Lese- und Antifa-Café in der alten Pauline ,
09.11.2005 :
(Detmold) altes Paulinchen / 9. November 2005 – Nummer 4 / Politisches Info-Blatt des Lese- und Antifa-Cafés des autonomes Kultur- und Kommunikationszentrum alte Pauline / www.alte-pauline.de - www.hiergeblieben.de
altes Paulinchen stellt keine Publikation im Sinne des Pressegesetzes dar. Jeder Mensch der Lust hat, mit einem Artikel zu einer Ausgabe beizutragen, ist herzlich dazu eingeladen. Die jeweiligen Ausgaben werden als kostenloser Rundbrief lediglich an Freundinnen, Freunde und Bekannte verteilt. Das nächste alte Paulinchen erscheint am 14. Dezember 2005.
Inhalt:
Kundgebung und Mahnwache gegen das Collegium Humanum
www.poesieundkritik.de
Das Vernichtungslager Sobibor - Veranstaltung zur Reichspogromnacht
NS-Täter und –Täterinnen in Lippe (Teil 1)
Bielefelder Synagoge - Erinnerung an den "Verlorenen Raum"
Gemeinsam gegen das Collegium Humanum
Schwarzes Café in der alten Pauline
Bielefelder Staatsschutz kriminalisiert Engagement für Flüchtlinge
Film-Veranstaltung "Abschiebung im Morgengrauen"
Soli-Konzert für den Infoladen Paderborn
Demo am bundesweit einzigen Frauenabschiebeknast in Neuss
Punk-Kneipe in der alten Pauline
Das Vernichtungslager Sobibor - Veranstaltung zur Reichspogromnacht
Veranstaltungsort:
Autonomes Kultur-
und Kommunikationszentrum
alte Pauline
Bielefelder Straße 3
32756 Detmold
Telefon: (05231) 20 101
www.alte-pauline.de
www.hiergeblieben.de
Am 9. November 1938 war die Reichspogromnacht. Es fanden organisierte, aber auch spontane Angriffe auf Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland statt. Viele Menschen wurden brutal zusammengeschlagen, gedemütigt, es gab Mordopfer. Heute wissen wir, dass kaum jemand den JüdInnen schützend zur Seite stand. Stattdessen bereicherten sich nicht wenige ganz normale Deutsche am Hab und Gut ihrer jüdischen Nachbarschaft. In der Folge der Reichspogromnacht wurden jüdische Menschen in KZs deportiert, was für die meisten von ihnen den Tod bedeutete.
Auch die Arisierung jüdischen Eigentums zur Bereicherung der deutschen Regierung wurde verstärkt vorangetrieben, der Vertreibungsdruck auf die jüdischen Menschen wurde massiv. Die Reichspogromnacht bedeutete eine brutale Wende im Umgang mit der jüdischen Bevölkerung, eine Wende, die zur so genannten "Endlösung", der Vernichtung der europäischen JüdInnen führte.
In den immer noch eher unbekannten Vernichtungslagern der "Aktion Reinhardt", Belcez, Sobibor und Treblinka, wurden 1942 und 1943 ca. 1,7 Millionen Jüdinnen aus Polen, aber auch aus anderen europäischen Ländern direkt in den Gaskammern ermordet. Sobibor war ein Vernichtungslager in Polen östlich von Lublin. Von Mai 1942 bis Oktober 1943 wurden dort 250.000 Menschen ermordet, fast ausschließlich Jüdinnen und Juden. Neben Belcez und Treblinka war Sobibor das dritte Vernichtungslager der "Aktion Reinhardt". "Aktion Reinhardt" war der Tarnname der Nazis für die Ermordung der JüdInnen aus dem Generalgouvernement und später auch aus anderen Teilen Europas. In den Gaskammern der "Aktion Reinhardt" wurden 1.750.000 Menschen ermordet.
Am 14.10.1943 wagten die Arbeitshäftlinge in Sobibor einen organisierten und akribisch vorbereiteten Aufstand, der erfolgreich verlief: Ca. 350 Häftlinge konnten aufgrund des Aufstandes fliehen, mehr als 50 von ihnen erlebten das Ende das Krieges. Das Vernichtungslager Sobibor wurde nach dem Aufstand aufgelöst. Es fanden keine Deportationen jüdischer Menschen nach Sobibor mehr statt, in den Gaskammern wurde nicht mehr gemordet.
Mehrere Besuche führten uns mittlerweile nach Sobibor, wir kennen persönlich zwei der wenigen Überlebenden: Thomas Blatt und Jules Schelvis. U.a. dank ihrer Berichte ist die Absicht der Nazis, die Spuren der Vernichtungslager vollständig auszulöschen nicht aufgegangen.
Zum 60 Jahrestag des Häftlingsaufstandes wurde 2003 eine Gedenkallee eingeweiht. Diese Gedenkallee verläuft auf dem letzten Weg der Jüdinnen und Juden, die nach Sobibor deportiert wurden, er verläuft von der Rampe bis zur Gaskammer. Entlang dieses Weges werden Bäume gepflanzt und Steine mit den Namen Ermordeter gesetzt. Auch für JüdInnen aus Ostwestfalen-Lippe sind dort einige Steine gesetzt. Seit Herbst dieses Jahres ergänzt eine Archivraum im Museum die Gedenkallee, es sind dort u.a. Fotos und fragmentarische Lebensläufe der Opfer einsehbar. Die einzelnen Menschen mit ihren unterschiedlichen Lebenswegen können so der Anonymität der großen Zahl entrissen werden.
