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Lippische Landes-Zeitung , 05.01.2004 :

Orte des Wissens / "Kritik an Raus 'Missgriff'", LZ vom 30 Dezember

Mit seiner provokanten Gleichsetzung von Kopftuch, Kruzifix oder Kutte als "Glaubensbekenntnis" und "missionarischer Textilie" geht Bundespräsident Johannes Rau methodisch sauber vor. Die Bewertung der Symbole und der Frage, inwieweit sie die persönliche Freiheit von Menschen beeinträchtigen, sollte allerdings nicht einer Partei überlassen bleiben, die sich im Parteinamen durch das Wort "christlich" abgrenzt.

Durch seine Gleichsetzung lässt Rau in der Tat außer Acht, dass das Kopftuch - selbst physisch - eine Frau sicher mehr einschränkt als etwa ein Kruzifix. Es kann sicher als gesellschaftliche Unterdrückung der Frau gewertet und mit islamistischen, antidemokratischen Gruppen in Verbindung gebracht werden. Die Zeiten, in denen das Kreuz als Symbol der Unterdrückung - etwa von Juden und Moslems in der Inquisition - stand, sind vorbei. Die Bewertung der Symbole bleibt dennoch subjektiv. Johannes Singhammer (CSU) kann nicht erwarten, dass das Kreuz allseits als Symbol der Freiheit akzeptiert wird. Religiöse Bekenntnisse sollten in öffentlichen Institutionen, wie Schulen, einer offenen Gesellschaft nicht aufgezwungen werden.

Leider haben radikale Moslems wie Fereshta Ludin und manche Unionspolitiker gemein, dass sie Staat und Religion nicht trennen möchten. Nehmen wir uns ein Beispiel an säkulären Staaten wie den USA, der Türkei oder Frankreich und machen Schulen zu Orten des Wissens, nicht des Glaubens!

Abgesehen von der Diskussion ums Kopftuch schwingt in der von CDU-Politikern jüngst losgetretenen Debatte aber mal wieder mehr mit: Es ist die Auseinandersetzung mit dem Fremden - diesmal der Symbolik des Islam -, mit dem sich besonders konservative Politiker in Deutschland leider immer noch so schwer tun. Politiker wie Friedbert Pflüger (CDU) oder Ingo Friedrich (CSU) greifen das Symbol der fremden Religion durchaus begründet an, doch dahinter steht offensichtlich die Abwehr des Fremden, die völkische Abgrenzung ihres "christlich-abendländischen Kulturkreises" (Zitat Friedrich).

Die Debatte gibt nicht nur Aufschluss darüber, wie wir religiöse Symbolik werten, sondern die Art, wie wir sie führen, verrät, wie wir mit "dem Fremden" umgehen. Sie gibt mehr Aufschluss über uns, als über das Kopftuch an sich.

David Motadel
Papenberg 2
Detmold


Detmold@lz-online.de

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