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Mindener Tageblatt , 06.01.2004 :

Die Sprache bleibt wichtigste Waffe / Positive Bilanz bei interaktiver Ausbildung in der Raumschießanlage der Kreispolizeibehörde

Von Stefan Koch

Minden (mt). Im Bruchteil einer Sekunde richtig handeln, übt die Mindener Polizei in ihrer Raumschießanlage. Dort stehen die Beamten mit der Waffe in einer virtuellen Welt aus interaktiven Filmsequenzen. Während in Nordrhein-Westfalen das Training vorgeschrieben ist, gehört es in Niedersachsen nicht zum Polizeialltag.

Im Keller der Mindener Hauptwache läuft wieder der Film über die sechs mal drei Meter große Leinwand: Ein Mann holt eine Schrotflinte aus dem Kofferraum und pöbelt. Dann legt er an. Und dann drückt er ab.

Doch der Leinwandbösewicht war zu langsam: Der Polizist vor der Leinwand hatte die Situation rechtzeitig erkannt - und geschossen.

Unter Stress die richtige Entscheidung im Umgang mit der Waffe zu treffen, müssen Nordrhein-Westfalens Polizisten mindestens an drei Tagen im Jahr trainieren. Dazu gibt es für die Kreispolizeibehörde in der Mindener Hauptwache eine Raumschießanlage. Das Besondere: Kein festgelegter Film, sondern viele von einem Steuerpult aus zusammenstellbare Filmsequenzen lassen sich auf die Leinwand projizieren. Der Übende weiß nicht, was ihn erwartet.

"Schießen und Nichtschießen" werde hier geübt, so Klaus- Peter Lauterbach, der zusammen mit seinen Kollegen Detlef Vogt und Thomas Bensch die Fortbildung in der Polizeiwache durchführt. Die drei legen besonderen Wert auf die Feststellung, dass das Training im Halbdunkel vor der Leinwand keine Schießausbildung sei.

So müssen alle dort Übenden nicht nur die Waffe, sondern auch ihre Worte richtig beherrschen. Wenn sich der Leinwandbösewicht in die Jacke greift, sollte die Aufforderung "Keine Bewegung" nicht allzu piepsig klingen. Der Satz "Stehenbleiben oder ich schieße" ist zudem längst aus der Mode gekommen. "Die Sprache ist unsere wichtigste Waffe", meint Lauterbach.

Mehr als 30 abwandelbare Situationen aus dem Polizeialltag sind im Computer der Schießanlage gespeichert. Neben dem Mann mit der Schrotflinte gibt’s die Einbrecher auf frischer Tat, die Verkehrskontrolle, einen Einsatz beim Familienstreit oder einen aggressiven Motorradfahrer. Per Mausklick wählt der Trainer, ob der Leinwandtäter flüchtet, aufgibt, angreift, die Pistole oder nur ein Messer zieht. Sogar ein Hund ist dabei, der zubeißen könnte. Sensoren ermitteln, ob der Schuss gesessen hat.

Als eine der ersten Polizeibehörden in Nordrhein-Westfalen hatten die Mindener das interaktive System vor vier Jahren für 400 Polizisten erhalten. Jetzt ziehen die Fortbildungstrainer eine positive Bilanz. Thomas Bensch: Die Kollegen berichteten, dass sie auf schwierige Situationen angemessener reagieren könnten. Auf Wunsch werde sogar im Alltag Erlebtes szenisch nachgestellt. Denn: "Hier wird trainiert, die Waffe so lange wie möglich in der Tasche zu lassen."


mt@mt-online.de

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