Wir, die Initiative gegen Ausgrenzung aus Bielefeld, haben die Aufgabe übernommen diesen Raum in Absprache mit der Gedenkstätte zu gestalten und zu pflegen. Für uns bedeutet das eine Möglichkeit auszudrücken, dass es uns keinesfalls egal ist, was in Sobibor statt fand. Wir fühlen uns nach wie vor verantwortlich für die mörderische Politik des nationalsozialistischen Deutschlands und die unzureichende Aufarbeitung dieser Verbrechen durch die BRD, deutlich wird dies z.B. an der mangelhaften juristischen Verfolgung der Täter. Deutlich wird dies an der rechten Alt- und Neonazi-Szene, die mittlerweile überall öffentlich auftreten darf, abgesegnet vom Bundesverfassungsgericht.
250.000 Leben – eine Allee für die Opfer von Sobibor
250.000 Menschen, fast ausschließlich Juden und Jüdinnen aus Europa, wurden in dem Vernichtungslager Sobibor der "Aktion Reinhard“ in dem kurzen Zeitraum zwischen Juni 1942 und Oktober 1943 unmittelbar nach ihrer Ankunft in der Gaskammer ermordet. Am 14.Oktober 1943 führten die Häftlinge einen erfolgreichen Aufstand gegen die übermächtige Bewachung durch, das Vernichtungslager Sobibor wurde geschlossen, das Morden dort gestoppt. Das Kriegsende erlebten allerdings leider nur ca. 50 der ehemaligen Häftlinge Sobibors. Um die Spuren ihres Verbrechens zu beseitigen, planierten die Nationalsozialisten das Gelände und errichteten einen Bauernhof.
Die Täter zogen es vor zu schweigen, doch dank der Berichte der Überlebenden Sobibors, wissen wir heute von dem mörderischen Geschehen, es ist nicht vergessen. Auch wenn es immer wieder schmerzhaft ist und Wunden aufreißt, die Überlebenden fühlten sich gegenüber den Ermordeten moralisch verpflichtet, Zeugnis abzulegen.
Heute erinnert auf dem ehemaligen Lagergelände eine kleine Gedenkstätte an die Geschehnisse in Sobibor, in der sich Besucher und Besucherinnen über die Ereignisse in Sobibor informieren können. Die Gedenkstätte ist dem regionalem Heimatmuseum in Wlodawa angeschlossen. Der Aschehügel der Ermordeten ist als stetiges Mahnmal sichtbar, zudem errichtete der polnische Staat eine Skulptur, mit der an die Opfer erinnert wird. Bis auf eine Gedenktafel gibt es trotz deutscher Verantwortung für die Verbrechen keinerlei offizielle Unterstützung durch die bundesdeutsche Seite.
14. Oktober 2003 – 60. Jahrestag des Häftlingsaufstandes
Aus Anlass des 60. Jahrestages des Häftlingsaufstandes wurde auf dem Gelände des ehemaligen Vernichtungslager eine Gedenkallee eingerichtet. Diese Allee markiert den letzten Weg der Deportierten von der Rampe bis zur Gaskammer. Bäume wurden gepflanzt und Gedenksteine mit Namen einzelner Opfer oder Gruppen gesetzt. Für BesucherInnen wird die Topographie des bewaldeten Geländes sichtbar und nachvollziehbar. Zudem werden die Opfer der Anonymität der "großen Zahl" entrissen und als einzelne Personen sichtbar.
Jeder Name eine Geschichte
Zum Konzept der Gedenkallee gehört die Einrichtung eines Archivraums im Museum. Dieses Archiv bietet die Möglichkeit, den Ermordeten nicht nur ihren Namen sondern auch Fragmente ihrer abgebrochenen Leben zuzuordnen: Jede und jeder Ermordete war ein Mensch mit einer ganz persönlichen Geschichte, diese Menschen wurden aufgrund einer menschenverachtenden rassistischen und antisemitischen Ideologie der Fortführung und Gestaltung ihres Lebens beraubt.
In Zusammenarbeit mit dem Bildungswerk Stanislaw Hantz aus Kassel, der Stichting Sobibor aus den Niederlanden mit dem Überlebenden Jules Schelvis und nicht zuletzt der Gedenkstätte und dem Heimatmuseum in Wlodawa übernahmen wir, die Initiative gegen Ausgrenzung, ehrenamtlich die Gestaltung dieses Raumes. Angesichts der mörderischen nazistischen Vergangenheit Deutschlands fühlen wir uns verpflichtet, dieser verantwortungsvollen Aufgabe so gut wie möglich gerecht zu werden. Gleichzeitig bedeutet die Auseinandersetzung mit dem Vernichtungslager Sobibor gerade durch den persönlichen Kontakt mit den Überlebenden Jules Schelvis und Thomas Blatt, aber auch den anderen diesem Projekt verbundenen Menschen und Gruppen, eine Bereicherung.
Unsere Aufgabe im Rahmen des Projektes Gedenkallee beinhaltet zum einen die Einrichtung und Gestaltung eines Archivraumes im Museum, ein praktikables Konzept haben wir bereits entwickelt.
Zum anderen erstellen wir durch Rückfragen an Einzelpersonen oder Gruppen, die Steine für die Gedenkallee spenden, eine Art kurzes Dossier über die ermordeten Menschen: die uns bekannten Fragmente ihres Lebens (Wohnort; Beruf, Familie, Außergewöhnliches, ... ) werden schriftlich festgehalten, falls vorhanden werden Fotos, persönliche Briefe, etc. diesen Dossiers zugefügt und den BesucherInnen der Gedenkstätte zugänglich gemacht. Die Dossiers sollen in der Muttersprache des Opfers, in polnisch, englisch und deutsch lesbar sein.
Unsere Arbeit erfolgt ehrenamtlich und ohne finanzielles Budget. Das Museum in Wlodawa unterstützt uns logistisch, verfügt aber über kein finanzielles Budget, so dass wir auf Spenden angewiesen sind..
