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Herforder Kreisblatt / Westfalen-Blatt , 05.11.2005 :

(Herford) Häuser erzählen ein Stück Stadtgeschichte / Lutz Brades Buch über jüdische Wirkungsstätten

Herford (bex). Sie sind stumme Zeugen jüdischen Lebens in Herford, das es so nicht mehr gibt: die Häuser Gehrenberg 1 und 12, die ehemalige Elsbach-Fabrik, das Haus Komturstraße 14 oder die alte Wittekind-Kino-Passage. In akribischer Archivarbeit hat Lutz Brade jetzt eine Übersicht der Wohn- und Arbeitsstätten ehemaliger jüdischer Mitbürger zusammengetragen und als Buch veröffentlicht.

"Orte zu leben, zu arbeiten, zu leiden" hat er das 66 Seiten dünne Broschur-Bändchen betitelt. In ihm werden erstmals für Herford Stätten jüdischen Wirkens benannt, die bis in die Gegenwart das Bild der Stadt prägen. "Die meisten Häuser stehen noch, ihre Bewohner sind unfreiwillig verschwunden. Wer zur Erinnerung an sie bereit ist, kann mit der bewussten Wahrnehmung der exemplarisch genannten Gebäude beginnen, Nachforschungen zu den Menschen anstellen, Lücken zu ihrer und zur Geschichte der Stadt schließen helfen, das Verhältnis der Staatsgewalten zu Minderheiten prüfen", erklärt der 66-Jährige seine Intention. Vier Jahre lang hat der ehemalige Lehrer in Archiven recherchiert und auch über Kontakte zu Überlebenden ein nahezu vollständiges Bild der Wirkungsstätten jüdischer Mitbürger erstellt.

Brade forscht bereits seit den 80-er Jahren zur Geschichte der Juden in Herford. 2001 veröffentlichte er zu diesem Thema das Buch "Die Aberkennung der Menschenrechte in Deutschland". "Der neue Band ist eine Ergänzung zu diesem Buch. Hiermit schließt sich der Kreis", sagt Verleger Gerd Gaede vom Weserbergland-Verlag aus Bad Oeynhausen. Anhand der einzelnen Gebäude wird ein Stück Gewerbe- und Industriegeschichte erzählt. Besonders reizvoll wird die Übersicht durch die Gegenüberstellung alter und aktueller Fotos. Sie macht die Veränderung konkret erfahrbar und eigne sich deshalb besonders gut für den Schulunterricht. "Die Häuser kennt jeder. Doch die Geschichten, die sich dahinter verbergen, sind unbekannt", sagt Gaede. Denn wer weiß noch, dass am Neuen Markt 4 einst eine kleine Konfektionsfabrik untergebracht war oder das Haus Komturstraße 35 eine Viehhandlung beherbergte?

Gleichzeitig ist das Buch ein Stück Architekturkritik. Viele Häuser sind in den vergangenen Jahrzehnten mit wenig ansprechenden Fassaden ausgestattet oder nach dem Abriss durch unansehnliche Neubauten ersetzt worden. Nicht nur für "Alt-Herforder" bietet das Buch (ISBN 3-928-700-68-5, in den Herforder Buchhandlungen erhältlich) also viele neue Ein- und Ansichten.

05./06.11.2005
herford@westfalen-blatt.de

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