die Ausschreitungen gegen Ausländer und andere Minderheiten in ganz Deutschland", warnten sie. Wie die anderen Teilnehmer der Mahnwache forderten Philipp und Lars, dass die Aktivitäten des Collegium Humanum unterbunden werden. "Es ist ein Skandal, dass es in Deutschland möglich ist einen Verein zu gründen, der zur Unterstützung von Dingen aufruft, die eindeutig vom Grundgesetz verboten sind – nämlich die Leugnung des Holocaust", finden sie.

Diese Meinung vertraten auch andere Teilnehmer der Kundgebung. Immer wieder wurde in der Versammlung die Frage gestellt, warum die Polizeibeamten, die mit mehreren Mannschaftswagen auf dem Winterberg anwesen waren, die Versammlung der Holocaustleugner schützte, anstatt sie angesichts zu erwartender Verstöße gegen geltende Gesetze zu verhindern. Denn bei dem Treffen handelt es sich noch nicht einmal um eine interne Veranstaltung. "Da diese Mitgliederversammlung im Rahmen eines Seminars durchgeführt wird, mit auch für Nichtmitglieder wissenswerten Themen, sind auch Gäste herzlich willkommen", heißt es in der Einladung von Horst Mahler, die dem WebWecker vorliegt.

"Würgeeisen der Holocaustreligion"

Die Untätigkeit der Strafverfolgungsbehörden erstaunt, denn auch sie könnten hören und sehen, dass bei den Versammlungen des Vereins antisemitische Reden geschwungen und die Opfer der Nazidiktatur verunglimpft werden. Der VRBHV vertreibt eine DVD von der letztjährigen Mitgliederversammlung. Auf der sprach Horst Mahler vom "Würgeeisen der Holocaustreligion", die ehemalige Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth bezeichnete er als "die Spinne im Netz der deutsch-jüdischen Organisationen zur Durchsetzung jüdischer Interessen auf deutschem Boden". Außerdem rechtfertigte der ehemalige NPD-Anwalt den Genozid an den europäischen Juden: "Ihr seid verfolgt worden, weil ihr die Völker gemordet habt, und euch geschieht kein Unrecht, so wenig wie dem Mörder, dem ein Gemeinwesen qua Gesetz den Kopf vor die Füße legt", verunglimpfte Mahler im vergangenen Jahr die Opfer der Shoah.

Der Vertreter der Bielefelder Antifa-West, die das Treiben im Collegium Humanum seit Jahren beobachtet und ans Licht der Öffentlichkeit zerrt, sprach denn auch davon, dass der Verein Täter und Opfer verkehrt. "Verfolgte sind hier nicht die Opfer des Holocaust, sondern diejenigen, die in der Tradition der nationalsozialistischen Täter stehen und ihn bestreiten", sagte er in Bezug auf den Vereinsnamen.

Offizielles Ziel des Vereins sei die Wiederaufnahme von Strafprozessen, da viele Gründer des Vereins, deren Liste sich wie ein "Who is Who der international tätigen Holocaustleugner" lese, einschlägig vorbestraft seien. "Tatsächlich steht aber die Verherrlichung des Nationalsozialismus und die Leugnung seiner Verbrechen im Vordergrund", erklärte der Bielefelder Antifaschist. Mit ständiger Wiederholung der Auschwitzleugnung wolle der Verein eine Normalisierung und letztlich Straffreiheit dieser Aussagen erreichen.

Als Beispiel für diese Strategie nannte der Vertreter der Antifa-West einen Prozess wegen Volksverhetzung gegen die Hausherrin des Collegiums, Ursula Haverbeck, und den Schriftleiter der Hauspostille "Stimme des Gewissens" vor dem Amtsgericht Bad Oeynhausen. Die beiden Angeklagten wurden wegen Volksverhetzung verurteilt. "Sowohl von den Angeklagten als auch aus dem Publikum heraus wurde immer wieder der Holocaust geleugnet. Selbst Hermann Göring wurde als Zeuge zitiert", erinnert sich der Augenzeuge des Prozesses. "Das heißt, was während dieser Verhandlung passiert ist, hätte gleich wieder sieben bis acht Verfahren nach sich ziehen müssen", so seine Einschätzung.