Wir unterstützen das Projekt "250.000 Leben – eine Allee für die Oper von Sobibor". Aufgrund erster Recherche und Zusammenarbeit mit lokalen Gruppen wurden für Menschen aus Ostwestfalen-Lippe erste Bäume gepflanzt und Steine gesetzt:
Frida Hecht, geb. 23.07.1888 in Herford, ermordet 28.05.1943 in Sobibor
Inge Dreyer, geb. 09.09.1926 in Bielefeld, ermordet 28.05.1943 in Sobibor
Hans Dreyer, geb. 23.03.1929 in Bielefeld, ermordet 28.05.1943 in Sobibor
Dies soll erst der Anfang sein, aus Bielefeld wurden zum Beispiel mindestens 10 Menschen im Vernichtungslager Sobibor ermordet. Die Gedenkstätte Sobibor begrüßt jede weitere Initiative für Gedenksteine in der Allee.
Spenden zur Finanzierung dieser und weiterer Gedenksteine und zur Unterstützung der Einrichtung und Gestaltung des Archivraumes bitte auf folgendes Konto, (Spendenbescheinigungen können auf Nachfrage ausgestellt werden):
IBZ (Internationales Begegnungszentrum)
Sparkasse Bielefeld
Kontonummer: 7300 56 13
BLZ: 480 501 61
Stichwort: Sobibor
Initiative gegen Ausgrenzung
c/o IBZ
Teutoburger Straße 106
33602 Bielefeld
NS-Täter und –Täterinnen in Lippe (Teil 1)
Durchblättern wir die regionale Geschichtsschreibung mit der Fragestellung, was das eigentlich für Menschen waren, die hier in Lippe Jüdinnen und Juden drangsaliert und ausgeraubt, Synagogen verwüstet und ZwangsarbeiterInnen verprügelt, abgeschossene alliierte Flugzeugbesatzungen ermordet, entflohene Kriegsgefangene gejagt und erschossen, ihre Nachbarn an die Gestapo verraten – oder wie Kar Friedrich Titho, sowjetische Kriegsgefangene durch Genickschuss getötet und in Polizei- und Durchgangslagern verantwortlich an Deportation von wenigstens 3.198 Jüdinnen und Juden sowie mindestens 2.470 politische Gefangene in die deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald, Mauthausen und Ravensbrück ’gewirkt’ haben, finden wir verstreut eine Reihe von Hinweise. (1) Aber es gibt selbst 60 Jahre nach dem Ende des Nationalsozialismus noch keinen Gesamtüberblick über die Taten lippischer TäterInnen – geschweige denn eine ausführliche Dokumentation. Ebenso gibt es keine umfassende, fundierte Untersuchung über den juristischen und gesellschaftlichen Umgang mit den TäterInnen in der Zeit nach den Nationalsozialismus. Dass es in Lippe zudem noch keine zusammenfassende Darstellung über die personellen Kontinuitäten in Verwaltung, Politik, Justiz und Wirtschaft gibt, sei hier nur am Rande angemerkt.
Foto: Felix Fechenbach, Jude, Pazifist und Sozialdemokrat, wurde am 7. August 1933 von den Nationalsozialisten ermordet. Auf die Gedenkstätte im Kleinenberger Wald wurden vier Anschläge innerhalb von drei Jahren verübt, zuletzt im Dezember 2003.
Die durchaus nicht geringe lokal- und regionalgeschichtliche Literatur zur Nachkriegszeit in Lippe beschäftigt sich in der Regel vor allem mit der schwierigen Ernährungssituation, mit dem Wohnungsmangel und dem Aufbau 'neuer' politischer und gesellschaftlicher Strukturen. Das entspricht sicherlich dem damals vorherrschenden 'Zeitgeist' – aber doch auch nicht ganz. Es gab durchaus Stimmen, die auf eine intensive kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus drängten, es gab durchaus Menschen, die gegen TäterInnen aus ihrer Stadt oder ihrem Dorf Anklage erhoben und diese zur Verantwortung gezogen wissen wollten.
Dass auch die neuere Lokalgeschichtsschreibung diesen Vorgängen in der Regel wenig Beachtung schenkt, zeigt, dass der Verantwortung vor Ort weiterhin gerne aus dem Weg gegangen wird. Es wird sich weiterhin gerne der ebenso bequemen wie unhaltbaren Behauptung, die Deutschen seien von den Nazis 'verführt' worden und die Elite der Nationalsozialisten seien ja bekanntlich durch die Alliierten bereits abgeurteilt worden, bedient. Somit ist es eigentlich nicht mehr nötig, Strukturen und Verantwortungen, Taten und TäterInnen offen zulegen.
Antisemitische Taten und TäterInnen
In der Nachkriegszeit sind mehrere gerichtliche Verfahren gegen antisemitische TäterInnen angestrengt bzw. eröffnet worden. Dabei ging es vor allem um verschiedene Fälle von Drangsalierung und Misshandlung von Jüdinnen und Juden sowie um Taten während des Novemberpogroms 1938. Die juristische Würdigung der Detmolder 'Ereignisse' und der Taten Horner Bürger soll hier näher beleuchtet werden.
