Löhner Nachrichten / Neue Westfälische ,
08.01.2004 :
Beklemmende Dokumente / Ausstellung "Untergrundarchiv des Warschauer Ghettos – Ringelblum-Archiv" in Werretalhalle eröffnet
Von Nicole Sielermann
Löhne. 25.000 Blätter und 70 Fotos – alles Dokumente jüdischen Lebens im Warschauer Ghetto. Dank der Initiative von Emanuel Ringelblum sind sie nicht verloren gegangen. Gemeinsam mit anderen Opfern versteckte und archivierte er Zeichnungen, Fotos, Tagebücher, Notizen oder auch Konzertplakate in Metallcontainern und Milchkannen, die er unter dem Ghetto vergrub. Noch bis zum 22. Januar ist die Wanderausstellung "Oneg Schabbat – Das Untergrundarchiv des Warschauer Ghettos" in der Werretalhalle zu sehen.
"Oneg Schabbat – Freude am Sabbat". Der Titel ist bewusst gewählt. Bedeutet er doch einen fröhlichen Gruß am Abend vor dem Sabbat. Aber auch die Bezeichnung der Untergrundgruppe um Ringelblum im Warschauer Ghetto. Sie hatte es sich zur Aufgabe gemacht, Zeugnisse alltäglichen Lebens für die Nachwelt zu erhalten.
"Dank eines Überlebenden konnten 1946 zwei Container geborgen werden", sagt Hermann Bueren, Geschäftsführer von "Arbeit und Leben" im Kreis Herford, die gemeinsam mit der Volkshochschule Löhne die Ausstellung in die Werretalhalle geholt haben.
Noch drei Container und Milchkannen liegen in Warschau verborgen. An sie kommt zurzeit niemand heran: "Sie liegen unter der Botschaft der Republik China", so Bueren. In Warschau liegen auch die Originale der Ausstellung. "Was Sie hier sehen, sind lediglich Kopien, da die Originale inzwischen zum Unesco-Weltkulturerbe gehören."
Ergänzt wird die Wanderausstellung durch Zeichnungen des Bielefelder Künstlers Manfred Schnell und durch Fotos der deutschen Soldaten. Fotografiert im Warschauer Ghetto.
Emanuel Ringelblum hat mit seinen Mitstreitern nicht nur Dokumente archiviert, sondern auch für die Entfaltung des jüdischen Lebens in Ansätzen gesorgt. "Es ist für uns heute unvorstellbar durch die historische Distanz", fasst der Vorsitzende von "Arbeit und Leben", Karl-Heinz Bernsmeier, seine Eindrücke zusammen. Obwohl Film und Fotos viel übermittelten, bliebe vieles unfassbar.
Als eine Mahnung, sich zu erinnern, sieht Bürgermeister Werner Hamel die Ausstellung.
"Diese Ausstellung verlangt dem Betrachter viel ab"
"Auch wenn das Erinnern nicht besonders erfreulich ist." Denn das letzte Kapitel zum Warschauer Ghetto schrieb Jürgen Strob aus Detmold.
Er war unter Hitler für die blutige Niederschlagung des Aufstandes im Ghetto verantwortlich. Und setzte damit den traurigen Schlusspunkt unter eine unfassbare Geschichte.
"Schon die Dokumente beklemmen. Diese Ausstellung verlangt dem Betrachter viel ab", fand Werner Hamel nach einem ersten Blick. Doch durch diese Ausstellung werde das Leben aus Sicht der Opfer einmalig.
Geöffnet ist die Ausstellung im Saal 3 der Werretalhalle noch bis zum 22. Januar, dienstags bis freitags von 11 bis 18 Uhr und samstags von 10 bis 13 Uhr. Gruppen sollten sich vorher bei Hermann Büren anmelden und bekommen eine detaillierte Führung.
Zum Begleitprogramm gehört am 13. Januar, 18 Uhr, eine szenische Lesung von Jugendlichen aus Bünde unter dem Motto "Korczak und die Kinder" mit dem Film "Der SS-Mann Josef Blösche – Leben und Sterben eines Mörders" sowie am 22. Januar, 20 Uhr, Lieder aus dem Konzentrationslager "Stacheldraht – mit Tod geladen".
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