Lippische Landes-Zeitung ,
07.01.2004 :
Varus-Schlacht: Kriegsbeil begraben? / Diskussion um ein historisches Gemetzel soll vor 2000-Jahr-Feier offenbar entschärft werden
Kreis Lippe (Sam). 2009 jährt sie sich zum 2000. Mal: die Varus-Schlacht, in der Arminius die Truppen des römischen Feldherrn Varus im Jahre 9 n. Chr. vernichtend geschlagen haben soll. Der Mythos, dass dieser Kampf in Lippe stattgefunden haben könnte, ist für den heimischen Tourismus ein wichtiger Daseinsfaktor. Das rege Treiben rund um das Hermanns-Denkmal - es verkörpert Arminius - ist Beweis dafür. Und so mancher Lokalpatriot leitet die vielbetonte Eigenständigkeit Lippes aus den historischen Ereignissen ab. Nun aber scheint es so, als ob das (Schlacht-)Feld des Varus' Kalkriese überlassen werden soll.
Seit Jahren beanspruchen Detmold und das niedersächsische Kalkriese den Austragungsort der Varus-Schlacht für sich. Die mal mehr mal weniger wissenschaftlich fundiert geführte Diskussion soll offenbar im Vorfeld der 2000-Jahr-Feier entschärft werden. Die Varus-Veranstaltungsreihe ist für 2009 mindestens in der Dimension der "Karolinger-Ausstellung" Paderborn (1999) angedacht. In diesem Zusammenhang plant das Gremium "Varus-Schlacht" - unter anderem besetzt mit Vertretern des Kreises, des Landesverbandes Lippe und des Landesmuseums -, Kalkriese das Thema "Kalkriese - Ort der Varus-Schlacht" zu überlassen. Detmold bliebe das Thema "Mythos Varus-Schlacht".
Einer, der sich vehement dagegen wehrt, ist Wolfgang Lippek. Er wohnt der Arbeitsgruppe bei und ist Mitglied im Gesamtvorstand des Naturwissenschaftlichen und Historischen Vereins (NHV) Lippe. Für ihn steht die Theorie, dass die Varus-Schlacht bei Kalkriese stattgefunden hat, "auf tönernen Füßen". Es würden zu viele falsche Schlüsse gezogen, so Lippek, gleichzeitig Ortsvereins-Vorsitzender des NHV Lage.
Er nennt Beispiele: Nach seinen Worten erklärt die Kalkriese-Grabungsleiterin Dr. Susanne Wilbers-Rost in Vorträgen, dass in Kalkriese Münzen mit dem Gegenstempel des Varus gefunden worden seien. Die Buchstaben VAR seinen in den Jahren der Statthalterschaft des Varus in Germanien (7 bis 9 n.Chr.) aufgebracht worden. Damit sei erwiesen, dass die Ereignisse in Kalkriese stattgefunden habe.
Lippek: "Dieser Schluss ist falsch. Die so gekennzeichneten Bronzemünzen waren auch nach dem Tode des Varus' gültiges Zahlungsmittel. Sie können später in den Boden gelangt sein und datieren die Ereignisse von Kalkriese nicht zwingend auf das Jahr 9 n.Chr." Zudem, so der Lagenser, habe der frühere Kalkriese-Grabungsleiter Prof. Dr. Wolfgang Schlüter selbst ausgeführt, dass die Kalkriese-These im wesentlichen auf Münzfunden beruhe. Die Mehrzahl der übrigen Fundstücke wie Waffen- und Trossteile hätten eine solche Überzeugung jedoch nicht vermitteln können.
Auch Walter Stich, Vorsitzender des Heimatbundes, hatte in der Sitzung der Varus-Arbeitsgruppe Bedenken gegen die Entscheidung zugunsten Kalkrieses deutlich gemacht. Er bestätigte dies auf Anfrage, wollte sich aber mit Verweis darauf nicht weiter äußern, dass er im Herbst den Vorsitz abgibt.
Landesverbands-Vorsteher Joachim Bünemann betonte, dass sich Kalkriese lediglich mit dem Thema Varus-Schlacht beschäftigt - schließlich handele es sich bei Kalkriese nachweislich um eine große Schlachtstätte, "um welche auch immer ". Dass damit auch ausdrücklich der Ort der Varus-Schlacht den Niedersachsen zugestanden werde, sehe er, Bünemann, nicht. Der Landesverbandsvorsteher verteidigte die Entscheidung, weil sich "Kalkriese sicherlich auf nichts anderes eingelassen hätten. Und einen der wichtigen ,Spielorte' bei den Feierlichkeiten auszugrenzen, wäre nicht sinnvoll gewesen".
"Einen der Spielorte auszugrenzen, wäre falsch" Joachim Bünemann
Auch Landrat Friedel Heuwinkel steht hinter dem Votum. Das Thema "Mythos Varus-Schlacht" - also die geschichtliche Entwicklung Lippes vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse - sei für den Bürger sicherlich interessanter als eine rein wissenschaftliche Betrachtung der Frage nach dem Standort. "Das ist ein viel breiteres Feld", so Heuwinkel. Der Landrat deutete auch an, dass Fördermittel sicherlich leichter fließen, wenn sich Detmold mit Kalkriese einige.
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