In Detmold wurden mehrere Verfahren angestrengt. (2) Im Februar 1948 wurden die Detmolder SA-Männer Gustav Borowski und Heinrich Reineke zu 8 bzw. 5 Monaten Gefängnis verurteilt, weil sie den jüdischen Viehhändler Ernst Maas durch die Stadt getrieben und misshandelt hatten. Auch der ehemalige stellvertretende Detmolder Bürgermeister Wilhelm Schürmann, die Pfarrerswitwe Meta Ulmke und wiederum der Zimmermann Heinrich Reineke wurden zu mehrmonatigen Haftstrafen verurteilt, weil sie im Dezember 1938 Aktionen gegen das Geschäft der jüdischen Familie Baer initiiert bzw. mitgetragen hatten. "Mag das Strafmaß auch angemessen erscheinen", so der Historiker Wolfgang Müller, "so zeigt ein Blick in die 'Gnadenhefte' der Staatsanwaltschaft, dass die Angeklagten nur ein Bruchteil der Strafe verbüßen mussten. Eingaben von Verwandten und Freunden hatten dafür gesorgt." (3) Meta Ulmke brauchte von den 10 Monaten Gefängnis nur vierzehn Tage absitzen – und das obwohl sie vor dem Geschäft Baer folgende Sprechchöre angestimmt hatte: "Der Jude sitzt im Keller! Der Jude sitzt auf dem Dach! Der Jude muss heraus! Der Jude soll verrecke! Wir wollen Judenblut fließen sehen!" (4)
Ebenfalls im Jahr 1948 wurde gegen mehr als 60 Personen ermittelt, die unter dem Verdacht standen, in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 an der Zerstörung der Detmolder Synagoge beteiligt gewesen zu sein. Lippische SS und Detmolder SA waren mit dem NSDAP-Kreisleiter Wedderwille durch Detmold gezogen und hatten die jüdischen Geschäfte Rosenbaum (Inhaber: E. Wolf), Vogelhut und Baer sowie zwei Wohnungen verwüstet. Dann brachen sie zur Synagoge auf und diese wurde dann "unter persönlicher Leitung Wedderwilles, des Detmolder Ortsgruppenleiters (Hugo Preyer, a. P.) und des Bürgermeisters (Hans Keller, a. P.) vom Landesbranddirektor (Robert Günter, a. P.) in Brand gesetzt. Die umweit stationierte Feuerwehr durfte nur 'zum Schutz der angrenzenden Gebäude' ausrücken." (5) Der Detmolder Oberstaatsanwalt stellte das Verfahren gegen die Beschuldigten jedoch ein, da er in Wedderwille die treibende Kraft sah. Dieser war jedoch im Mai 1947 gestorben. Und wenn zudem überhaupt noch andere Personen als mögliche TäterInnen benannt wurden, "dann nur Personen, die es nicht mehr stören konnte. Verstorbene und Verschollene wurden so zu den Haupttätern des Novemberpogroms in Detmold". (6)
"Bei den anderen Beschuldigten", so Wolfgang Müller, "muss man den Eindruck haben, dass die Untersuchungsbehörden an einer Überführung nicht interessiert waren. Der Oberstaatsanwalt akzeptierte hanebüchene Ausreden und verzichtete darauf, den Widersprüchen in den Aussagen nachzugehen. Er schonte vor allem die Akademiker und 'Honoratioren', während er bei den Beschuldigten 'aus einfachen Kreisen' unterstellte, dass sie in anderen Verfahren schon höhere Strafen zu erwarten hätten, so dass die in dem Verfahren wegen der Zerstörung der Synagoge in Frage kommenden Strafen 'nicht ins Gewicht' fallen würden". (7) Lediglich der SS-Mann Wilhelm Radau wurde zu 6 Monaten Haft verurteilt, von denen er jedoch nur 3 Monate absitzen musste.
- Fortsetzung in altes Paulinchen Nummer 5 vom 14. Dezember 2005 -
Erinnerung an den "Verlorenen Raum" – Bielefelder Synagoge am 9. November 1905 geweiht – am 9. November 1938 von Nationalsozialisten angezündet
Foto: Synagoge von der Südstraße aus. Das Foto muss aus der Zeit nach 1938 stammen, da der kleine Turm schon nicht mehr vorhanden ist.
Der 9. November ist in diesem Jahr ein ganz besonderes Datum. Zum einen erinnert der Tag an die Pogromnacht vom 9. November 1938, in der jüdische Geschäfte zerstört, Synagogen angezündet und damit das Signal für die Shoa gesetzt wurde. In diesem Jahr jährt sich der Jahrestag der Bielefelder Synagogenweihe zum 100. Mal.
Das Gotteshaus an der Turnerstraße wurde am 9. November 1905 eröffnet. Gleichzeitig ist es 300 Jahre her, dass Bielefelder Jüdinnen und Juden im Jahr 1705 ein gemietetes Haus am Klosterplatz, das als Synagoge genutzt wurde, erst in Privat- später in Gemeindebesitz übernahmen.
Eine Ausstellung des Stadtarchivs in Kooperation mit der Jüdischen Kultusgemeinde, dem Historischen Museum und der Volkshochschule soll an die Synagoge an der Turnerstraße erinnern. Titel: "Verlorener Raum - Geschichte der Bielefelder Synagoge 1905 – 1938 – 2005". Die Ausstellung befindet sich im Kleinen Saal der Volkshochschule in der Ravensberger Spinnerei. Die Öffnungszeiten der VHS (Ravensberger Park 1) sind montags bis freitags von 10 bis 18, samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr.
Ein sechseckiger begehbarer Kubus aus je sechzehn Schautafeln innen und außen handelt vom Schicksal der älteren Bielefelder Synagoge am Klosterplatz und vor allem von der neueren Synagoge an der Turnerstraße. Neben Fotos und Textdokumenten der Schautafeln zeigen vier Vitrinen Kultusgegenstände. Darunter auch die Dokumentenrolle aus dem Grundstein. Darin waren das Protokoll des Preisgerichts, die Münzen des Jahres 1938, Tageszeitungen sowie die Vorstandslisten der Jüdischen Gemeinde Bielefeld. Rund 900 Mitglieder gehörten 1905 zur Bielefelder Gemeinde. Der Grundstein wurde erst lange nach dem Zweiten Weltkrieg gefunden und geborgen. Die Synagoge, durch den Brand schwer beschädigt, wurde von 1939 bis 1947 abgerissen. Erhalten geblieben sind die Baupläne. Denn die Zeichnungen waren nicht im Gotteshaus, sondern im Bauamt.
Es waren Feuerwehrleute, die den Brand von 1938 gelegt hatten. Die Brandwache am Kesselbrink war 20 Meter entfernt. Die Wehr hatte Löschverbot, sie sollte nur das Überspringen des Feuers auf Nachbarhäuser verhindern.
