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Gütersloher Zeitung / Neue Westfälische , 07.01.2004 :

Feier ohne Jubel / Kulturzentrum Weberei wird 20 / Abgespeckte Festwoche startet am Sonntag

Von Jeanette Wedeking

Gütersloh. 20 Jahre Weberei, das ist ein Grund zum Feiern. Viele Institutionen dieser Art sind im Laufe der zwei Jahrzehnte auf der Strecke geblieben, die Luft der Gründerzeit ging aus, das Geld auch. In Gütersloh aber hat die Einrichtung durchgehalten von 1984 bis heute. 20 Jahre Weberei, das ist ein Grund zum Feiern, wäre da nicht die schlechte Stimmung.

"Wir haben eigentlich keinen Grund zum Jubilieren. Aufgrund knapper Kassen ist uns nicht so recht nach Feiern zumute", erklärt Andreas Voßhenrich-Werner, Geschäftsführer der Weberei. 170.000 Euro seien binnen zwei Jahren durch die Streichung öffentlicher Fördergelder verloren gegangen. Schmerzliche Einschnitte. Mit Ablauf des Jahres 2003 wurde auch das Geschäftsjahr abgeschlossen. "Die Tendenz zeigt unterm Strich eine schwarze Null", so Voßhenrich-Werner. Damit seien keine großen Sprünge zu machen, ergänzt Vorstandssprecherin Hanne Heudtlass. "Wir können jetzt keine finanziellen Risiken eingehen." Außerdem seien fünf Jahre schnell um, und erst mit dem 25-jährigen Bestehen sei ein "echtes" Jubiläum zu feiern. Hanne Heudtlass: "Wir wollen nicht in fünf Jahren einen drauf setzen müssen, weil wir jetzt rauschend gefeiert haben."

Der Blick auf den bevorstehenden Geburtstag also ein nüchterner. Trotzdem haben sich Vorstand und Geschäftsführung entschlossen, eine Festwoche zu veranstalten. Am Sonntag gehts los. "Wir wollen nicht mit Highlights glänzen, sondern unseren ganz normalen Alltag zeigen", so der Geschäftsführer. Die aktuelle Theater-Diskussion habe in Gütersloh so viel Raum eingenommen, dass man als Kulturstätte mitunter gar nicht mehr wahrgenommen worden sei. "Hier bei uns findet Kultur jeden Tag statt", so Voßhenrich-Werner. Dieses wolle man mit der bevorstehenden Programm-Woche allen verdeutlichen.

Auf einen Empfang mit Einladung der Stadtväter wird verzichtet. Die Feier wird jenen gewidmet, die der Weberei seit Jahren die Treue halten: "Unsere Gäste und Mitarbeiter." Das mag - so Voßhenrich-Werner - etwas beleidigt klingen, doch sei man eher stolz darauf, auch in wirtschaftlich schweren Zeiten, so gut klar zu kommen.

Gut klar kommen heißt, dass die Zahl der Gastronomiebesucher im vergangen Jahr deutlich gesteigert werden konnte. "Die Akzeptanz der Weberei in der Bevölkerung ist so groß wie nie", sagt Andreas Voßhenrich-Werner. Allerdings sei die Zahl der Disco-Gänger um ein Drittel rückläufig. Eine Konkurrenzsituation zu Stadthallenveranstaltungen sei durchaus spürbar.

Der Blick ist nach vorn gerichtet. Die Konzertsaison für das erste Halbjahr 2004 ist ausgearbeitet. "Wir bleiben bei unserem Kulturraster und werden auch weiterhin Subkultur veranstalten", allerdings, so die Geschäftsleitung, soll eine Mainstreamveranstaltung pro Vierteljahr eingeflechtet werden. "Wenn es die Weberei schafft, neue Spielräume zu erobern, dann sieht die Zukunft positiv aus", so Voßhenrich-Werner mit Blick auf das Wapelbad, dessen Betriebsleitung 2003 übernommen wurde. Die Bilanz des ersten Sommers sei zufrieden stellend. "Wir denken jetzt über Innovationen nach, wie zum Beispiel die Etablierung von Kammermusik."

Für Installationen und Etablierungen jeglicher Art könnte es in Kürze schwierig werden, denn das Amt für Denkmalschutz in Münster hat signalisiert, dass es das Wapelbad als "Gesamtensemble" zu schützen gilt. Die "Denkmalschutz"-Plakette ist auf dem Weg. Architekt und Weberei-Vorstandsmitglied Thomas Spooren initiierte die Begutachtung von Seiten der Behörde. Besuch aus Düsseldorf hat sich auch angekündigt. "Innerhalb der nächsten zwei Wochen findet eine Begehung des Wapelbades statt", erklärt Voßhenrich-Werner. Damit wird sich entscheiden, ob es Landesmittel für notwendige Umbaumaßnahmen gibt, oder ob die Stadt ihre Zusage zur Förderung wahrnehmen muss.


Start mit einem Wolkenbruch
Es begann mit einem Konkurs. 1975 stellt die Weberei Greve & Güth ihren Fertigungsbetrieb ein. Als die Stadt die Gebäude abreißen will, bildet sich 1979 die Initiative "Rettet die Fabrik". Sie erreicht den Erhalt des Ensembles - doch wie es nutzen? Mit knapper Mehrheit setzen SPD und FDP ein Bürgerzentrum durch. Im Januar 1984 eröffnet es, und weil es Freitag, der 13., ist, setzt ein Wolkenbruch erst mal das Parkett unter Wasser.

Doch der Start gelingt. Das "Soziokulturelle Bürgerzentrum" trifft das, was später Zeitgeist heißt. Die Werkstätten, die Angebote für Senioren, Frauen, Kinder, die Kneipe und die legendäre "Zappelfete" - die von einem Verein verwaltete Soziokultur, sie funktioniert. Im ersten Jahr erwirtschaftet die Alte Weberei etwas Gewinn, doch schon im zweiten Jahr stöhnt Geschäftsführerin Anne Kerber über klamme Kassen. Der Kummer bleibt, auch die nächsten 18 Jahre.

Die Weberei pflegt das kreative Chaos. Doch als Skinheads sie entdecken, droht 1987 kurzzeitig die Schließung des Jugendbereichs. Kurz darauf folgt ein Brandanschlag auf die Kneipe. Die nächsten Schlagzeilen liefert die Ex-Terroristin Monika Berberich, als sie 1994 dort mit Jugendlichen diskutiert.

Die größte Krise erfasst die Weberei 1995; sie verkündet Zahlungsunfähigkeit. Erneut hilft die Stadt aus der Klemme, aber diesmal läßt sie es dabei nicht bewenden. Der Sanierer Peter Vermeulen wird geholt, er trimmt das Haus auf Wirtschaftlichkeit. Äußerlich streicht er das "Alte" aus dem Namen; nach innen dreht er nicht nur am Personalkarussell. Ihm folgt Andreas Voßhenrich-Werner, der die "Weberei" wieder in ruhigeres Wasser führt, manchem zu ruhig.


lok-red.guetersloh@neue-westfaelische.de

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