Folgenlose Holocaustleugnungen

Aber die Holocaustleugnung in einem deutschen Gerichtssaal führte zu keinen weiteren Verfahren. Tatsächlich kommt nur ein kleiner Teil der Holocaustleugnungen vor Gericht, der Antifa-Vertreter nannte ein weiteres Beispiel dafür, dass sie oft nicht geahndet werden: Auf der Internetseite www.deutschlandluegen.de heißt es ganz unzweideutig: "Den Holocaust gab es nicht." Da auf der Seite auch ihr Verantwortlicher mit Namen, Adresse und sogar Foto aufgeführt ist, erstattete eine Bielefelder Antifaschistin bereits vor zwei Jahren Strafanzeige bei der Berliner Staatsanwaltschaft. Die führte aber bisher zu keinem Prozess, der Satz und andere irre Aussagen sind immer noch auf der Seite nachzulesen.

Auf ein weiteres Ziel derjenigen, die den Holocaust leugnen oder relativieren, ging der Vlothoer Pfarrer Christoph Beyer ein. "Wenn es diesen Wahrheitsverdrehern gelingt, den Holocaust klein zu reden, können sie ihn relativieren", warnte er. Wenn schließlich die Shoah nur als eines von vergleichbaren Verbrechen angesehen werde, könnten Neonazis sagen: "Ach, Hitler war so schlimm gar nicht", beschrieb Beyer das Kalkül der Holocaustleugner.

Christoph Beyer erinnerte daran, dass der Nationalsozialismus auch in dem beschaulichen Vlotho Spuren oder auch Lücken hinterlassen hat. Im November 1938 brannte auch hier die Synagoge, 41 Bürger der Stadt wurden im Dritten Reich in Konzentrationslager deportiert. Der Pfarrer forderte dazu auf, sich an ihre Schicksale zu erinnern und jegliche Form des Antisemitismus zu bekämpfen. "Es gibt ja nicht nur diesen plumpen Antisemitismus hier im Collegium Humanum, es gibt auch einen antisemitischen Nährboden in der Gesellschaft", so Christoph Beyers Diagnose der deutschen Gesellschaft 60 Jahre nach dem Ende des Naziregimes. Aus christlicher Sicht verbiete sich aber jede Form von Antisemitismus, denn schließlich hätten Juden und Christentum gemeinsame Wurzeln, brachte er ein theologisches Argument gegen antijüdische Ressentiments vor.

Nach seiner Rede endete die Kundgebung. Während der hatte sich auch ein Dutzend Alt- und Neonazis hinter der Polizeiabsperrung zu den Beamten gesellt, die unter dem Schein von Scheinwerfern des Technischen Hilfswerks das Collegium Humanum bewachten. Unter den Rechtsextremen verschiedensten Alters auch der Vlothoer Udo Walendy. Der war jahrzehntelang Herausgeber der Zeitschrift "Historische Tatsachen", in der wiederholt die deutsche Kriegsschuld und die NS-Verbechen geleugnet wurden. 1996 wurde er wegen Volksverhetzung in mehreren Ausgaben zu 15 Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Mit dabei vor dem Collegium Humanum auch ein Altnazi, der eigentlich aus eigener Erfahrung wissen müsste, dass es den Holocaust sehr wohl gab. Als zahlreiche Kameras von Antifaschisten auf ihn gerichtet sind, fragt er noch grinsend, was an ihm denn so interessant sei. Als ihm aber ein Demonstrant entgegnet, dass er Fotos für den israelischen Geheimdienst Mossad mache, verliert der Greis offensichtlich für einen Moment die Fassung, ehe er ins Haus zurück trippelt. Für einen, der an eine jüdische Weltverschwörung glaubt, war das wohl starker Tobak.


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