Gemeinsam gegen das Collegium Humanum – Kundgebung in Vlotho am Freitag, 11. November
Am letzten Wochenende im Oktober trafen sich die Holocaustleugner, die ansonsten meistens in der neonazistischen Tagungsstätte "Collegium Humanum" (CH) im ostwestfälischen Vlotho auf dem Winterberg tagen, in Mosbach, einem kleinen Ort in Thüringen. Das Thema beim “Seminar der Reichsbewegung“ war die Frage “Warum wurde das von Adolf Hitler geführte Deutsche Reich von den Westmächten zusammengeschlagen?“ Antworten vor zahlreichen Anwesenden gaben Ursula Haverbeck, Horst Mahler und Bernhard Schaub.
Vor zwei Jahren lud Ursula Haverbeck zu einer Geburtstagsfeier der neonazistischen Art am 8. und 9. November 2003 in das Collegium Humanum. Zu ihrem 75. Geburtstag wünschte sich die Witwe des Altnazis Werner-Georg Haverbeck und jetzige CH-Chefin zwei Vorträge zu Themen, die ihr Leben bestimmt haben. Sprechen sollten Horst Mahler über "Lüge in Geschichte und Politik" und der Schweizer Holocaust-Leugner Bernhard Schaub über "Germanische Mythologie und Christuswesenheit". "Wie es sich gehört bei einer Veranstaltung im CH", hieß es weiter in der Geburtstagseinladung, "sind beide Herren Geschädigte und Verfolgte nach § 130" (gemeint ist der § 130 StGB, der Volksverhetzung unter Strafe stellt).
Foto: Werner Haverbeck: Begründer des Collegiums und überzeugter Nationalsozialist
Die Gründung des VRBHV
Als wollte Haverbeck beweisen, dass Geschichtsrevisionismus und Volksverhetzung bis heute ihr Leben bestimmen, gründete sie gemeinsam mit Bernhard Schaub sowie Mahler als treibende Kraft im Hintergrund tags darauf eine Art "Internationale der Holocaust-Leugner". Am 9. November wurde der nicht eingetragene "Verein zur Rehabilitierung der wegen Bestreitens des Holocausts Verfolgten" (VRBHV) aus der Taufe gehoben. An der Gründung wirkten laut einer Pressemitteilung vom 11. November einschlägig bekannte internationale Holocaust-Leugner mit.
Fotos: Ursula Haverbeck, Horst Mahler und Bernhard Schaub
Die Gründer des VRBHV:
Ernst Zündel, Holocaust-Leugner, in kanadischer Haft;
Ingrid Zündel-Rimland, Ehefrau Ernst Zündels, USA
Robert Faurisson, Holocaust-Leugner, Frankreich
Rainer Daehnhardt, extrem rechter Revanchist, Portugal
Germar Rudolf, Holocaust-Leugner, England
Jürgen Graf, Holocaust-Leugner, Weißrussland
Gerd Honsik, Holocaust-Leugner, Spanien
Wilhelm Stäglich, Holocaust-Leugner, Deutschland
Fredrik Töben, Holocaust-Leugner, Australien
Andres Studer, Holocaust-Leugner, Portugal
Hans-Dietrich Sander, Herausgeber der "Staatsbriefe", Deutschland
Manfred Roeder, Holocaust-Leugner, Deutschland
Frank Rennicke, neonazistischer Liedermacher, Deutschland
Hans Schmidt, ehemaliger SSler, Geschichtsrevisionist, USA
Anneliese Remer, Witwe des Holocaust-Leugners Ernst-Otto Remer, Spanien
Als Vorsitzender fungiert(e) Bernhard Schaub, als seine Stellvertreterin Ursula Haverbeck. In ihrer Eingangsrede auf der Gründungsversammlung bezeichnete die CH-Chefin die Reichspogromnacht als den "Beginn der großen Lüge, die endgültig zu Fall zu bringen Anliegen unseres Vereins sein wird: Der Auschwitz-Lüge". Ebenso deutliche Worte finden sich auch in der Gründungserklärung des VRBHV: "Wir
( ... ) geben Zeugnis davon, dass in allen Erdteilen Menschen redlicher Gesinnung den Holocaust im Sinne einer systematischen Vernichtung der europäischen Judenheit durch die Regierung des Deutschen Reiches bezweifeln."
Die diesjährige Mitgliederversammlung des VRBHV soll vom 11. bis 13. November am gleichen Ort stattfinden. Holocaustleugner aus der ganzen Republik und ihre AnhängerInnen werden nach Vlotho reisen, um – laut Veranstaltungsankündigung - "gegen die Offenkundigkeit des Holocaust" zu Felde zu ziehen.
Das Vlother Bündnis gegen das Collegium Humanum, das am 18. Juni 2005 eine Demonstration mit über 800 Menschen organisierte, ruft deshalb für Freitag, den 11. November, von 16.30 bis 17.30 Uhr zu einer Mahnwache mit Kundgebung am Collegium Humanum auf.
Treffpunkt ist um 16.15 Uhr an der Ecke Bretthorststraße/Krugweg/Maasbecker Straße.
Zur Mahnwache/Kundgebung beitragen werden Pfarrer Christoph Beyer und zwei Schüler (aus dem Leistungskurs Geschichte) des Weser-Gymnasiums. Zur Geschichte und den Aktivitäten des Holocaust-Leugner-Vereins wird ein Mitglied der Antifa-West aus Bielefeld berichten, die die Aktivitäten auf dem Winterberg seit Jahren beobachtet.
Schwarzes Café in der alten Pauline
Die Idee des Schwarzen Café ist es, die vielfältigen und auch tiefgründigen Texte verschiedener Bands näher zu beleuchten. Dazu gibt es zum Café ein Programmheft, welches die Texte der Bands abdruckt, die im Mittelpunkt des jeweiligen Abends stehen, um diese lesen und mit anderen Menschen diskutieren zu können.
