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Lippische Landes-Zeitung , 08.01.2004 :

Jetzt die Provinzen befrieden / Afghanistan Thema beim Neujahrsempfang des VBK 35

Augustdorf (mah). "Afghanistan ist ein Land mit Riesenproblemen, aber gewillt, sie in den Griff zu bekommen." So schätzt Generalleutnant Norbert von Heyst die Lage ein. Er war im vergangenen Jahr Kommandeur der internationalen Eingreiftruppe ISAF am Hindukusch und vermochte beim Neujahrsempfang des Verteidigungsbezirkskommandos VBK 35 in Augustdorf aus erster Hand aus dem krisengeschüttelten Land zu berichten.

Von Heyst, Kommandierender General des ersten Deutsch-Niederländischen Korps in Münster, zog ein differenziertes Fazit seiner Tätigkeit: "Die Sicherheitslage in Kabul hat sich erheblich verbessert. Aber sie hat sich im Rest des Landes ebenso deutlich verschlechtert." Daher sei er er sehr froh über die Bundestagsentscheidung gewesen, dass die Bundeswehr sich künftig auch in Kundus engagieren soll: "Das war mein Vorschlag, und es ist der einzig gangbare Weg, auch die Provinzen zu befrieden." Denn die internationalen Hilfsorganisationen wie das Rote Kreuz zögen sich wegen der unsicheren Lage von dort immer mehr zurück. Das ISAF-Mandat auf ganz Afghanistan auszuweiten, sei nicht zu machen: "Dazu bräuchte man 12 000 Soldaten mehr."

Vordringliches Ziel sei es nun, ein afghanisches Staatswesen aufzubauen, erste Schritte seien eingeleitet: Eine Verfassung sei verabschiedet, Armee und Polizei befänden sich im Aufbau, ebenso das Gesundheits- und Justizwesen. Das Wichtigste aber sei, Vertrauen zu gewinnen. Des Generals Motto hier: "Winken und lächeln." Norbert von Heyst berichtete von Kindern, die die ISAF-Patrouillen begeistert begrüßten, und er erzählte von praktischer Hilfe vor Ort.So habe er dank der Spende der Bäckerinnung Münster Nähmaschinen und Stoff kaufen können, mit denen die Frauen in Kabul Schuluniformen für die Mädchen haben nähen können. Diese haben die Soldaten dann für zwei Euro das Stück den Frauen abgekauft, um sie dann an die Schülerinnen zu verschenken. "Von dem Geld haben die Frauen dann wieder Stoff kaufen können", erzählte der Referent. Er schilderte die Situation so eindringlich, dass die Gäste des Neujahrsempfanges spontan 600 Euro zugunsten dieses Projektes sammelten.

Still wurde es dann, als von Heyst an das Selbstmordattentat vom Juni vergangenen Jahres erinnerte, bei dem vier deutsche Soldaten ums Leben gekommen waren. "Wir waren an einem anderen Tag und zu anderen Zeiten als sonst unterwegs, hatten eine andere Reihenfolge der Fahrzeuge. Wenn sich dann neben dem Bus ein Taxi mit 100 Kilogramm Sprengstoff in die Luft jagt, können Sie dagegen nichts machen." Es sei eine schwere Hypothek für einen Kommandeur, nicht alle Soldaten heil nach Hause bringen zu können - nicht zuletzt der Gedenkgottesdienst habe ihm die Gefährlichkeit der Aufgabe wieder vor Augen geführt.

Norbert von Heyst war von Wolfgang Fischer begrüßt worden, dem stellvertretenden VBK-Kommandeur. Sein Chef, Oberst Dierk Lenuweit, ließ es sich jedoch nicht nehmen, per Telefon live Grüße aus Prizren zu schicken. Mehrere hundert Ehrengäste aus Politik, Wirtschaft und Verwaltung hatten sich zu dem traditionellen Empfang in der Rommelkaserne eingefunden.


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