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Lippische Landes-Zeitung , 13.05.2003 :

Silixen kämpft für Bozkurts / Bürger protestieren gegen Abschiebung der kurdischen Familie

Extertal-Silixen (te). Silixener Bürger machen sich für eine Familie aus ihrer Mitte stark. Mehr als 100 Unterschriften sind schon gesammelt worden, um eine Abschiebung des kurdischen Ehepaars Bozkurt und ihrer drei Kinder in die Türkei zu verhindern. Die Familie ist untergetaucht.

Seit neun Jahren leben Giyasettin Bozkurt (38) und seine Frau Hidayet Cicek (29) schon in Silixen an der Heidelbecker Straße. Ihre Kiner Zozan (8), Umut (6) und Azad (2) sind hier geboren, Zozan besucht die Grundschule, Umut den Kindergarten. Giyasettin Bozkurt arbeitet bei der Kalletaler Firma Kuhfuß, seine Frau als Aushilfe im Silixener Lebensmittelpark. "Das sind unauffällige und arbeitssame Leute. Sie sind nicht von der Sozialhilfe abhängig und voll in die Dorfgemeinschaft integriert", sagt eine Nachbarin.

"Warum muss es gerade die Bozkurts treffen?"
Eine Nachbarin

Doch das viele Jahre dauernde Asylverfahren hat nicht zu einer Anerkennung geführt. Sehr früh am Montag, 5. Mai, sollten der Ehemann und seine drei Kinder abgeschoben werden, weil für sie Passersatzdokumente vorliegen. Ein solches Dokument war für die Ehefrau noch nicht da. In dieser Situation sah Giyasettin Bozkurt offenbar keine andere Möglichkeit mehr als unterzutauchen. Sollte er aufgegriffen werden, muss er in Abschiebehaft.

Jetzt kämpfen die Silixener für ein Bleiberecht der Familie. "Wir halten diese Abschiebung in die Türkei für inhuman", heißt es auf dem Informationsblatt, das der Unterschriftenliste beiliegt. "Warum muss es gerade die Bozkurts treffen?", fragt die Nachbarin. "Wer soll denn hier bleiben, wenn nicht eine Familie, die sich wirklich integrieren will? Das ist für uns nicht verständlich. Es gibt mehr Bürokratie als Menschlichkeit in diesem Land." Die Frau tat sich mit Gleichgesinnten zusammen und startete die Unterschriftenliste, die im Supermarkt von Regina Scheiper ausliegt. Kindergarten und Schule haben Briefe geschrieben. Die Kirchengemeinde will noch einmal mit den Behörden das Gespräch suchen. Auch über Kirchenasyl habe man gesprochen, sagt Pfarrer Martin Schröder. Aber die rechtliche Prüfung und organisatorische Umsetzung sei unter dem Zeitdruck nicht möglich gewesen.

Rechtlich nichts zu machen

Franz Kemper, Leiter des Ausländeramtes in Detmold, ist beeindruckt vom Engagement der Silixener Bürger, aber er sagt: "Wenn ich die Familie nicht abschiebe, handele ich pflichtwidrig. Ich habe überhaupt keinen Spielraum." Seit 1987 laufe das Asylverfahren bereits. Der Antrag und alle Folgeanträge seien abgelehnt worden. Auch der Gang vor Gericht und Petitionen hätten nichts genutzt.

Kemper verweist zudem darauf, dass nicht das lippische Ausländeramt, sondern das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge entscheide. "Es wurde wiederholt festgestellt, dass kein Asylgrund vorliegt, dann muss das Ausländeramt ausweisen", sagt er. Rechtlich sei es auch möglich, nur ein Elternteil mit den Kindern abzuschieben und den anderen Partner später. Hier habe das Amt darauf zurückgegriffen, weil es mit immensen Aufwand verbunden sei, die nur einen Monat gültigen Passersatzdokumente zu erhalten. An der rechtlichen Situation ändere auch die Integration der Familie im Dorf nichts. "Ich sehe das menschliche Schicksal, aber ich stehe auch hinter dem Recht. Es zu ändern, ist Aufgabe der Politik, nicht meine", sagt Kemper.

Die Silixener sind frei von diesen Zwängen. "Es ist ein Drama, das sich hier abspielt", sagt die Nachbarin. "Viele sind ganz erbost, selbst die Kinder. Ich hoffe, dass diese Geschichte insgesamt zu einem Umdenken führt. Es ist mehr Zivilcourage und Initiative nötig."


Lemgo@lz-online.de

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