Das Schwarze Café, das am letzten Samstag des Monats in der alten Pauline stattfindet, schließt sich, wie im letzten Heft der Veranstaltung abgedruckt, den Aufruf "Grufties gegen Rechts – Schwarz statt Braun" an.
Hier der Aufruf:
"Angesichts der Tatsache, dass sich auch in Teilen der Dark Wave / Gothic-Szene in den letzten Jahren rechtsextreme Tendenzen breit gemacht haben (wie auch schon in anderen Subkulturen und Teilen der Gesellschaft geschehen), wollen wir uns als Teil dieser Szene hiervon öffentlich distanzieren. Gerade weil wir wissen, dass es unsinnig ist, die ganze Schwarze Szene als rechts abzustempeln, halten wir es für unabdingbar, sich klar von rechten Inhalten, Strömungen, Bands, Zeitungen, Vertrieben und Labels abzugrenzen. Rechtsradikale Bestrebungen innerhalb unserer vielfältigen Subkultur dürfen genauso wenig wie in Politik und Gesellschaft geduldet werden.
Angesichts
- der nach wie vor beinahe täglichen Angriffe auf Nicht-Deutsche, Andersdenkende und Andersaussehende,
- der wiederkehrenden Wahlerfolge rechtsradikaler Parteien,
- der verbreiteten Gleichgültigkeit oder gar Akzeptanz gegenüber diesen Entwicklungen in der Gesellschaft und leider auch in großen Teilen unserer Szene,
erklären wir hiermit öffentlich unseren Widerstand gegen die Versuche von “Neuen” Rechten und Neonazis in der Schwarzen Szene Fuß zu fassen. Wir wollen nicht zu Versuchskaninchen des in den 90er Jahren von rechten Ideologen erklärten “Kulturkampfes” werden, für die unsere Subkultur nur Mittel für ihre Zwecke ist.
Als Unterzeichner weigern wir uns, Rechten in der Szene öffentlichen Raum zu geben. Daher werden wir als DJ’s keine als rechts einzustufenden Bands auflegen - auch nicht auf ausdrücklichen Wunsch. Als unterzeichnende Bands wehren wir uns gegen die Vermarktung unserer Kunst durch Unternehmen, die dem rechten Spektrum zuzuordnen sind. Die unterzeichnenden Zeitschriften und Fanzines drucken keine Anzeigen von ebensolchen ab. Als Plattenhändler und Vertriebe verkaufen wir keine rechten Produkte.
Wir fordern aber auch alle anderen Bands, DJ’s, Magazine, Fanzines, Vertriebe und Labels auf, sich klar von den Unterwanderungs- und Vereinnahmungsversuchen durch rechte Ideologen abzugrenzen und sich nicht wie oft üblich auf vermeintlich unpolitische Positionen zurückzuziehen oder nebulös auf Kritik oder Fragen zu reagieren."
Grufties gegen Rechts Bremen
Music for a new Society
Kulturzentrum Schlachthof
Findorffstr.51
28215 Bremen
Der Aufruf im Internet:
http://www.geister-bremen.de
J.G. / Schwarzes Café
Hausmitteilungen
Bielefelder Staatsschutz kriminalisiert Engagement für Flüchtlinge
Am 3. Oktober haben mehr als 60 Angehörige aus Flüchtlingsinitiativen das Hermannsdenkmal symbolisch besetzt. Gegen 14 Uhr entrollten sie ein 15 Meter langes Transparent mit der Aufschrift "Abschiebungen stoppen!" über den Sockel des Denkmals.
Das "Bündnis gegen Abschiebungen OWL", das zu der Aktion aufgerufen hatte, nahm in einem an die Besucherinnen und Besucher verteilten Flugblatt auf das Datum der "symbolischen Besetzung" Bezug: Der 3. Oktober - der Tag der Deutschen Einheit - sei zu einem verhängnisvollen Tag für die Menschen ohne deutschen Pass geworden, seit der Öffnung der innerdeutschen Grenze würden die Außengrenzen für Flüchtlinge abgeschottet.
Die Folgen der Abschottungspolitik machen sich jetzt schon überdeutlich bemerkbar: So sank die Zahl der Asylgesuche in Deutschland binnen weniger Jahre um 2/3 auf einen historischen Tiefststand von nicht einmal mehr 30.000 Asylsuchenden pro Jahr. Das ist allerdings nicht darauf zurückzuführen, dass es weltweit weniger Flüchtlinge gäbe, sie schaffen es bloß nicht mehr bis nach Deutschland zu kommen.
Die gelungene symbolische Besetzung des Hermannsdenkmals am 3. Oktober war ein Protest gegen diese menschenverachtende Abschottungspolitik und die öffentlich erhobene Forderung, den Menschen in Not die Fluchtwege zu eröffnen, die sie brauchen.
Die Aktion wurde von vielen unterschiedlichen Menschen aus Ostwestfalen-Lippe (OWL) getragen, da sich in dieser Region die Situation in mehrfacher Hinsicht dramatisch zuspitzt:
- Der (Männer-) Abschiebeknast in Büren bereitet sich aktuell darauf vor, nächstes Jahr auch Frauen aufzunehmen, die "Frauenabschiebehaftanstalt" in Neuss wird definitiv 2006 geschlossen. Zur Zeit werden in Büren deshalb ein Hafthaus ausgelagert und "Arbeitsbetriebe" ausgebaut. Darüber hinaus verhandelt das Land NRW seit längerem mit Hessen darüber, weitere (männliche) Gefangene in Büren aufzunehmen, die zur Zeit in der JVA Darmstadt inhaftiert sind.
- Die Zentrale Ausländerbehörde (ZAB) in Bielefeld ist dazu übergegangen, bei Asylfolgeanträgen regelmäßig Abschiebehaft durchzusetzen.
- Die Ausländerbehörde Detmold lässt zunehmend keine “freiwilligen Ausreisen“ mehr zu und schiebt direkt ab.
- Sämtliche Ausländerämter in OWL haben die Gangart verschärft und bestreiten zunehmend ihre noch vorhandenen Ermessensspielräume.
- Es muss davon ausgegangen werden, dass aus OWL in diesem Jahr um die 5.000 Abschiebungen durchgeführt wurden beziehungsweise werden.
Und dies alles vor dem Hintergrund der auslaufenden finanziellen Förderung der Flüchtlings-Beratungsstellen (nicht nur) in OWL.
Der Vereinsvorstand des Trägervereins der alten Pauline ist wegen der Besetzung des Hermannsdenkmals zwischenzeitlich zur "zeugenschaftlichen Vernehmung" beim Staatsschutz geladen.
Wenn die politische Abteilung des Polizeipräsidium Bielefeld diese symbolische Besetzung zum Vorwand nimmt, unliebsame politische Akteure auszuforschen und ein einfaches und unbegründetes Ermittlungsverfahren wegen einer angeblichen Straftat (gegen das Versammlungsgesetz) einzuleiten, halten wir dem entgegen:
Wir lassen uns nicht einschüchtern und stehen trotz der Vorladungen zu unseren antirassistischem Engagement, das seine Ursache in der staatlichen Abschiebungspolitik hat! In der alten Pauline wird es weiterhin z. B. Solidaritäts-Konzerte für von Abschiebung bedrohte Menschen und Informations-Veranstaltungen über (staatlichen) Rassismus geben.
Wir müssen nicht nur in unserer Geschichte zurück gehen, um die Arbeitsweise des Bielefelder Staatsschutzes zu charakterisieren. Wir erinnern beispielsweise an die rechtswidrige Durchsuchung der alten Pauline im April 2001, als der ehemalige Kommandant der Polizei- und Durchgangslager Fossoli und Bozen in Italien, Karl Friedrich Titho, sich durch die Bezeichnung "Nazi-Mörder" beleidigt fühlte (aus diesen beiden Lagern wurden wenigstens 3.198 Jüdinnen und Juden sowie mindestens 2.470 politische Gefangene in die deutschen Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz, Bergen-Belsen, Buchenwald, Mauthausen und Ravensbrück deportiert).
Aufgrund dieser offensichtlich tendenziösen Untersuchungen und wegen weiterer Provokationen seitens des Staatsschutzes gegen die alte Pauline und ihre Vereinsmitglieder haben wir im September 2001 beschlossen, nicht mit dem Staatsschutz zusammenzuarbeiten, als in der Nacht vom 14. auf den 15. (20-jähriges Bestehen des autonomen Kultur- und Kommunikationszentrums) u.a. die Detmolder Neonazis Tobias Thomas Budde und Sven Dickmann die Pauline angriffen und einen Menschen mit einer Holzlatte bewusstlos schlugen.
Weitere Ermittlungsverfahren gegen Vereinsmitglieder (die sämtlich eingestellt wurden), zum Beispiel wegen Protesten gegen das rechtsextreme “Collegium Humanum“ in Vlotho, machen überdeutlich, dass wenn es um Alt- und Neonazis geht, von dieser Behörde zunächst grundsätzlich jegliche Gefährdung gedeckelt, verschwiegen und verharmlost wird (jüngstes und aktuellstes Beispiel ist die wieder erstarkende Neonazi-Szene in Lemgo, die vom Staatsschutz als "marodierende Dumpfbacken" heruntergespielt wird). In fast allen Fällen wurde und wird abgewartet, bis der (Beweis-)Druck aus (antifaschistischer) Öffentlichkeitsarbeit so erdrückend ist, dass er nicht mehr ignoriert werden kann.
Schluss mit entwürdigenden Lebenszuständen, rassistischen Sondergesetzen und Abschiebungen!
Bleiberecht für alle – jetzt sofort!
Sofortiges Einstellung des Ermittlungsverfahrens wegen der symbolischen Besetzung des Hermannsdenkmals!
Detmold, 28. Oktober 2005
Autonomes Kultur- und Kommunikationszentrum alte Pauline
Bielefelder Straße 3
32756 Detmold
Telefon: (05231) 20 101
"Abschiebung im Morgengrauen" – Film- und Info-Veranstaltung
- 45 Minuten, NDR, Februar 2005 -
Es ist drei Uhr morgens, als sechs Mitarbeiter der Hamburger Ausländerbehörde, begleitet von einigen Polizisten, an der Tür der Familie Kryezi klingeln. Die Beamten drängen in die kleine Wohnung: Eine halbe Stunde hat Elvira Kryezi Zeit, um hastig ein paar Kleider zusammenzupacken, ihre fünf Kinder zu beruhigen und Verwandte zu benachrichtigen, dass die Familie nach 15 Jahren in Deutschland in den Kosovo abgeschoben wird. "Morgendliche Begleitung" heißt eine solche Aktion im Behördendeutsch.
Zwischen Behördenalltag und persönlichem Schicksal
Der Film beobachtet Beamte, die in dieser Abteilung tätig sind. Nach welchen Kriterien urteilen die Mitarbeiter des Amtes, wie gehen sie mit den Menschen um, über deren Schicksal sie auf oft dramatische Art mitentscheiden?
Alltag in der Ausländerbehörde
Zum ersten Mal hat die Ausländerbehörde Hamburg einem Team des NDR gestattet, den gesamten Prozess der Abschiebung mit der Kamera zu begleiten.
Wenn die Duldung endet
Etwa 20.000 Menschen leben allein in der Hansestadt behördlich "geduldet", aber ohne dauerhaften Aufenthaltsstatus. Viele von ihnen sind Kriegsflüchtlinge, die kein Asyl erhielten, die aber gleichwohl nicht abgeschoben werden durften. Sobald sich die Situation im Herkunftsland nach Einschätzung der deutschen Politik ändert, stehen sie auf den Abschiebungslisten. Die quälend lange Zeit des Wartens und der Ungewissheit zermürbt die Menschen und zerstört die Familien.
Die Reportage beobachtet Menschen an der Schnittstelle zwischen Behördenalltag und persönlichem Schicksal.
Nach dem Film gibt es aktuelle Informationen zur Entwicklung der Abschiebehaft in Nordrhein-Westfalen, und zur Demo gegen den Frauenabschiebeknast in Neuss am 26. November, zu deren Teilnahme wir aufrufen.
Mittwoch, 23. November um 20 Uhr
Autonomes Kultur-
und Kommunikationszentrum
alte Pauline
Bielefelder Straße 3
32756 Detmold
Veranstalterinnen:
Bündnis gegen Abschiebungen OWL
Hilfe für Menschen in Abschiebehaft Büren e.V.
Kulturinitiative Detmold
Flyer: Soli-Konzert für den Infoladen Paderborn
Demo am bundesweit einzigen Frauenabschiebeknast in Neuss - Für Legalisierung statt Razzien und Abschiebung
Samstag, den 26. November 2005 um 14.00 Uhr
- Treffpunkt: Hauptbahnhof Neuss -
Demo für Legalisierung statt Razzien und Abschiebung
Gegen Rassismus und Sexismus
In Neuss (NRW) befindet sich seit 1993 der bundesweit einzige Frauen-Abschiebeknast. Der Knast liegt mitten in der Neusser Innenstadt in einer ruhigen Wohnstraße und wird kaschiert durch eine unauffällige Fassade. In dem Knast sind momentan zwischen 60 bia 80 Frauen eingesperrt. Der einzige Grund für die Inhaftierung der Frauen ist ihre Migration in die BRD.
Die Frauen kamen aus der ganzen Welt. Sie fliehen vor Genitalverstümmelung, Zwangsprostitution, Zwangsverheiratung. Sie entschließen sich zur Migration, weil sie in ihrem Herkunftsland keine Chance auf Bildung oder Ausbildung haben. Frauen entscheiden sich zur Flucht, weil sie als Lesben oder Angehörige einer ethnischen oder religiösen Minderheit verfolgt werden. Sie werden als politische Aktivistinnen verfolgt und müssen ihr Land verlassen. Frauen treffen die Entscheidung zur Migration, weil sie keine Möglichkeit sehen, genügend Geld zu verdienen. Sie migrieren, weil sie sich nicht in die vorgeschriebenen Frauenrollen pressen lassen wollen. Frauen fliehen vor Kriegen, vor den Folgen der Kolonialisierung. Sie werden vertrieben, sie entfliehen der gezielten Zerstörung ihrer wirtschaftlichen und ökologischen Lebensgrundlagen.
In einer sexistischen Welt, in der Frauen gesellschaftlich oft weit unter Männern stehen, verwundert es nicht, wenn z.B. allein erziehende Mütter ihr Zuhause verlassen in der Hoffnung auf ein besseres Leben, in der Hoffnung, ihren Kindern ein menschenwürdigeres Leben bieten zu können. In Deutschland bleiben ihnen doch oft nur die Wahl, zu heiraten oder - als Illegalisierte - ständig in der Angst zu leben, entdeckt und abgeschoben zu werden. Auch hier werden sie
Opfer von sexualisierter Gewalt und Ausbeutung.
Abschiebehaft bedeutet für die Inhaftierten: bis zu 18 Monate eingeknastet hinter hohen Mauern und Sicherheitsdraht, bewacht von bewaffneten SicherheitsbeamtInnen. Kleine Zellen, rigide Schließzeiten, wenig Hofgang, eingeschränkte Besuchszeiten, kaum Telefonmöglichkeiten, ausgeliefert der Willkür des Personals, der Willkür des Apparats.
Häufig werden die Frauen nicht richtig über ihre Rechte aufgeklärt, die DolmetscherInnen, die zur Hilfe gezogen werden, übersetzen oft ungenau, für Frauen aus Afrika wird meist nur ins Englische übersetzt, selbst wenn diese Frauen nur rudimentär Englisch verstehen. So unterschreiben sie Dokumente, ohne zu wissen, welche Folgen dies für sie haben kann.
Nicht nur der Abschiebeknast in Neuss, sondern auch die Abschiebepraxis in Deutschland generell ist Ziel unserer Kritik. Ca. 1,5 Millionen Menschen, davon meist Frauen, leben zur z.Zt. in der BRD in einem Zustand der Illegalisierung, d.h. ohne gültigen Aufenthaltstitel und damit nahezu ohne Rechte.
Den Menschen per Definition zu illegalisieren, bedeutet unter anderem, sie für den Arbeitsmarkt ausbeutbar zu machen und sich damit frei verfügbares, unsichtbares und entrechtetes Potential an ungeheuer billigen Arbeitskräften zu schaffen. Über 70 Prozent der Frauen, die im Abschiebeknast Neuss eingesperrt sind, wurden bei Razzien in Bordellen aufgegriffen, da die meisten Kontrollen dort stattfinden. Die überwiegende Mehrheit von Frauen ohne Papiere arbeitet allerdings in gutbürgerlichen deutschen Haushalten, als Hausarbeiterinnen, als Kinderbetreuung, als Putzhilfe, in der Pflege.
Wir rufen jede und jeden dazu auf, gegen die sexistischen und rassistischen Gewaltverhältnisse in Staat und Gesellschaft zu demonstrieren, laut, entschieden und phantasievoll.
- Legalisierung statt Razzien!
- Weg mit allen Abschiebeknästen!
- Abschiebung bedeutet Folter und Mord!
- Arbeits- Gesundheits- und soziale Rechte für alle Menschen!
- Jede und jeder hat das Recht, dort zu leben, wo sie/er es will!
- Kein Mensch ist illegal
Flyer: Punk-Kneipe in der alten Pauline
soli@alte-pauline.de
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